Volltext Seite (XML)
haben Beileidskundgebungen gesandt. Die Leiche wird unter dem Triumphbogen ausgesteüt und dann auf dem Psre Lachaise auf Staats kosten begraben werden. Die Bevölkerung wallfahrtet in langen Zü gen zu dem Sterbehaufe und bringt Blumen und Kränze. Das An erbieten des Bischofs von Paris, den Sterbenden mit den heiligen Sa kramenten versehen zu wollen, ist von den Angehörigen abgelehnt wor den. Der „Rappel", das Blatt, welches Victor Hugo nahe gestanden hat, veröffentlicht folgenden letzten Willen des Todten: „Ich gebe 50,000 Fr. den Armen und wünsche in deren Todtenwagen nach dem Kirchhof gebracht zu werden, weise jede kirchliche Leichenfeier zurück und bitte alle Seelen um Gebet, da ich an Gott glaube." Ein furchtbares Feuer hat am 21. d. Mts. in Cincinati in Amerika stattgefunden. Ein Knabe, der ein Gefäß mit Benzin trug, fiel neben einer Druckerpreffe, in deren Nähe eine Gasflamme brannte, hin. Der Stoff entzündete sich, das Feuer griff rasend schnell um sich, äscherte die Treppe ein und so mußten 15 Personen, 10 Mädchen und 5 Männer, die sich nicht zu retten vermochten, in den Flammen umkommen. Vaterländisches. — Obgleich nach der Witterung der vorigen Woche und beson ders nach dem am Sonnabend Nachmittag über einen großen Theil Deutschlands sich erstreckenden Unwetter, das infolge des damit ver bundenen Wirbelsturmes auch nicht ohne mannigfache Verheerungen angerichtet zu haben vorübergegangen ist, für die Pfingsttage schlechtes Wetter zu gewärtigen war, so ist diese Befürchtung doch nicht einge- troffen, im Gegentheil gestaltete sich die Witterung so, wie sie nicht besser gewünscht werden konnte. Demzufolge herrschte auf allen Bahn linien ein so massenhafter Verkehr, daß es kaum möglich war, alle die Reisenden in den Waggons, trotzdem auf den sächsischen Bahnen an 1000 Packwagen für die Personenbeförderung mit verwendet wurden, unterzubringen. Wie entfaltet derselbe besonders auf den Hauptlinien war, beweist, daß allein auf dem Böhmischen Bahnhofe in Dresden am 1. Feiertage neben den fahrplanmäßigen Personenzügen nicht we niger als 59 Personenextrazüge eingeschoben wurden, von denen 28 auf die Bodenbacher, 25 auf die Chemnitzer Linie und 6 auf die Ver bindungsbahnen kamen. — Als vor beinahe 50 Jahren die Leipzig-Dresdener Eisenbahn fertig gestellt wurde, hörte man oft die Aeußerung: „Na, nun ist es alle mit den Pferden, da werden viele abgeschafft werden!" Es hat sich jedoch nach den statistischen Nachweisen das gerade Gegentheil herausgestellt; denn unser Sachsen hat jetzt über 50,000 Pferde mehr, als vor Erbauung der Eisenbahnen. Aber die Esel sind auf dem Aussterbe-Etat; es existiren in Sachsen nur noch einige 20 Stück. Jetzt giebt es unter der jüngeren Generation Menschen, die noch keine Esel gesehen haben; zweibeinige laufen freilich noch genug herum. — Die Anmeldungen zu der am 15., 16. und 17. August in Meißen stattfindenden freien Vereinigung gedienter Kameraden des früheren 3. und jetzigen 2. Jäger Bataillons Nr. 13 sind bereits sehr zahlreich eingegangen. Dem geplanten Feste werden von allen Seiten, sowohl von den Behörden als der Bürgerschaft, die wohlwollendsten Sympathien entgegengebracht. Diejenigen Kameraden, welche sich be- theiligen wollen, müssen ihre Anmeldungen spätestens bis 1. Juli bewirken, damit dem Fest-Komitee die Möglichkeit geboten wird, die erforderlichen Vorbereitungen zu treffen. Vorsitzender des Komitee's ist Herr Heinrich Theil, Königliche Porzellan-Manufaktur in Meißen. — In Blochwitz bei Großenhain ist durch jugendlichen Ueber- muth ein Leben zu Grunde gegangen. Am 17. Mai wollte der 15- jährige Dienstknecht Kieback an der an einer Kinderschaukel befestigten Schlinge das „Erhängen Probiren"; dabei hat er durch Erwürgen seinen Tod gefunden. — Als sich am Sonntage in der Kirche zu Bärnsdorf bei Moritzburg die Gemeinde versammelt hatte, erscholl plötzlich zum größten Schrecken der Anwesenden, den begonnenen Gesang und Orgelspiel weit übertönend, die Feuerglocke. Im Unterdorfe wirbelte schwarzes, dickes Rauchgewölk! Die Gebäude des Gutsbesitzers Zumpe und der verw. Wirthschaftsbesitzerin Rotsche standen in Flammen und wurden in kurzer Zeit in Schutt und Asche gelegt. — Meißen, 23. Mai. Der durch die rastlosen Bemühungen des um allgemeine Hebung der Landwirthschaft in hiesiger Gegend hochverdienten Oekonomieraths Steiger schon längst weit und breit berühmten Edelschafzucht auf dem Rittergut Leutewitz ist auf der Aus stellung in Pest eine hohe und seltene Auszeichnung zu Theil gewor den. Die daselbst ausgestellt gewesenen 4 sächsischen Vollblut-Merino- Schase und 16 Böcke haben nämlich in der Abtheilung für Feinwolle den ersten Ehrenpreis erhalten, ein Erfolg, zu dem man nur herzlichst gratuliren kann, zumal wenn man erfährt, daß in Pest nicht weniger als 2084 Thiere und zwar von 160 Züchtern ausgestellt waren. — Ein höchst betrübender Unglücksfall hat die Familie des Mühlen besitzers Häberer in Leubnitz bei Werdau betroffen. Deren l^zjähr. Töchterchen war die Nacht zum 22. d. M. allein in der Wohn- und Backstube schlafend geblieben. Durch die Wärme des Backofens mögen die auf demselben zum Abtrocknen geschüttet gewesene Partie Baum rinden in Brand gerathen sein und ist durch den entstandenen Qualm das Kind erstickt. — In Stadt Wehlen hat jugendliche Unvorsichtigkeit eine Familie in plötzliche tiefe Trauer versetzt. Der ungefähr 12 Jahr alte Sohn des Restaurateurs Marx bog sich über die den oberen Platz vor der Burgruine umzäunende Barriere weit hinaus. Er glitt aus, konnte sich nicht mehr erhalten und stürzte den haushohen Felsen hinab. Man transportirte den Herabgestürzten, der noch Lebenszeichen von sich gab, sofort ins Elternhaus; der sofort zugezogene Arzt konnte jedoch nur den infolge des Sturzes eingetretenen Tod konstatiren. — In dem Dorfe Oberstößwitz bei Nossen wurde die ledige Ernestine Pfütze, Wirthschafterin des Gutsbesitzers Weiße verhaftet. Dieselbe ist nach hartnäckigem Leugnen geständig, am 19. ds. heimlich geboren und ihr Kind erwürgt zu haben. Das Kind wurde in ihrer Kommode unter der Wäsche versteckt aufgefunden. Der Hals des Kindes war mit dem Bande einer Schürze fest umschlungen. Man hat Verdacht, daß die Verhaftete bereits früher heimlich geboren und sich des Kindes entledigt habe. — Auf eine seltene Weise ist dieser Tage, wie die „Ober!. Dfztg." mittheilt, das 3jährige Söhnchen des Mühlenbesitzers Christoph im Niederdorfe Ebersbach ums Leben gekommen. Der Kleine bestieg in einem unbewachten Augenblicke einen Mehlsack, glitt von demselben aber plötzlich ab, konnte sich nicht erhalten und stürzte in das dicht daneben stehende, mit Sauerteich gefüllte Backfaß zuerst mit dem Kopfe, so daß er darin ersticken mußte. Die angestellten Wiederbe lebungsversuche blieben erfolglos. — Das k. Landgericht in Freiberg verurtheilte wegen einer am 2. Februar d. I. in Klingenberg stattgefundenen akademischen Mensur mit geschliffenen Glockenschlägern, die Tharandter Fostakade» miker Teuscher, West, Hennig, Schmidt, Sieber, Wunderwald, Eger, Nitzschke, Krüger und Zürner zu je 3 Monaten Festungshaft, den Diener Christ, welcher die Pauksachen trug zu 3 Wochen 2 Tagen und den Gasthofsbesitzer Schurig in Klingenberg, welcher seinen Saal für die Mensur überließ, zu 5 Wochen Festungshaft. — Dresden. Der Wollmarkt findet Dienstag den 16. Juni in den Räumen des Centralschlachtviehhofes statt. Bezüglich der Ab' Haltung desselben sind folgende Bestimmungen getroffen worden: > Das Auslegcn der Wolle ist bereits am Tage vorher gestattet, doch bleibt es unbenommen, während des Markttages die Wolle auch ohne abzuladen vom Wagen zu verkaufen. 2. Die Verwiegung der zuin Verkaufe anher gebrachten Wolle erfolgt in einer besonders dazu Hel' gerichteten Halle gleichzeitig auf mehreren Waagen. Auch steht den Interessenten eine Waage zur Verfügung, um nach Befinden den Wagen nebst Ladung zu wiegen. Die Waagen sind bereits am 15. Juni aus' gestellt und können von dieser Zeit an benutzt werden. 3. Als Stätte' geld sind von einem zweispännigen Wagen 3M., von einem einspän« nigen Wagen 2 M. zu entrichten. 4. Die Waagegebühr für die ans dem Wollmarkte zur Verwiegung gelangende Wolle ist einschließlich Auf- und Abladegebühren u. s. w. auf 13 Pf. von je 10 Kilogramm festgesetzt. — Chemnitz. Ein recht bedauerlicher Unglücksfall ereignete sich am Dienstag Mittag in einem Hause am Schillerplatz. Eine daselbst in der dritten Etage wohnende Frau mußte infolge einer häusliche Verrichtung auf kurze Zeit ihre Wohnung verlassen und ließ ihr vier Jahre altes Töchterchen allein in der Wohnung zurück. In dieser Zeit stieg das Kind auf das geöffnete Fenster und stürzte aus deM' selben herab auf die Straße, woselbst es todt aufgehoben worden ist — Ein scheußliches Verbrechen ist am 1. Feiertag in der Um' gebung von Dresden verübt worden. Das 6jährigeTöchterchen des auf dem böhmischen Bahnhofe bediensteten und in Zschertnitz wohnen« den Hilfsweichenstellers hatte von ihrer Mutter einige Pfennige el' halten, damit es sich auf dem im Dorfe aufgestellten Karroussel ver> gnügen könne. Dort ist dasselbe auch gesehen worden. Als gegen Einbruch der Dunkelheit das Mädchen noch nicht zurückgekehrt wab suchte die besorgte Mutter das Kind mehrere Stunden lang, und al§ 2 Uhr Nachts der Vater ahnungslos von seinem schweren Dienst zv' rückkam, wurden die Nachforschungen wieder ausgenommen, doch vel' gebens. Am Vormittage des 2. Feiertags endlich fand man das um glückliche Opfer eines bestialischen Verbrechens furchtbar zugerichlei etwa 100 Schritt vom Gasthofe entfernt an der Kante des Hohlwe« ges in einem Kornselde liegend. Als der That verdächtig wurde btt 26jährige Karrousseldreher Ernst Gustav Kühne, ein bereits wegen schweren Diebstahls, Bettelns und Landstreichens bestrafter Mensch, in dessen Gesellschaft das Kind zuletzt gesehen worden ist, verhaftet. Man nimmt an, daß er das scheußliche Verbrechen bereits vor Beginn des Nachmittagsverkehr verübte und in den Nachtstunden erst sein Ops" nach dem Hohlwege geschafft hat. Die Grafen von Dürrenstein. Original-Roman von Emilie Heinrichs. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Einundzwanzigstes Kapitel. Nach Schloß Dürrenstein. „Ah, lieber Herr Baron, Sie hier? Wollen Sie verreisen?' Mit diesen Worten trat der Geheimrath auf den sichtlich bestürzte» Einsiedel zu, welcher im Wartesaal der Abfahrt harrte. „Zu meiner Tochter — es ließ mir daheim keine Ruhe mehr", versetzte der Baron mit unsicherer Stimme. Berg wußte auf der Selle, daß dies nicht der alleinige ZM» seiner Reise war. „Dann können wir zusammen bleiben, Herr Baron! Ich reist auf Befehl des Fürsten nach Dürrenstein." Einsiedel fuhr erschreckt zusammen und wandte sich dem Perron zu, als in diesem Augenblick das bekannte Signal zum Einsteigen gm geben wurde. Die beiden Herren bekamen ein Koupee allein und der Zug fitzte sich in Bewegung. „Was in aller Welt führt Sie nach Dürrenstein, Herr Geheiw' rath?" fragte Einsiedel mit erkünstelter Ruhe. „Der Befehl des Fürsten, wie ich bereits bemerkt; Se. Hoheü befürchten, daß der immerhin sehr bedenkliche Zustand des kranken Gra» fen sich verschlimmern und der richtige ärztliche Beistand ihm mangel« werde, weshalb ich Urlaub zur sofortigen Abreise erhalten." „Hm", bemerkte der Baron nach einer Weile, „dann könnte ich Sie dorthin begleiten." „Ich denke, Sie beabsichtigen, Regina zu besuchen." „Allerdings, und wenn Sie den Abstecher dorthin mitmachen, siw von Reginas Gesundheits-Zustand überzeugen wollen, wäre es mir lieb, da ich befürchten muß, daß die tödtliche Angst und Qual sie aufs Krankenlager geworfen." Der Geheimrath blickte ihn nachdenklich an. „Wie gern thäte ich es, lieber Baron, wenn der Befehl des Für' sten nicht bindend für mich wäre. Auf der Rückreise werde ich ist' dessen von Ihrem Anerbieten Gebrauch machen, und hoffe ich Sie st' denfalls noch im Institut anzutreffen." „Schwerlich, Herr Geheimrath, da ich jetzt unbedingt nach Dür« renstein reifen werde", versetzte Einsiedel mit einem gewissen Trotz. „Ich begreife nicht, was nach den letzten Vorgängen Sie veram lassen könnte, den Grafen aufzusuchen; wollen Sie ein ,pater xeooavi' beten, oder dem Hirngespinst der zweiten Verlobung nachjagen?" „Sie belieben einen seltsamen Ton gegen mich anzuschlagen, Herr Geheimrath!" „Solange der zukünftige Majoratsherr von Dürrenstein die Ver« lobung nicht annulliert hat, besteht dieselbe zu Recht und kann über» Haupt ohne triftigen Grund nicht einseitig aufgehoben werden." „Ah, ich verstehe, Herr Baron!" rief Berg überrascht, „Sie wollen sich das Majorat um jeden Preis sichern, indem sie den wirksamsten Aliierten zu gewinnen suchen. Das ist allerdings der klügste und einfachste Plan, und muß ich dazu gratulieren. Fraglich bleibt dieser Alliierter nur im Hinblick auf die jüngste Entführungsgeschichte, da ein Graf Dürrenstein sich immerhin besinnen dürfte, dem scharfen Zahn der Verleumdung, welcher mit einer unzweifelhaften Thatsache ausgerüstet ist, Trotz zu bieten." „Es wird niemand, welcher die Ungnade des Fürsten zu fürchten hat, wagen, eine solche Verleumdung auszusprechen", bemerkte der Baron stolz. „Bah, was wollen Sie", lächelte Berg spöttisch, „die Dienerschaft