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346 Hayn dcr aus den Zeitungen übrigens hinreichend bekannte Vorfall auf mein ausdrückliches Ersuchen, uni eben jedem Vorwürfe sei es auch nur siillschwei- gcndcr Beschönigung entgegen zu treten, kurz erzählt und dabei „die Abscheulichkeit der Thal" hervorge hoben worden. Die beiden Ermordeten gehörten der Rechten an, d. h. derjenigen Partei, welche der freisinnigen ziemlich feindlich gegenübersteht. Alle Zeitungsnach richten stimmen darin überein, daß v. Auerswald nur deshalb seinen Tod gefunden, weil er m der Begleitung des Fürst Lichnowsky gewesen sei. v. Lichnowsky aber war ein schöner Mann von 35 Jahren, eitel, gefallsüchtig, keck, herausfordernd. Der Prof. Roßmäßler schreibt vor seinem Tode über ihn folgendes : „Um ihn zu malen, bedarf es nur einer „Farbe: Keckheit, und der Abfchattirungcn davon: ,Hohn, Ironie, Unverschämtheit. Sein größter „Aerger ist, daß die Damengallcrie auf der linken „Seile der Paulskirchc ist, und er hat bereics „vor 1l Tagen darauf angetragen, daß dies „geändert oder wenigstens zeitweilig gewechselt „werden möchte rc."*- Es würde zu weit führen, aufzuzählen, wie sich Lichnowsky bei den wichtigem Fragen in der Natio nalversammlung ausgesprochen. Ich kann mich nicht erinnern, daß er auch nur ein einziges Mal für die Rechte des Volkes in die Schranken getre ten sei. Wenn er z. B. sür den Adel sprach und stimmte, so wird ihm das Niemand hoch anrechncn. Aber die Art und Weise, wie er auch über diese Frage gesprochen, gewinnt ihm keine Herzen. Er äußerte nämlich: „Ich bin so ehrlich cinzugestehen, daß ich „den Adel vertheidige, weil ich zum Adel ge- „h ö r e. Man wird doch wohl nicht den Adeligen „ihre Titel nehmen und sie numcrircn wollen, „wie die V erurt heilten in Sibirien. „Man nehme dem Adel seine Titel, und wahrlich „es wird kein Adeliger aus diese Tribüne „kommen, um hier um seine Titel zu betteln." Das ist der Ton, in welchem Lichnowsky zu reden pflegte, und durch welchen er sich den Haß des Volkes zugezogen Halle. Dabei versieht cs sich natürlich immer noch von selbst, daß dadurch seine Ermordung auch nicht im kleinsten Punkte entschuldigt werden kann; und ich würde ihm, dem Todten nichts Böses ins Grab nachrufen, wenn ich nicht von außen dazu veranlaßt wäre. f^'Ällc Redner, sie mögen auftreten wo sie wollen, auf Reichstagen, in Standekammern, in Vereinen und Versammlungen, in Gcrichtssälen, auf dem Katheder, sie müssen auf Angriffe und Entgegnun gen gefaßt sein, die ihrer entweder auf dem Platze harren oder ihnen spater in Schriften gemacht wer den. Und das hat sein Gutes. Nur eine einzige Ausnahme giebt es noch von dieser Regel, die Kan- zelredner. Ihnen entgegnet Niemand, auch in Schrif *) Vergl. Nr. 48, d. Bl. ten selten. Und das hat sein Schlimmes. Einmal werden sie selbst so sicher, daß sie nicht vorsichtig prüfen und zuletzt selbst Alles für richtig halten, was sie sagen, und sodann glaubt am Ende die Gemeinde, Alles, was von der Kanzel gepredigt wird, sei wahr, während cs doch Nicht immer dcr Fall ist. So lange nun die Kanzclvorträge inner halb des ihnen eigentlich angewiesenen Gebietes sich bewegen, maaße ich mir ein öffentliches Urthei! über sie äußerst selten, am liebsten gar nicht an. Wenn sic aber, wie am vorigen Sonntag in unsrer Kirche geschah, in fremde, und um mich fo auszudrücken, in weltliche Sphären übergehen, so habe ich den Muth, gegen sie sogar angriffsweisc aufzutreten. Obgleich ich dem Hrn. Z'. Gehe befreundet bin, so kann ich ihm im Interesse dcr liberalen Partei und der Wahrheit die gegenwärtige Ausstellung doch nicht ersparen, und ich muß sie natürlich öffentlich aus^> sprechen, weil er öffentlich ausgesprochen har, worü ber ich mich eben verbreiten will. Obgleich der Prcdigtrext: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig „und beladen seid, ich will euch erquicken. Neh. „met auf euch mein Joch und lernet von mir.; „denn ich bin sanftmüthlg und von Herzen'be- „mülhig rc. re." ihn dazu gewiß nicht veranlaßte, nahm derselbe doch im Eingänge seiner Ictztsonntägigen Predigt Gelegenheit, mit erhabener Stimme und mit einer innern Aufregung, bei einem andern Gegenstände würde ich jagen, mit Begeisterung, die ihn durch die ganze Predigt hindurch nictit wieder verliest, der Eimorduitg der beiden unglücklichen Mitglieder dcr Rcichöversammlung und dcr neuen Zeit überhaupt m einer Art "zu gedenken, die in mehr als einem Punkte einer gründlichen Berichtigung bedarf, wenn sic mchc zu Mißversiändissen und falschen Urthcilen verführen soll. Wenn es in angemessener Weise geschieht, kann man cs nicht geradezu tadcln, wenn auf dcr Kanzel politischer Ereignisse Erwähnung gc« than wird; aber ich werde nur es auch für die Zu kunft mchc nehmen lassen, zu berichtigen, was nach mnner Ansicht zu berichtigen nöthig ist. Ich halte bas für unerläßliche Pflicht eines Jeden, der die Wahrheic lieb hat. Wenn der Redner selbst bemerkte, „unter Tau senden werde cs kaum Einen geben," dcr nicht mit Entrüstung vernommen habe, wie wegen abweichen der Ansicht zwei Manner ermordet worden seien, die rc. — so ist bas so ausgemacht, daß cs eben gar keiner Worte weiter bedarf, am allerwenigsten von der Kanzel herab. Mußte aber diese Angelegenheit dort zur Sprache gebracht werden, so hatte ich von einem Priester der Religion der Liebe wenigstens einen versöhnlichen Uebergang zu dem Texte, den milden Worten Dessen erwartet, der sogar am Kreuzessiamme noch für seine eigenen Mörder Ver gebung erfithele. Eben so selbstverständlich war und ist der Aus- spruch, daß „bessere Zeiten nur durch die bessern Menschen" herbeigeführt werden, und nicht durch döse. Ob die Ermordeten bessere Zeiten über das