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433 von der rechten Seite, mit denen man sonst befreundet ist, in größern Kreisen eine gewisse Zurückhalrung beobachten. Gestern Abend war die Nationalversammlung zu dem RcichSverwescr eingeladen; eine große Zahl der Deputieren, auch Manner von der äußersten einken, waren dort anwe send; die in» Auge fallenden Orden des diplomatischen Korps, welches gleichfalls gegenwärtig war, standen im eigentümlichen Contrast danttt, daß wenig Lage vorher im Parlament die Aufhebung der Ordenszeichcn sehr ernst lich in Frage gestellt und ein Beschluß wenigstens dahin durchgcgangen war, daß ein Deutscher nicht mehr von einem auswärtigen Staate einen Orden annehmcn dürfe. ES war bei dem Reichsverweser Alles schlicht und gemächlich, von höfischer Etikette keine. Spur. Als ich mich ihm vor stellte, erinnerte er sich noch lebhaft an den Empfang, Ler ihm in Niederau von der Stadt Meißen und Umgegend zu Theil geworden war, und bedauerte nur, Laß er, bei Ler Schnelligkeit der Reise, nicht länger habe dort verwei len können. — Mir schien cS, als habe der ReichSverwescr bei Weitem nicht mehr LaS-frische und kräftige Aussehen wie damals. Freilich hat er seit jener Zeit manche bittre Erfahrung machen müssen; seine Stellung ist in vielfacher Hinsicht wenig beneidenswert!), und ich glaube, die Zeit wird nur zu bald kommen, wo Ließ allgemein anerkannt wird, und wo man ganz Lie Größe der Opfer überschaut, Lie der ReichSvcrweser dem deutschen Vaterlands darge- bracht hat. Mehr und mehr gehen die Dinge in Deutschland und hier in Frankfurt ihrer Entwicklung entgegen. Der deut sche Kaiscrgcdanke ist in Ler Stille großgezogen worden, und ganz frank und frei wagt er sich jetzt anS Tageslicht. Im VerfaffungSauSschuß regieren vorzugsweise die gelehrten Manner: Dahlmann, Waitz und andere; diese Männer scheinen einig zu sem, den Preußischen König zum deut sche» Kaiser zu machen; manches würde sich für solchen Fall in Preußen umgestalten; namentlich wird in Perspec tive gestellt, daß Preußen, um sein colaffales Gewicht zu mindern, in 4 oder 8 einzelne Provinzen sich auflesen möge, und allerdings würde nur unter diesen Voraussetzungen, Lie vorgeschlagenc, und bei der ersten Lesung auch wirk lich angenommene Zusammensetzung LeS deutschen Staa tenhausei, wonach auf Preußen nicht weniger als 40 Vertreter kommen, einen Sinn haben. Andrerseits spricht man von einer ofsiciellen Erklärung Oesterreichs, wonach Deutsch-Oesterreich ganz in Liedeursche Einheit sich fügen wolle, wenn der dortige Kaiser zum Kaiser von Deutschland erhoben würde. — So viel scheint klar zu sein, daß Lie Zeit, wo Lie Leutsche Nation durch ihre Vertreter eine souveräne Macht ausübte oder ausüben konnte, vorüber ist. Die Diplomatie ist wieder zu Kräften gekommen; sie ver handelt über Lie Geschicke Deutschlands geheim in Ber lin, Kremüer, München u s. w. und ihre geheimen Beschlüsse werden vielleicht thalkräftiger sein, als die offenen Beschlüsse und Berathungen der hiesigen Nationalversamm lung. Wenn man von Gefahren spricht, Lie der deutschen Nationalversammlung drohen könnten, so glaube ich nicht, Laß man es wagen werde, sie mit Bajonetten auseinander zu sprengen; allein die Gefahr dürfte ihr bevorstehen, daß man versucht, ihre Mitglieder in die Schlingnetzc der Di plomatie zu verwickeln; ich bin jedoch versickert, daß diese Gefahr für Lie linke Seite LeS Parlaments weit weniger dringlich ist, als für die entgegengesetzte Seite. Hallbauer. PorträLskizzen aus der Paulskirche. Zweite Fortsetzung. Jahn. Du lieber Gott, wie anderö ist jetzt meine Empfindung, wenn ich den Namen „Va ter Jahn" denke! Es macht aus einen Freund des entschiedenen, aber deswegen noch lange nicht „sich überstürzenden", Fortschrittes kein Mitglied Ler Na tionalversammlung einen so widerwärtigen Eindruck, als dieser alte Manu. Der erste beste bärtige Jude des Leipziger Brühls, (jedoch nicht von der rein lichsten Sorte), seines schmutzig sciLeneu Talars.ent kleidet und dafür in einen schwarzen Rock gesteckt, gicbt einen prächtigen Jahn, vorausgesetzt daß sein Bart die gehörige schmutzig-weiße Farbe hat. Von musterhafter Reinlichkeit jedoch ist stets der breite weiße Hemdeukragen, der sich über den Rockkragen des alten Jungen schlägt. Hut und Mütze scheinen ihm zu aristokratische Erfindungen zu sein, denn er trägt in Wind und Wetter (bis jetzt freilich fast unausgesetzt dazu passend) ein schwarzes Sammet- käppchcn. Nierschrötigkeit und Ungeuirtheit, wahr scheinlich als zu seiner Stelle gehörig, zum Theil Kunst, begleiten ihn überall, vom Fürsten Lichnows- ky sel. bis zu dem Proletarier. Jahn's politische Gc- sinuuug ist entsetzenerregend. Wenn cs wieder zu einer Demagogen-Ricch-Anstalt und am Ende gar zu einer Demagogen - Enthauptungs - Manufactur kommen sollte, wozu cs den schönsten Anschein hat, so wird Jahn passende Beschäftigung finden. Pfui, über Leu alten Mann, der, wo es die Gelegenheit gicbt, gegcn dic Freiheit darauf los verdächtigt uud geifert! Ehe ich, wonach ich mich schon bei der ersten Zeile sehnte, dieses Bild verlasse, muß ich noch bemerken, daß ich in meinem Leben kein unähnlicheres Brustbild als das Jahn's gesehen habe, was vorm Jahre als Beilage zum Turner ausgcgeben wurde. Jenes Bild zeigt einen milden Grcisenkopf, Jahn's Gesichtszüge sind verzerrt und drücken Streit mit aller Welt aus. Vater Jtzstein, ja der verdient den ehrenden Beinamen Vater, denn er ist seit Jahrzehnten der pflegende Vater der aufwachscndcn Frcihcitshcrolde am Rhein uud anderwärts in Deutschland. Im Gegensatz zum vorigen ist Jtzstcins allbekanntes Brustbild sehr ähnlich. Ich habe mich gewundert in diesem eisenfestcn Vorfechter von Deutschlands Freiheit eine ziemlich kleine Figur zu finden, obgleich ich keinen Grund mir anzugcbcn weiß, weshalb ich mir ihn groß vorgestcllt habe. Schneeweißes, dün nes Haar bedeckt seinen gutgeformten Kopf. Der Ausdruck seiner Züge ist Aufmerksamkeit und vor sichtige Bedachtheit. Jtzstcin spricht außer im geselli gen Kreise von Freunden, indem er daun Frauen ungern zu vermisseu scheint, wenig; was er in den Clubbsitzungen spricht, (auch dies ist nicht viel) ist stets ein durchdachter, beachtcuswcrther Rath an seine jünger« Freunde, denen er aber gern alle An erkennung wicdcrfahrcn läßt. Wenn mau Len lieben alten Jtzstein in der Paulskirche und in den Clubb- sitzungcn einige Tage beobachtet, so fällt Einem bald ein: Liesein ehrwürdigen Alten möchtest du Dem oder Jenem zum Muster vorhalten, Dem oder Je nem, welche ihr Fähnlein bereits wieder auf den rcactionären Wind eingerichtet haben. Ich wünschte Jtzstcin vcrtausendfältigen zu können, nm in jede kleine Stadt, (diese Nesterchen des hochadcligen Feudal-Libcralismuö oder des Kannegießer-Liberalis mus) ciueu alö Gegengift gegen das schleichende Gift des Loyalitäts-Liberalismus Abends in die Bicrconventc stellen zu können. Dann würden sich unsere guten Burger vielleicht weniger eine galvano- plastische Vergoldung für gediegenes Gold anschmic- rcn (sit venia ve> I>n) lassen. (Beschluß folgt.)