Volltext Seite (XML)
355 in einem wahren Gluthmeer. Den Sonnenstrahlen sich ohne leichte Kopfbedeckung und ohne Schirm (wozu man das Instrument benutzt, welches Ihr lediglich gegen den Regen braucht) auszusetzcn, war rein unmöglich, übrigens höchst gefährlich, weil der tödtliche Sonnenstich unausbleibliche Folge gewesen sein würde. Den in Europa so gefürchteten Luft- zug kann man hier im Sommer gar nicht entbehren und Tag und Nacht bleiben Fenster und Thürcn geöffnet, um den wohlthatigen Zug der Luft genießen zu können. Große Fächer von Palmcnbläctern werden von Mannern und Frauen fortwährend ge handhabt und nur die allcrlcichtcste Bekleidung mit dünnen baumwollenen Zeuchen ist zu ertragen und Röcke und Halstücher sicht man während der heißen Zeit nur ganz selten. Das Hemd und eine ganz leichte Hose, die man nur über den Hüsten fest schnallt, macken nebst Schuhen und Strümpfen die einzige Bekleidung aus und doch vergießt man, mag Man sich bewegen oder still fitzen, fo viel Schweiß in einer Stunde, als mich in Deutschland kaum ein halber Sommer gekostet hat. Die Abende und Nächte werden zwar durch die großen Leuchtkäfer wunderbar illuminirc und man rückt sein Bette ge nau in die Luftströmungen, welche die geöffneten Fenster und Thürcn hervorbringen, man wirst auch alle und jcde Decke vom heißen Lager, allein — schlafen kann man nickt. Die Wanzen fallen in Cchaaren über Dich her und wenn Du auch alle Morgen und Abende auf die Jagd nach diesem HauSlhicre gehst, wenn Du tausende erschlagen hast und keine übrig gelassen zu haben glaubst, sie macken Dir in der nächsten Nacht eben so stark, wie früher ihren Besuch und gehen erst, wenn sie satt sind. Haben fick nun gar einige Musquitos unter Deine Vorhänge (dar) geschlichen, so kannst du nur getrost die Nachtruhe quittiren. Diese Teufel gleichen den deutschen Mücken, sind aber größer und haben merk würdig lange Deine. Ihr Gesang oder das Geräusch, welches sie im Fliegen machen, ist ungeheuer unin leressanr und die Musik der Taufende, die Dein Bett umschwärmen lind durch die bar cinzudringen suchen, ganz geeignet, einen, den die Wanzen, Vie Hitze und die kriolwl-boat nickt schlafen lassen, zur Verzweiflung zu bringen. Wehe Dir aber, wenn die Ungeduld Dich aus dem Belte treiben sollte. Du bist ver loren! die langbeinigen Teufel packen Dick in Myriaden und wenn Du Dich am Morgen von der Diele erhebst, auf der cs sich zwar harr, aber doch kühl ruhen läßt, fo gleichest Du cincm gestalt losen Ungeheuer, einem verschwollenen Fleischklumpen, den die Cckmerzen wahnsinnig machen. Wasser erquickt nickt ohne Zusatz von Eis, welckcs hier Unentbehrlich und Gegenstand eines lucrativcn Han dels ist. Die größte aller Plagen aber ist die Prickelhitze! Dies ist eine Art Hautausschlag, der sich in unzähligen Bläsckcn am Körper zeigt und ein Stecken, wie von Millionen Nadeln verursacht. Kein Mensch ist heroisch genug, dieß auszuhalten, ohne die schmerzenden Stellen zu reiben, obwohl dieß den Schmerz nur verhundertfacht und den Leib schließlich nur mit einer Wunde überzieht. Man kann sich in diesem Zustande und bis sich die Haut erneut, recht gur mir einem gesottenen Krebse ver gleichen. Bei Manchen treibt sie große Eiterbeulen, welche geöffucr werden müssen und wenige Leute nur sah man, welche nickt Spuren der liebenswürdigen kiicbal-boat im Gesicht oder an den Händen ge tragen hätten. Mancke zeigten ein Lachen erregen des buntes Antlitz! Ich habe diesen angenehmen Besuch drei Mal gehabt, mithin jetzt die dritte neue Haut erlangt. Meine Frau ist verschont geblieben. Und doch ist dieser Hautausschlag nur gesund und sichert vor den Krankheiten, die im Gefolge der Sommerhitze auftreten. — Jetzt ist der Urialcel-beat samml der Hitze fort, die Wanzen haben sich ver loren und meine langbeinigen Nacktmusikanlen, die Musquitos, finden sich nur noch vereinzelt ein. Man brauchtnicht mehr Sodawasser zu trinken, man kann ohne Sonnenschirm gehen, die Facher weglcgen, das Wasser ohne Eis genießen, man ist nickt mehr fort während in Schweiß gebadet und kann des Nachts erquickende Ruhe genießen. Mit einem Worte, man kann sich seines Daseins wiederum freuen und die Natur ist dazu überraschend behilflich, indem sie, gleichsam wie zur Entschädigung, die schönsten Ge nüsse in Fü,lle bietet. Wasser- und Zuckermelonen von dem süßesten Geschmacke befriedigen Gaumen und Nase gleichzeitig und die herrliche Pfirsiche, in wirklich Staunen erregender Menge wachsend, lockt unwiderstehlich zum süßen Gcnusse. Ich habe neu lich drei Körbe voll sungcfähr Scheffel) für 15 Cents (7 Ngr. 5 Pf.) gekauft, die meine Frau für den Winter cingcsottcn hat. Acpfel, Birnen und -Pflaumen wachsen in großer Menge hier, sind sehr schmackhaft und niißraiben, wie ick mir habe sagen lassen, sehr selten. Wilde Pflaumen und wilden Wein findet man in ungeheurer Menge noch in dem juugcn Staalc äoevs. Roggen gedeiht in unserm Staate, fo viel mir bekannt, nicht und die Kartoffeln arten fehr schnell in die sogenannten „süßen" aus, welche wässerig und wenigstens für uns, nicht sehr wohlschmeckend sind. — Doch ich gerathe da in ein Thema, das Euch Bromme schon ausführlich ab- gehandclt hat, daher ich abbrcchc, um von andern Dingen zu sprechen. Die hier weilenden deutschen politischen Flücht linge sind zu einem Vereine zufammengetrcten, der bis jetzt 87 Mitglieder zählt. Die Unterstützung von Leidensgefährten mit Geld, Pflege und Arbeit ist der Hauptzweck und jetzt beschäftigen wir uns mit dem Plane zur Gründung einer Colonie in ^rcausas oder ämvs. Ich theilc Euch den Entwurf seiner Zeit mit und bemerke hier nur, daß wir die Gemeinschaft des Grun dcigcnthums fcsthaltcn wer den, ohne dcn Einzelnen in der Verwendung des Arbeitsgewinns zu beschränken, daß wir Cabcts Ideen zwar in der Hauptsache unserm Plane zu Grunde legen werden, allein besorgt sind, die un natürlichen Beschränkungen zu vermeiden, an denen die Communisten - Colonien immer noch kränkeln. Der hiesige Flüchtlingverein hat seit seinem Bestehen — er wurde am 25- Mai d. I. gegründet — schon manches Gute gestiftet, wie er denn bereits 154 45*