Volltext Seite (XML)
Ausstellung im Jahre 1888 in Berlin? Es erscheint noch frag lich, denn gerade in den Kreisen derjenigen, welchen die Ausstellung nützen soll, im Industrie- und Gewerbestand ist man über ihren Werth noch nicht einig. Die Staatsbehörden sowie die städtischen Behörden von Berlin sind bereitwillig auf die erste Anregung eingegangen, die Handelskammern und die gewerblichen Korporationen mögen nun ent scheiden, ob die Mehrzahl von ihnen für oder wider ist. Nach dem Reichsgesetze vom 12. Februar 1875 besteht der Land sturm aus allen Wehrpflichtigen vom vollendeten 17. bis zum voll endeten 42. Lebensjahre. Diejenigen, welche ihrer Landwehrpflicht genügt haben, werden dem Landsturm zugeführt. Nur „wenn ein feindlicher Einfall Theile des Reichsgebiets bedroht, oder überzieht", darf der Landsturm einberufen werben. Dem Aufgebot desselben hat eine kaiserliche Verordnung voranzugehen, in welcher der Umfang des Aufgebots bestimmt wird. Ist der Landsturm nicht aufgeboten, so dürfen die Landsturmpflichtigen keinerlei militärischer Kontrole und Uebung unterworfen werden. Der Beschluß des deutschen Reichstages, den Roggenzoll auf 3 Mark zu erhöhen, und die Mittheilung des Fürsten Bismarck von der Concession Spaniens haben in Ungarn eine niederdrückende Wirkung geübt, da in Folge dieses Beschlusses die Interessen Ungarns empfind lich geschädigt werden. Der „Pester Lloyd" bespricht diese Vorgänge in einem fulminanten Artikel und meint, diese Maßregel sei eine schlechte Quittirung der Auszeichnung, mit welcher der preußische Landwirthschafts - Minister Lucius dort empfangen worden sei. Die Festsetzung dieser streng egoistischen Politik müsse nothwendig zur Lockerung des deutsch-österreichischen Bündnisses führen. Es gab be reits Momente, in denen das Festhallen an diesem Bündnisse große Selbstverleugnung und moralische Opfer auferlegte; allein es war die Ansicht vorherrschend, daß die Vortheile des Bündnisses größer seien als die Opfer. Wenn aber Deutschland in der bisherigen Weise fort fährt, unsere materiellen Interessen zu schädigen, wenn es nicht nur in politischen, sondern auch in volkswirthschaftlichen Fragen immer und überall ausschließlich seine eigenen Interessen in den Vordergrund schiebt und sich um die unseren schlechterdings nicht kümmert, dann wäre es nicht unmöglich, daß bei uns nach und nach derselbe exclusiv egoistische Standpunkt der allein maßgebende würde, und dann könnte in dem Geiste unserer Bevölkerung eine Strömung die Uebermacht gewinnen, welcher unsere leitenden Staatsmänner, wie sie auch für ihre Person denken mögen, endlich folgen müßten, wenn sie nicht von ihr einfach hinweggeschwemmt werden wollen. Die Nachrichten, welche von autorisirten Stellen aus London und Petersburg kommen, lauten bezüglich des Verlaufes der Verhandlungen zwischen England und Rußland durchaus friedlich, sie lassen an dem unmittelbar bevorstehenden Abschluß der russisch-englischen Kon vention eben nur den Zweifel, den man jeder noch nicht vollzogenen Thatfache gegenüber aufrecht zu erhalten hat. Die von verschiedenen Seiten aufflatternden Gerüchte über neue Schwierigkeiten und Zwischen fälle ermangeln jeder Beglaubigung und sind bestenfalls Erzeugnisse der durch die Vorgänge der letzten Wochen überhitzten und aufgeregten Phantasie, die noch nicht zur Ruhe kommen kann. London, 16. Mai. Der Schraubendampfer „Messina", aus dem Mittelmeer nach Hamburg unterwegs, kollidirte am 14. ds. Abends um 10 V- Uhr 16 Meilen südlich von Durleston Hard mit dem Lon doner Dampfer „Numeda" und sank. Zehn Personen der Mannschaft, meist Heizer und Maschinisten, ertranken. Die übrigen sind in Cowes gelandet. Am interessantesten für die Pariser ist gegenwärtig der Schnei- derstrike. Aus den Kammern, wo das Ministerium Brisson sich noch immer sorgsam in der Reserve hält, liegt nichts von Belang vor und aus Tonkin eben so wenig. Der Rückzug der chinesischen Truppen vollzieht sich fortgesetzt in aller Ruhe, und auch die offiziellen Friedens verhandlungen werden nicht zum Bäumeausreißen Anlaß geben. Ver drießlichkeiten, aber keine großen Sorgen, können höchstens den Fran zosen noch aus den umherstreifenden Marodeurbauden erwachsen; ihre Bekämpfung kann noch manchen Franken und manches Menschenleben kosten. Was den Eingangs erwähnten Schneiderstrike anbetrifft, so soll sein Schluß allmählich in Aussicht kommen. In der Hauptsache werden die Gesellen nachgeben müssen. Vaterländisches. — Es ist den Lesern unseres Blattes, welche praktische Land- wirthe sind, gewiß von Interesse, zu hören, daß die vom Tharandter landw. Verein am 31. März in Dresden in Renners Restaurant zu den 3 Raben einberufene Versammlung den Zweck hatte, die Land- wirthe auf den so sehr schädigenden, ungebührlich entwickelten Zwi schenhandel bei der Verwerthung ihrer Produkte hinzuweisen und daß damals die Versammlung einstimmig die Richtigkeit dieser Be hauptungen anerkannte. Es konstituirte sich an diesem Tage eine Vereinigung von 87 Mitgliedern, welche eine 16gliederige Commission wählten, die Statuten aufstellen und berathen sollten, damit auf Grund derselben sich die Landwirthe aus der großen Umgebung von Dresden zu einem Verein zusammenschaaren könnten, um ihre gemein samen Interessen vertreten zu können. Diese Commission hat nunmehr ihre Arbeiten beendet und glaubt vor Allem, daß die Thätigkeit des zu gründenden Vereins nicht nur in der Bekämpfung des übermäßigen, ungebührlichen Zwischenhandels beruhe, sondern daß eine große Ver einigung als geschlossenes Ganze segensreich in der Beseitigung von verkehrswirthschaftlichen Hindernissen wirken könne. Ein großes Feld von strenger Arbeit liegt vor dem zu gründenden Verein, aber es wird auch der Lohn für die Opfer und Mühen, und derselbe wird um so eher kommen, in je größerer Anzahl die Landwirthe zusam mentreten, um hemmenden Factoren gegenüber mit Nachdruck entge gentreten zu können. Um nun Rechenschaft von ihrer Thätigkeit abzulegen, die ent worfenen Statuten bekannt zu geben und den Verein hoffentlich zu gleicher Zeit mit zu begründen, wird die Commission in der Pfingst woche, Freitag, den 29. Mai, eine Versammlung in den 3 Raben zu Dresden anberaumen und jeder praktisch thätige, selbstständige Landwirth, der Interesse an der Sache hat, möge nicht verfehlen, sich daselbst einzufinden, um sich von den Zielen, die der zu grün dende Verein anstrebt, zu unterrichten und hoffentlich dann mit bei zutreten. — Die sächsische Ministerialinstanz hat sich neuerdings der An sicht angeschlossen, daß auch gegen denjenigen Ortsarmenverband eine Klage zulässig ist, der sich der Verpflichtung zur vorläufigen Unterstützung Hülfsbedürfliger (Z 28 des Gesetzes über den Unter stützungswohnsitz) entzieht. — Vom k. Schwurgericht zu Dresden wurde am 12. d. der 20jährige Dienstknecht Thiele aus Kößlitz wegen Straßenraubes zu 5 Jahren Zuchthaus verurtheilt. Thiele hatte am l5. März Nachmit tags die Fabrikarbeiterin Ida Meschwitzer, als diese im Begriff war, vor der Abreise nach Amerika das Grab ihrer Mutter auf dem Kirch hof in Briesnitz noch einmal zu besuchen, auf dem sogenannten Lei chenwege zwischen Gorbitz und Briesnitz hinterrücks gepackt, zu Boden geworfen und nachdem er dem um Hülfe rufenden Mädchen ein Tuch in den Mund gesteckt, mit den Worten „Das Geld oder das Leben!" der Baarschaft von etwa 11 M. sammt Portemonnaie geraubt. — Die von der „Leipz. Ztg." gebrachte und auch von uns repro- duzirte Notiz über ein Vorkommniß in einer Schwurgerichtsverhand- lung in Leipzig, beruht auf einem bedauerlichen Jrrthum. Der be treffende Rechtsanwalt veröffentlicht im „Leipz. Tgbl." eine Erklärung, wonach er selbst die Vertheidigung seiner Klienten niedergelegt hat, nachdem er selbst als Zeuge benannt worden war, daß ihm also das Recht der Vertheidigung nicht durch Gerichtsbeschluß entzogen worden ist. Dies diene daher zur Richtigstellung. — In der Umgebung von Frauenstein, Lauenstein und Altenberg schneite es am 13. Mai ohne Unterbrechung ziemlich heftig, doch thaute der Schnee alsbald wieder weg. Die Nächte des Pankratius und Servatius waren ziemlich mild, doch haben die Fröste am 9. u. 11. Mai die Blüthen der Kirsch- und Birnbäume, wie die Heidelbee ren, ebenso die Blätter der Eschen und den Maiwuchs der Fichten und Tannen strichweise ganz wesentlich geschädigt. — In Oberneuschönberg bei Olbernhau herrschte am 13. d. M. große Aufregung, da am Vorabend der ziemlich bejahrte Hausschläch ter Baumann daselbst, der dem Trunk häufig ergeben und ganz ver armt war, seine Frau, mit der er schon längere Zeit nicht mehr zu sammen lebte, in ihrer Wohnung aufsuchte und sie mit einem Fleischer messer so durch den Rücken stach, daß der herbeigerufene Arzt an der Erhaltung ihres Lebens zweifelt. Nach diesem Mordversuch ging Baumann in den nahen Pfaffrodaer Wald und erhängte sich. — Die diesjährige Generalversammlung des Nationallieberalen Vereins für Sachsen wird in Dresden stattfinden, und zwar am 31. Mai, früh 11 Uhr. Ein Hanptgegeustand der Tagesordnung wird die Besprechung über die im Herbst dieses Jahres bevorstehenden Er gänzungswahlen für den Landtag sein. Unter den 30 diesmal neu zu besetzenden Wahlkreisen waren 7 bisher von Nationallieberalen ver treten. — Demnächst soll den guten Leipzigern ein interessantes Schau spiel dargeboten werden. Ein seit zwanzig Jahren in Leipzig leben der einfacher Mann, Namens Theodor Stumpf, welcher in seiner Ju gendzeit die Schlosserei erlernt hat, beschäftigt sich seit acht Jahren mit der Construirung einer Flugmaschine, die jetzt soweit fertig ge stellt ist, daß der Erbauer, nachdem er bereits kleinere Probeversuche ausgeführt, in der nächsten Woche eine größere Prüfung der Leistungs fähigkeit seines Apparates unternehmen und dann im neuen Schützen hause öffentlich auftreten oder vielmehr auffliegen wird. Der Apparat soll sich durch Einfachheit der Construktion auszeichnen. Derselbe be steht aus zwei großen Flügeln, die mittelst einer Vorrichtung in ähn licher Weise auf und ab bewegt werden, wie die eines fliegenden Vo gels, ferner aus einem vogelschwanzähnlichen Ruder. Der Apparat wird mit Gurten an den Körper befestigt und durch Treten in Bewe gung gesetzt. Ein Urtheil über die Leistungsfähigkeit dieser Flugma schine muß selbstverständlich bis nach dem nächstens stattfindenden grö ßeren Probefliegen unterbleiben. — Vom königl. Schwurgericht zu! Dresden wurde am Sonnabend nach zweitägiger Verhandlung der Fleischer Carl August Paul Schmidt aus Plauen i.V. wegen Mordes zum Tode verurtheilt. Schmidt war bekanntlich angeklagt, am 10. Februar d. I. in der 4. Etage deS Hauses Seestraße Nr. 3 in ihrer dort befindlichen Wohnung die 34 Jahre alte Schlossergesellens-Wittwe Amalie Christiane Müller geb. Kunath durch drei mit einem Messer verursachte Stiche in den Ober körper derart verwundet zu haben, daß sie Hilfe rufend nur eine Treppe tiefer eilen konnte, wo sie zusammenstürzte und verstarb. Die Grafen von Dürrenstein. Original-Roman von Emilie Heinrichs. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Einsiedel blickte ihm eine Weile nach, worauf er langsam der Promenade zuschritt. „Werde mich hüten, ihm eine bindende Zusage zu geben", mur melte er, „der Pfarrer hat Recht, es hieße die Arme zum zweitenmal opfern. Wenn des Grafen Traum zur Wirklichkeit würde — wenn Egbert — hm — ich glaube, damit hätte der närrische Alte das rechte Glück für Regina getroffen." „Jetzt heißt es, auf der Hut sein und vor allen Dingen das arme Kind ohne Aufsehen und Schädigung der Familienehre den Krallen des Adlers entreißen", fuhr der Baron in seinem Selbstgespräch fort. „Meine Frau —" Er blieb stehen und ballte die Hand. „Was wollte sie mit der Förderung dieser abscheulichen Entführung bezwecken?" Er legte sich diese Frage vor und schritt grübelnd weiter. Um Regi nas Stirn das fürstliche Diadem winden? Unmöglich, da sie die Stieftochter bis zur jüngsten Zeit, wo die verhängnißvolle Annäherung stattgefunden, stets gemieden und gehaßt hatte, aus welchem Haß sie niemals ein Hehl gemacht. Wollte sie die arglose Regina umgarnen, um ihre Zukunft mit einem Schlag zu verderben? Bei diesem Ge danken, welcher wie ein blendender Blitz der Offenbarung durch sein Gehirn zuckte, blieb der Baron auf's Neue stehen und schloß entsetzt die Augen. Dann schritt er hastig, wie von einem bösem Traum ge peinigt, vorwärts und reihte in Gedanken mit grausamer Logik ein Glied nach dem andern aneinander, bis die Kette vollendet war. Er sah urplötzlich, als sei eine Binde von seinen Augen genommen, die Frau, für welche er sich und sein Kind ruiniert hatte, in ihrem wah ren Charakter vor sich; wußte es mit quälender Ueberzeugung, daß sie der Stieftochter weder Jugend noch Glück, geschweige denn Glanz und Ehre jemals gegönnt, daß es ihr Plan gewesen, sie um die Grafenkrone zu betrügen und den Prinzen Arnold, den bekannten Wüstling, in sein Haus gelockt hatte, um Reginas Ehre und Zukunft zu vernichten. Er, der Vater, allein war blind gewesen, als die Sper linge auf den Dächern bereits seine Schmach in die Welt hinauSge- zwitschert hatten. Und wie nun alles so schön am Schnürchen gegan gen, wie die arglose Taube ins Netz geflogen, geängstigt von dem täppischen Gebühren des alten Bären, welcher in seiner groben Form losigkeit die Verräther unterstützte, und wie schließlich der edle Retter, der Geheimrath, in die Szene getreten, um sich vor den bedenklichen Ehrenriß zu stellen — da wurde es dem Baron trotz der winterlichen Kälte siedend heiß und er mußte den Pelzrock aufreißen, um nicht zu ersticken. „Es ist richtig", murmelte er, nach Athem ringend, „dieses Weib, das sich meine Gattin nennt, scheut sich nicht, mir das letzte