Volltext Seite (XML)
und höchste Gut, die Ehre, zu nehmen, um ihren Haß zu kühlen an einem Wesen, das ihr niemals im Wege gestanden. Sie hat den Ge danken nicht ertragen können, von Regina an Reichthum und Rang verdunkelt zu werden und will sie in dieser bübischen Weise um jede Zukunft betrügen, indem sie die Arme an einen Mann ohne Familie, höchstens mit einem nagelneuen Adelsbrief versehen, zu vekuppeln, durch einen häßlichen Eklat ihm in die Arme zu treiben gedenkt. Großer Gott! — und mir sind die Hände gebunden, da dieses Weib sich meine Gemahlin nennt." Der arme Baron suchte die eigene Schwäche, welche in seinem Charakter wurzelte und an Feigheit grenzte, mit jenem zweifelhaften Argument zu beschönigen, er war dem Pfarrer Vinzenz von Herzen dankbar für die Mission, welche dieser freiwillig übernommen, da er im Innern vor einer Begegnung mit seiner Frau sich scheute und einen Widerwillen vor jeder lauten Szene empfand. Wenn der Pfarrer, dem niemand verletzend entgegen treten durste, Regina in Sicherheit gebracht, dann wollte er dem kranken Majorathsherrn nach Dürrenstein folgen, um über das Glück und die Zukunft seiner Tochter selber zu wachen. Von diesem Entschluß vollständig beruhigt, kehrte er langsam nach Hause zurück. Zwanzigstes Kapitel. Au spät. Der Geheimrath Berg war mittlerweile, als er den Baron ver lassen, direkt nach dem Schlosse gefahren, obwohl die Stunde zu der gewohnten ärztlichen Visite noch nicht geschlagen. Der Fürst, welcher sich noch unter den Händen seines Kammer dieners befand, wunderte sich zwar über die frühe Meldung, ließ sei nen Günstling jedoch nicht lange warten und empfing ihn bereits nach zehn Minuten in seinem Kabinet. „Was bringen Sie Neues, lieber Geheimrath!" rief der hohe Herr ihm gut gelaunt entgegen und stutzte dann, als er in das auf geregte Antlitz seines Arztes blickte. „Sie bringen mir nichts Gutes, lieber Berg!" fetzte er, ihn forschend betrachtend, hinzu. „Nein, Hoheit, in der That eine schlimme Botschaft." „Reden Sie, Doktor!" Der Fürst ließ sich in einen Sessel nie dersinken und deutete mit einer Handbewegung auf einen ihm gcgen- überstehenden Stuhl, worauf Berg ohne Zögern Platz nahm. „Ich komme soeben vom alten Grafen Dürrenstein", begann er auf einem vorsichtigen Umwege, „welcher, von einem Schlaganfall be troffen, im Hotel zum Erbprinzen daniederliegt." Der Herzog richtete sich bestürzt empor. Berg zuckte bie Achseln. „Eine solche Bären-Konstitution ist unberechenbar, Hoheit! Die selbe spottet zuweilen der ganzen ärztlichen Weisheit. Im übrigen geht's dem Grafen so ziemlich, weshalb ich ihm die Heimkehr nach Schloß Dürrenstein gestatten durfte." „Heut schon?" fragte der Fürst erstaunt. „Er mag vielleicht bis zum Mittag warten, länger sicherlich nicht." „Ist das alles, was Sie mir Schlimmes zu melden haben, Herr Geheimrath?" fuhr der Fürst, ihn forschend anblickend, fort, „oder birgt sich hinter dem Schlaganfall des Majoratsherrn noch ein an deres Unheil?" „Gestatten Hoheit mir gütigst, eine Geschichte, womit jener Schlag anfall wahrscheinlich in Verbindung stehen wird, in Kürze mitzutheilen." Er erzählte jetzt so schonend als möglich die Entführungsgeschichte, wobei er es nicht verhehlte, in welcher Weise er sich die Kcnntniß derselben verschafft hatte. Der Fürst erhob sich entsetzt und schritt mehrere Male auf und nieder, „Und die Baronin, die eigene Stiefmutter, hat sich an dieser schmählichen Geschichte betheiligt", ries er empört, „glaubt die Frau Vielleicht, den Prinzen zu einer noch größeren Thorheit, einer unge- gesetzlichen Heirath durch ihre Mitwirkung zu verleiten? Oder war es ein abgekartetes Spiel abseiten der ganzen Familie, indem sie den Prinzen als willkommene Beute in ihr HauS lockte und selbst dem Stadtklatsch Trotz geboten, um ihr Ziel zu erreichen?" „Hoheit verzeihen, wenn ich diese Frage in ihrem ganzen Um fange verneine", versetzte der Geheimrath ruhig, „der Baron sowohl wie Baroneß Regina sind nur insofern strafbar, als sie die Besuche des Prinzen zu harmlos betrachteten und kein anderes Motiv als freundliches Entgegenkommen darunter vermutheten, während das Ge rede der Außenwelt ihr Ohr nicht erreichte. Die Baronin hingegen —" „Ah, sie also doch —" unterbrach ihn der Fürst erregt. „Die Baronin allein kannte und förderte des Prinzen Liebe aus Haß gegen ihre Stieftochter, der sie die Grafenkrone nicht gönnte, folglich noch weniger das fürstliche Diadem." „Aber waS dann?" fragte der Fürst, ihn starr anblickcnd, „was wollte diese — Frau — nein — dieses Weib in ihrem Hasse erreichen? O, nein, nein, Herr Geheimrath!" setzte er, zusammenschaudernd, hinzu, „sie konnte die Tochter ihres Gemahls nicht in einen Abgrund der Schande stoßen, nicht die eigene Ehre in solcher Weise brandmarken wollen?" Berg zuckte die Achseln. „Hoheit wollen bedenken, daß die Baronin Einsiedel eine Mexi kanerin, folglich in ihren Gefühlen und Leidenschaften mit einem an dern Maße zu messen ist. Erlauben mir Hoheit nun noch ein Ge« ständniß —" „Eine Mexikanerin, ja, ja, darin liegt alles Unglück für den Ba ron Einsiedel." „Wie durfte ein deutscher Edelmann solch ein fremdländisches Reis aus den alten Stamm seines Geschlechts pfropfen? rief der Fürst. „Er ging daran zu Grunde. Wir aber werden dieses wilde Reis ab- schneiden und in sein Nichts zurückschleudern." „Hoheit wollen die Gnade haben, ein Geständnis noch anzuhören", nahm der Geheimrath wieder das Wort, als der Fürst sich erregt in seinen Sessel wars, „vielleicht könnte ich damit das Mittel bezeichnen, der unangenehmen Geschichte von vornherein bie Spitze abzubrechen." „Lassen Sie hören, lieber Berg!" „Ich liebe Baroneß Regina und würde dieselbe auf der Stelle als meine Verlobte von Schloß Falkenberg holen, sobald Ew. Hoheit mir den Konsens dazu gnädigsi ertheilen wollten." Der Fürst blickte seinen Leibarzt mit einer so maßlosen Verwun derung und Ueberraschung an, daß dieser unmuthig erröthete. „Sie, lieber Berg, Sie? Aber ist Baroneß nicht ein wenig zu jung für Sie? Und, verzeihen Sie diese Skrupel — aber ich meine, daß eine derartige Einmischung, r^sp. Ehrenrettung doch wohl vor al lem dem jungen Grafen Dürrenstein, als dem Verlobien der Baroneß, zukäme." „Der Majoralsherr, als das Haupt der Familie, hat die Ver lobung, welche überhaupt noch nicht offiziell gewordel, aufgehoben." „Wie? — was?" rief der Fürst erschreckt, „dann weiß er bereits von der Geschichte? Und rührt daher am Ende sein Schlaganfall?" „Wahrscheinlich, Hoheit!" versetzte Berg kalt, „ich hielt eS für meine Pflicht, Lw. Hoheit von dem Vorfall in Kenntniß zu setzen und bitte nur noch um die Gnade, mein letztes Bekenntniß als nicht ge schehen betrachten zu wollen, um einen treuen Diener vor dem Fluch der Lächerlichkeit zu bewahren." Der Fürst erhob sich rasch und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Verzeihen Sie, lieber Berg, Ihr Geständniß überrascht mich zu sehr. Ich erkenne es erst jetzt, welchen Dienst Sie mir und meinem Hause leisten wollen und werde Ihr ewiger Schuldner bleiben, zuvör- derst aber dafür sorgen, daß die künftige Gemahlin meines treuesten Dieners in das Haus eines Ebenbürtigen tritt. Brechen Sie sogleich nach Falkenberg auf, meine Erlaubniß haben Sie, doch würde ich Ihnen rathen, den Baron mitzunehmen, da jedenfalls die Autorität des Va ters die allein entscheidende, zumal dem Prinzen gegenüber, sein wird. Ich werde Ihnen einige Worte als letztes Zwangsmittel einhändigen." Er trat an seinen Schreibtisch, warf einige Zeilen auf's Papier und untersiegelte dieselben mit seinem Ringe. „So, mein lieber Geheim rath! Ich wünsche Ihnen den glücklichsten Erfolg. Gott fei mit Ihrem Werke!" Berg verabschiedete sich von dem Fürsten und verließ rasch das Schloß. „Nach dem Bahnhof!" befahl der Geheimrath seinem Kutscher, nachdem er einen Blick auf die Uhr geworfen. „Werde mich hüten, den Schwiegervater in 8po mitzunehmen", murmelte er spöttisch, als der Wagen rasch mit ihm davon rollte. „Warum soll ich entsagen, wenn die ersehnte Frucht mit einem Griff zu erreichen ist? Jener Egbert! bah, ich werde dafür sorgen, daß der Traum des wahnsinnigen Alten sich nicht verwirklicht, da ihm keine Zeit bleiben wird, sein Testament zu machen und der Fürst nicht so bereit sein wird, die Erbfolge auf Schloß Dürrenstein um einer Grille willen zum zweitenmal umzustoßen. Mag der schöne Egbert bleiben, was er ist, ein Mensch, der sich mühsam seine Karriere bahnen muß. Regina wird ihn vergessen, wird dieser kindischen Liebe, von welcher der Baron gar keine Ahnung hat, sich schämen und mich lieben lernen." Er seufzte und bedeckte sich die Augen mit der Hand. „Wie der Fürst den Spott unterdrücken, die Lachlust verbergen mußte bei meinem Be kenntniß; bin ich denn ein Greis? Ist eine solche Heirath etwas so Absonderliches? Nein, nein", setzte er, mit dem Fuße stampfend, hef tig hinzu, „ich will auch meinen Antheil von dem Glück des Lebens haben, will nicht entsagen, um als großmüthiger Thor andern die Pforte irdischer Glückseligkeit zu öffnen. Ich will selber diesen Tem pel betreten." Mir diesem festen Entschluß schien der Geheimrath alle inneren Skrupel und Widersprüche besiegt und sich selber das Recht zuerkannt zu haben, so und nicht anders zu handeln. (Forts, folgt.) Vermischtes. Nordhausen, 15. Mai. Im Dorfe Uftrungen sind durch eine Feuersbrunst etwa 70 Gebäude zerstört worden. * Unwetter in Oesterreich. Aus Wien, 15 Mai, wird gemeldet: Seit gestern Abend tobt hier ein Unwetter, wie man es in Wien lange nicht im Mai erlebt hat. Es regnet ununterbrochen in Strömen, die Stoßen sind überschwemmt', dabei herrscht ein heftiger Sturm. 4 Personen sind umgekommen. Die Temperatur, die tagsüber bis auf 8 Grad sich gehalten hatte, sank Abends bis 1Grad; gleichzeitig trat Schneefall ein. Die Straßen sind infolge des furchtbaren Wetters , verödet. Der kalte Regen dürfte auf die Saaten einen nachtheiligen Einfluß üben. — Von allen Gebirgsstationen wird starker Schneefall bis Thaliole gemeldet. — Aus Ostgalizien werden große Hagelschläge gemeldet, die großen Schaden anrichteten. Zürich, 15. Mai, Mittags 12 Uhr. Seit sechs Stunden ist in der ganzen Ostschweiz ein bedeutender Schneefall, der noch fortdauert. Der durch denselben angerichtete Schaden ist noch nicht übersehbar, dürfte aber sehr bedeutend sein, da namentlich die Obsternte zum größten Theil vernichtet scheint. * Bremen, 15. Mai. In den letzten Nächten hat es gefroren. Gurken und Bohnen sind selbst in Stadtgärten erfroren, während man im Felde viel schwarzes Kartoffelkraut sieht. Im Bürgerpark hat stellenweise das junge Laub der Buchen, Eichen und Kastanien seine Spitzen verloren, während Eschen stärker gelitten haben. Das Mini mumthermometer an der Wettersäule beim Bischoffsthor zeigte gestern und heute Morgen wieder 1'/s Grad Wärme. * Ungarischer „Kammerton." Im ungarischen Abgeorenetenhause erhob sich vor einigen Tagen der Ministerpräsident, um eine Rede zu halten. Die Opposition rief, daß es schon zwei Uhr sei, man möge die Sitzung schließen, und ein Mitglied der Opposition, namens Thaly, rief: „Dauert denn die Sitzung bis 3 Uhr?" worauf Ministerpräsident Tisza fragte: „Hält denn der Abgeordnete Thaly die Abgeordneten für Maurer, die den Hammer und die Kelle wegwerfen, wenn es 12 Uhr schlägt?" Der Abgeordnete entgegnete, er sei zwar kein Maurer, würde aber das Maurergesellenthum recht gern acceptiren, wenn ihm die Aufgabe zufiel, den Ministerpräsidenten lebendig in eine Nische ein zumauern. * Ein Mord um — 10 Pfennige! Zwei Insassen des Schleizer Arbeitshauses, welche in einem Garten Beschäftigung hatten, geriethen wegen eines 10-Pfennigstückes in Streit. Von Worten gingen sie zu Thätlichkeiten über, und schließlich erhielt der Eine mit einem Schau felstiele von dem Andern einen so wuchtigen Schlag auf dem Hinter kopf, daß er betäubt zu Boden sank und bald darauf seinen Geist auf gab. Natürlich erfolgte die sofortige Verhaftung des Thäters. * Hamburg. In der großen Ausstellungshalle auf der Moor weide brach heute Nachmittag Feuer aus, welches die Holzvertheilung des Vorbaues gänzlich zerstörte. In Folge des ungünstigen Windes gerieth auch die Dachkrone der Hauptkuppel in Brand. Die Löschungs arbeit war in Folge der eigenartigen Baukonstruktion eine sehr schwie rige, jedoch war der Brand gegen Mitternacht als gelöscht zu betrach ten. Der Schaden wird auf circa 250,000 Mark geschätzt, ist aber durch Versicherung gedeckt. * Soeben komme ich, schreibt man der Frkf. Ztg., aus dem Un glückshause in Oberhausen (Württemberg), in welchem eine gräßliche Mordthat verübt wurde. Die 6 Leichen — die der leiblichen Mutter des Mörders und seiner 5 Kinder — liegen in blutigem Haufen zwi schen verbranntem Stroh und Reisig und zerfetzten Betten übereinan der. Der Jammer, der aus diesem Bilde spricht, ist so grenzenlos, daß sich die Feder sträubt, ihn voll und ganz wiederzugeben. Der Mörder, Bernhard Nill, Korsettweber, 38 Jahre alt, ein bisher un bescholtener Mensch, doch manchmal verschlossen und arbeitsscheu, ge-