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Publikanische Minister etwas zu wissen brauchten. Er wird nun wieder ein gewaltiger Jäger vor dem Herrn werden. — Kaum auf dem Theater gehen die Verwandlungen so schnell und still vor sich, wie dasmal in Paris der Wechsel der höchsten Aemter. Still und ohne Aufsehen sind Präsident Grevy und Gambetta in ihre Amtswohnungen übergesiedelt, Grevy ins Elysee, Gambetta in das Palais Bourdon. Grevy zog sich von den Gratulanten in Versailles (wo die National versammlung tagt) so rasch zurück, daß die Ehrenwache nicht einmal vor ihm präsenteren konnte; seinen ersten Präsidentenabend machte er im Gasthofe zu, wo er mit ein paar Freunden speiste, lehnte den Extra zug nach Paris ab, den ihm der Juspector stellte und fuhr mit dem letzten ordinären Zuge. Paris, 8. Febr. Präsident Grevy empfing heute das diplo matische Corps, er sprach seine hohe Befriedigung über die ausge zeichneten Beziehungen Frankreichs zu den Mächten des Auslandes aus, er köune die Versicherung hinzufügen, daß die Regierung der Re publik alles Mögliche thun werde, um jeue Beziehungen zu consolidiren und bitte die fremden Vertreter ihren Regierungen seinen Dank zu übermitteln sür die Bereitwilligkeit, womit sie die Stellung ihrer Ver treter bei der Regierung der Republik geregelt hätten. Die Pariser müssen im vorigen Jahre ein ganz erkleckliches Sümmchen von fremden Besuchern der Ausstellung eingenommen haben. Nach offiziellen Erhebungen betrug die Zahl der auf den verschiedenen Bahnhöfen angekommenen Fremden während der ersten 9 Monate fast 37^2 Millionen, während im Ausstellungsjahr 1867 die Gesammtzahl der Fremden sich nur auf 13 Millionen belief. Petersburg, 7. Febr. Es ist nunmehr festgestellt, daß der Ge neraladjutant Graf Loris-Melikoff, mit den größten Vollmachten ausgestattet, seine Reise nach dem Pestschanplatz antritt. Es wird ihm eine zahlreiche Suite beigegeben, die aus Verwaltungsbeamten und aus Adjutanten behufs schleuniger Ueberbringung der Verordnungen besteht. Ferner ist dem General völlig anheimgestellt, seinen Aufenthalt in Astrachan oder Zarizyn zu nehmen. Die Kordonziehung um das ganze astrachan'sche Gouvernement wird sich kaum in der allerkürzesten Zeit vollziehen lassen, da die zu beziehende Linie eine Strecke von fast 1800 Werst ausmacht und dazu ganze Armeecorps nothwendig werden. Vorläufig aber sind zu diesem Ende nur ein Infanterieregiment und zwei Kosackenregimenter abgegangen. Ein officielles Telegramm aus Astrachan vom 7. d. meldet, daß sich seit dem 6. d. kein Pestkranker mehr in dtn verpesteten Ortschaften befindet. Seitens des Gouverneurs von Astrachan werden nunmehr alle Vorkehrungen getroffen, um die Präventivmaßregeln gegen eine Wiederkehr der Krankheit zur Ausführung zu bringen. Das Ansehen der Deutschen in St. Louis macht den ameri kanischen Zeitungen Kopfschmerzen. Der Mayor (Bürgermeister) der Stadt ist ein Deutscher, der Präsident der Handelsbörse ist ein Deutscher, der Vicegouverneur ist ein Deutscher, einer der Richter des Bvndes- gerichts ist ein Deutscher, der letzte Gouverneur-Kandidat war ein Deutscher, das Kabinetsmitglied aus dieser Stadt ist ein Deutscher und — und von den 7 täglichen Morgenzeitungen sind 4 deutsch. In New-Jork hat eine Feuersbrunst in Worthstreet 10 große Geschäftshäuser eingeäschert, darunter 5 deutsche. 5 Millionen Doll. Verlust. OertlicheS und Sächsisches. Die für den Monat Februar gegen den Vormonat sich ergebende -erhebliche Zunahme der Subhastationen im Königreiche Sachsen zeigt recht deutlich, daß die mit Eintritt des neuen Jahres erhoffte Besserung in den Verhältnissen des Hypothekenmarktes noch nicht ein getreten ist und daß der auf diesem Gebiete zu constatirende Reinigungs- proceß vorläufig noch sortdauert. Jnsgcsammt sind für den laufenden Monat 151 Subhastationen liegen 120 im Januar) angesetzt. Leipzig. Ein recht trauriger Aall, der zur Vorsicht mahnt, hat hiesige Eltern in großes Herzeleid gebracht. Vor einigen Tagen hatte sich ihr einziges Kind von 4 Vs Jahren beim Spielen in der Stnbe an einen Schlüssel, welcher im Secretär stak, mit dem Köpfchen ge stoßen, nnd ist das Kind an der erlittenen Verletzung trotz aller ärzt lichen Hülfe gestorben. Der feit dem Jahre 1869 bestehende „Mobiliarbrandversicherungs verein" ehrenvoll verabschiedeter Militairs im Königreiche Sachsen, welcher in Zwickau seinen Direktoralsitz hat, bringt zur öffentlichen Kenntniß., daß die Zahl seiner Mitglieder ans 16,721 gestiegen und von denselben ein Mobiliarwcrth von 59^ Millionen Mark beim Verein versichert sei. Der Beitritt zu dem gedachten Vereine ist den ehrenvoll verabschiedeten oder entlassenen aktiven Militärs, Reservisten und Landwehrleuten und deren Wittwcn, insoweit sie innerhalb des Königreichs Sachsen wohnen, gestattet. Auf den 1-8. und 10. Febr, ist eine Delegirtenkonferenz aller deutschen Vereine gegen Verfälschung der Lebensmittel und anderer Gebranchsgegenstünde, sowie gegen Geheimmittelschwindel und der gleichen nach Leipzig ausgeschrieben worden. Sowohl alle Ver eine, welche diese Bestrebungen zu ihrem Hauptzweck gemacht, als auch solche, welche dergleichen als einen Zweig ihrer Thätigkeit be trachten oder die Prinzipien unterstützen wollen, sind dazu eingeladen, und zwar sind die Städte Bamberg, Bayreuth, Bclzig, Berlin, Bremen, Bromberg, Karlsruhe, Chemnitz, Dresden, Eislebenf Frankfurt -a. M., Gera, Hamburg, Hannover, Köln .Leipzig, Meiningen, Metz, München, -Oschatz, Rheydt, Rosenberg, Rostock, Stuttgart, Tilsit und andere vertreten. Die Berathungcn des Delegirtentages erstrecken sich auf eine gemeinsame Petition an den Reichstag in Bezug auf den in nächster Session vorliegenden Entwurf eines Gesetzes, betreffend den Verkehr mit Nahrungsmitteln rc., ferner auf ein Gesetz gegen Geheim mittelschwindel und Kurpfuscherei, über obligatorische Einführung der Fleischschau, über Organisation eines Verbandes der Vereine zu gleichen Zwecken rc. Der unter dem Protektorate Sr. Maj. des Königs stehende bienenenwirthliche Hauptverein im Königreiche wachsen hat seine neue Organisation vollendet. Unter vier Krcisvorständen stehen die Kreisvercine der Lausitz, von Dresden, Leipzig und Zwickau. Es bestehen 84 Zweigvereine mit 2937 Mitgliedern, die in 9 Bezirks- Vereine geordnet sind. Als Kreisvorstände sungiren gegenwärtig in obiger Reihenfolge: Lehrer Mutschink in Demitz, Ober'stallamts- sekretär Pötzsch in Dresden, Lehrer Naupert in Niedergoseln und Chausseegeldereinnehmer Schneider in Gelenau. Zwickau. Die auf Antrag des Kreissekretär Bunde in der landwirthschaftlicheu Bezirksversammlung hier, am 21. Jan. d. I. beschlossene Petition, „die Belegung der in das Gebiet des deutschen Reiches importirien ausländischen Kohlen, insbesondere der böhmischen Kohlen, mit einer Grenzübergangsabgabe betreffend", ist an den Reichskanzler mit 3100 Unterschriften versehen, wobei sich 14 land- wirthschaftliche Vereine befinden, nach Berlin abgegangen. Plauen. In den zwischen hier nnd Elsterberg gelegenen Dörfern Steinsdorf und Jößnitz ist die Schule wegen der in beiden Ortschaften epidemisch aufgetretenen Krankheiten (Diphtheritis und Scharlachfieber) bereits seit Wochen geschlossen, doch hofft manj, daß der Unterricht in nächster Zeit wieder beginnen kann. Ein Schatten. Novelle von Ludwig Habicht. (Fortsetzung.) „Dann mnß ich rasch eingreifen, um meine Unvorsichtigkeit gut zu machen," sagte der Staatsanwalt und eilte die Treppe hinab. Ju der Gaststube war der Wirth nicht zu entdecken, auf sein wieder holtes Klingeln und Rufen ließ sich nur der .pausknecht sehen, der auf die Frage nach seinem Herrn die Auskunft gab, er wisse nicht, wo er sei. Auch die Wirthschafterin, die sonst bei jedem Klingelzug eifrig herbeistürztc, ließ sich nicht blicken. Das ganze Haus schien plötzlich wie ansgestorben. Die vorläufige Vernehmung des Hausknechtes führte zu keinem Resultat. Der junge Bursche war sehr beschränkt und^ vermochte über die Ankunft des Fremden und die Vorgänge jener Nacht nicht die mindeste Auskunft zu geben. Da jetzt der Verkehr im Weißen Büren fast ganz erloschen war, hatte ihn sein Herr den Tag über auf seinem Acker beschäftigt und des Nachts schlief er im Stall. Auch an jenem Tage war er so spät vopr Felde heimgekehrt, daß er die Ankunft des Fremden nicht einmal erfahren und am an dern Morgen hatte er schon wieder das Haus verlasse», noch eh' der Tod des Fremden Herrn bekannt war; dann waren nur seine Dienste bei Fortschaffung der Leiche gefordert worden. Lene hatte ihm gesagt, der Fremde sei am Schlagfluß gestorben -und er habe sich recht gewundert, aber doch nicht weiter gefragt, denn die Lene sei immer gegen ihn sehr kurz angebunden. Auf Befehl des Staatsanwaltes, den Wirth rasch herbeizuschaffen, schrie der Bursche wohl nach Leibeskräften un ganzen Hause herum, aber Kreuzschmidt erschien so wenig, wie auf das wiederholte heftige Klingeln Kronfeld's. Plötzlich, als eben der Staatsanwalt wieder Agnes aufsuchen wollte!, stand der Bärenwirth vor ihm und mit einer so ruhigen un befangenen Miene, als habe er erst jetzt das Klingeln gehört, fragte er mit gewohnter, kriechender Freundlichkeit: „Was wünschen der Herr Staatsanwalt?" „Wo waren Sie?" fragte Kronfeld und blickte ihm forschend in die Augen. „Ich habe schon das ganze Haus nach Ihnen in Allarm gesetzt und konnte Sie nicht finden." „Ich war im Keller," sagte der Bärenwirth ohne Besinnen. „Und Sie sollten das starke Klingeln wirklich nicht gehört haben?" „Durchaus nicht. Ich hatte mit den Weinfässern zu schaffen und bitte deshalb mich zu entschuldigen." Kreuzschmidt machte einen Bück ling und nahm die Miene eines eifrigen Wirthes an. „Ich hatte einige sehr nothwenvige Fragen an Sie zu stellen," begann der Staatsanwalt von Neuem. „Sie haben alle Sachen, die bei dem Verstorbenen gefunden worden, der Polizei abgeliefert!" „Nicht ein Stück hat gefehlt!" und der Wirth legte zur Be- theuerung die Hand auf seine breite Brust. „Lagen die Kleider des Verstorbenen in gewöhnlicher Ordnung oder waren sie bunt umher gestreut?" Herr Kreuzschmidt mußte sich erst besinnen, dann sagte er aus weichend: „Ich hab' nicht darauf geachtet, ich glaube, sie lagen so ziemlich auf einem Haufen." „Fanden Sie auf dem Bett noch irgend einen Gegenstand?" Der Bärenwirth mußte wieder erst sein schlechtes Gedächtniß ausfrischen und scheuerte sich mit verkehrter Hand die Stirn, als könne er damit nachhelfen. „Das ist wohl möglich! Ja ganz recht!" setzte er ein wenig lebhafter hinzu, als falle ihm die Sache nun besser ein, „ich dächte, es wäre ein Taschentuch gewesen, das auf dem Bett lag." „Wo ist das hingekommen?" „Die Lene hat das Alles zusammengepackt und es muß deshalb unter den übrigen Sachen liegen." Ueber das Gesicht des ^Staatsanwaltes glitt ein Lächeln, das sich der Bärenwirth nicht erklären konnte. Kronfeld wußte jetzt, daß sein Gespräch mit Agnes behorcht worden und der verschlagene Mensch sich sehr schlau vorkam, weil er bereits seine Aussagen darnach ein richten konnte. Hätte er diesen besonderen Umstand geleugnet, so durfte derselbe dazu beitragen, den Verdacht zu bestärken, denn lag ein Selbstmord vor, so konnte Herzberg unmöglich das Tuch beseitigt haben; es mußte nothwendig im Bett gefunden worden sein. Viel leicht war es die Wirthschafterin gewesen, die ihre Unterhaltung im Nebenzimmer belauscht und nun sofort ihrem Herrn Mittheilung da von gemacht und ihn gewarnt hatte. Schon die lange Abwesenheit des Wirthes ließ darauf schließen — und Kreuzschmidt war viel zu klug, um nicht von seiner Kenntniß den größten Vortheil zu ziehen und sie bei seinen Angaben zu benutzen. Nun galt es, den abgefeimten Schurken in ein Netz von verfänglichen Fragen zu locken, um ihn darin einzufangen. — „Irgend einen andern Gegenstand, der Ihnen auffällig war, haben Sie nicht bemerkt?" fragte Kronfeld weiter. „Nein, ich glaube nicht!" war die Antwort. „Auch das Unbedeutendste wäre in diesem Falle von Wichtigkeit. Besinnen Sie sich nur!" und die Augen des Staatsanwaltes ruhten erwartungsvoll auf dem Antlitz des Bärenwirthes. Je weiter die Forschungen des Beamten gingen, je einfältiger wurde das Gesicht des Mannes. Er sah immer ehrlicher und dümmer aus und hatte jetzt schon ganz die Miene eines beschränkten Bieder mannes, dessen Horizont fo eng ist, daß ihm die meisten Dinge dieser Welt unbekannt geblieben. Auch seine Antworten erhielten eine solche Färbung. Kreuzschmidt legte die Hände übereinander, zog die Augenbrauen in die Höhe, daß auf seiner niederen Stirn sich dicke Wülste emporschoben und sagte nach einigem Räuspern: „Das Tuch roch so merkwürdig, so nach Eau de Cologne, aber noch recht stärker. Die Lene merkte es zuerst, denn die Frauen haben immer feinere Nasen und da die^s gesagt hatte, roch ich's auch."