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302 scllschaftcn, die Dick und Dein Wohl als gering- fügige Nebensache, dagegen die Regicrungsform als Ziel ihres Strebens hinstellen?! Und dock brauchen sie Dich zu Erreichung dieses Ziels, denn sie fordern Dich auf, ihnen beizutreten! Sie werden Dich ungescheut wegwerfen, wenn Du mit Deinen Einrichtungen unbequem wirst; allein das schabet nickt, es wird doch die consiitunonell-monarchische Regierungssorm erhalten und Deinetwegen ist die letztere nickt da! Solche Grundsätze waren die einer alten Re gierung. Man glaubte sic seit den Marztagen 1848 zu Grabe getragen, allein man irrte sich; sie leben noch den gesellschaftlichen und staatlichen Umwäl zungen zum Trotz, welche in den, jüngst vergangenen Halbjahr Länder und Völker erschüttert haben, sie leben noch und gedenken keineswegs jetzt schon ster ben zu gehen. Freilich waren sie ruhig und verbor gen, ihre Zeit mußten sie erwarten, arbeiten mußten sie im Stillen, um den verlorenen Boden zwar langsam aber sicher wieder zu gewinnen. Zcitungs- bekannlmachungen, in denen man die Abgeordneten des Landes in Frankfurt mit Koth bewarf, weil sie — vorwärts, nicht rückwärts, streben, mußten den Boden untersuchen und die Gemüther zweifelhaft machen; dann rückte schwereres Geschütz in Erge- benheitsadrejsen vor, in denen man den alten guten Sinn bewahrt zu haben versicherte, Gott dankte, daß man nicht sei wie Andere z. B. die Sächsischen Abgeordneten beim deutschen Reichstage — und als man erkannte, daß die Sache gehe, daß de^ cingescklagcne Weg der richtige sei zum Ziele, da schickte man eine Adresse auS itt Stadt und Land, von Haus zu Haus, darin man erklärte „keine Republik" zu wollen, allein wohlweislich ver schwieg, ob man in Sachsen oder für die Heichsge- walc die republikanische Form nicht wolle; darin man keck von einer thatigen Partei erzählte, welche Republik wolle, während Bürger, Bauer, Reich und Arm die Monarchie verlange, allein nicht sagte, ob vom Königreich Sachsen oder vom deutschen Kaiscr- thum die Rede sei. Man wußte aber recht wohl, Sächsisches Volk, daß Du Deinen verehrten König gefährdet glauben und die unverständliche Schrift aus Vaterlandsliebe unterzeichnen würdest. Die Schrift hat man nun nach Frankfurt geschickt, nicht etwa, um gegen Einsetzung eines deutschen Kaisers zu wirken, sondern um — die Sächsischen Abgeord neten zu verunglimpfen, indem man posaunte: Sehet, so ist die Sächsische Nation gesinnt und seine Abgeordneten, die auf der Linken der Reicks. Versammlung sitzen, vertreten den Willen des Volkes nicht. Nebenbei, guter Sächsischer Mickel, wußte man Dir durch Wort und Schrift weiß zu macken, Deine Frankfurter Depunrlen wollten Republik, natürlich in Sacksen! Man sagte das letztere nickt, aber man schwieg darüber, weil man wußte, Du glaubtest, die Republik solle von Deinen gottlosen Vertretern im eigenen Vaterlande Sacksen cmgc- führt werden. Halte man Dir die Wahrheit lagen wollen, nun so hallest Du erfahren, daß die Säck- fischen Abgeordneten in Frankfurt nur einen Kaster oder Alleinherrscher (Monarchie) für Deutschland nicht wollten, vielmehr einen Vorsitzenden oder Ver weser des Reichs verlangten, dem alle deutschen Fürsten und Regierungen sich untcrordncn sollten. Diese Einrichtung aber ist eine republikanische Form, schon weil der Reichsverweser kein Alleinherrscher sein darf. Davon hat man Dir in der berühmten Leipziger Adresse kein Wörtchen gesagt, denn cs paßte nicht in den Kram gewisser Leute, denen die Worte und Begriffe: „Neuzeit," „Volk," „Volks- Herrlichkeit," „Volksfretheit" ein Gräuel sind; also verschwieg man cS! So, gutes Volk in Sachsen, wurdest Du seit Deiner Wiedergeburt im März 1848 zum ersten Male betrogen. Wenn nicht alle Wittcrungszeicken täuichen, so hofft man Dich nächstens zum zweiten Male zu betrügen. Schau auf, überlege und prüfe, was man von Dir verlangt. Geh' hauptsächlich mit Dir zu Rache, ob Du die alten Zustände, die liebevolle Bevormundung eines Polizeistaates, die herablassende Gnade der großen Herren, denen Du Mittelbar und unmittelbar mit Deinen Kräften und mit Deiner Zeit gedient, und was sonst früher Rechtens und Unrechlcns war, zurückwünschesi, oder — nicht. Willst Du letzteres, wie zu erwarten sicht, dann schließe Dich entschieden und offen De nen an, welche dem Fortschritt huldigen, weil sie überzeugt sind, ein Volk stehc ebenso wenig still, wie das große Wunderwerk der Natur, das wir täglich lhälig und wirksam schcn, oder wie der einzelne Menjch, der seine irdische Laufbahn zurücklcgt. Die constiruliouellcn Vereine sind in neuster Zeit aufgestanden, nachdem die bereits bestehenden Vaterlands, und deutschen Vereine für den Fort schritt schon langst thätig gewesen waren. Warum sind die „Constitutioncllen" nicht zu dem einen oder anderen der beiden Vereine getre» ten? Warum, wenn die Vaterlandsvereine ihnen die BewcgungSpartci zu enthalten schienen, traten sie nicht zu den deutschen Vereinen, welche gemäßig teren Schritts gehen? Sollten die Gründer der constitutioncllen Ver eine, wie man sick täglich lauter sagt, dem Rück- schritt huldigen und die Verfassung hierzu be nutzen?! Sie mögen cS selbst sagen, allein nickt glauben, daß wir uns von denen täuschen lassen, welche nicht Bildung und Wohlstand des Volkes zum Zweck ihrer Vereinigung machen, wclchenicht den verfassungsmä ßigen Wil len des Volkes als höchstes Gesetz erken nen, welche cigenchümliche Einrichtungen nur so lange wollen, als die Regicrungsform solche verträgt- Die Gründer des constitutioncllen Vereins in Sacksen mögen sich verantworten, warum sie durch die neue Vereinigung die Kräfte zeisplittern und zum Kampfe herausfordern. Haben sie über- legt, wie dieser Kampf sich gestalten, wie er enden kann? Haben sie bedacht, ob sie in Folge dieses Kampfes, der die kaum beginnende Ruhe und Thä- ligkelt im Gewcrbs- und Verkehrs-Leben auf'S Neue starr, auch nur das wirklich erreichen werden, was sie in ihrem Grundgesetz § 1 als Ziel ihres Strebens