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WMM« ThmOt, Nosskü, Aitbtlllthn il«d die Umgegendkü. Amtsblatt siir die König!. Amtshauptmannschaft zu Meißen, das König!. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. 45. Erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags. — Abonnementpreis vierteljährlich 1 Mark. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Nk. 52. Dienstag, den 30. Juni 1885. Bekanntmachung. Während des dem Herrn Amtshauptmann von Bosse zu Meißen ertheilten Urlaubes vom 1. bis mit 31. Juli dieses Jahres ist dessen Stellvertretung dem Herrn Regierungsassessor Gilbert daselbst übertragen worden. Dresden, den 20. Juni 1885. Königliche Kreishauptmannschaft. vo« «ffoppenfe!». Nachdem wegen zeitweiliger Abwesenheit der Königlichen Friedensrichter, des Herrn Rittergutsbesitzer's von Schönberg.Pötting auf Tanneberg und des Herrn Rittergutspachter's Emil Horst in Rothschönberg mit der Besorgung der friedensrichterlichen Geschäfte der selben von heute ab bis auf Weiteres der Actuar bei dem hiesigen Amtsgerichte Friedrich August Sch wie büß betraut worden ist, wird Solches zur öffentlichen Kenntniß gebracht. König!. Amtsgericht Wilsdruff, W. i«>. Ur. Gangloff. A u c t io n. Kommenden Sonnabend, de« 4. sFuli d. I., Nachmittag» 4 Uhr, gelangen im NoUan'fchen Gaffhofe zu ^keffelSdorf 1 Billard mit Zubehör, 1 Pferd, brauner Wallach, 6 Gebett Betten, 1 Schreib sekretär, 1 Sopha, 1 Pianoforte und 1 Regulator gegen sofortige Baarzahlung zur Versteigerung. Wilsdruff, am 26. Juni 1885. Matthe», Gerichtsvollzieher. LageSgeschichte. Die letzten Tage haben uns Kunde von zwei Abmachungen zwi schen England und Deutschland über die Abgrenzung der beider seitigen Kolonialgebiete in Westafrika und in Neu-Guinea ge- bracht. Während dort unserem Küstenbesitz um Kamerun ein uner meßliches Hinterland eröffnet wird, ist uns auf der großen nnbekann- ten Südseeinsel ein ganz unübersehbares Gebiet zugesprochen, größer als der dortige holländische und englische Besitz, an Flächeninhalt etwa halb so groß wie die ganze preußische Monarchie. Die Ent wickelung dieser gewaltigen und fast noch ganz unerforschten Länder vermag heute kein Mensch vorauszusehen; sicher aber eröffnen sie eine Zukunft von allergrößter Bedeutung. Es ist noch kaum ein Jahr her, daß die ersten schüchternen Versuche zu deutschen überseeischen Besitz ergreifungen in die Oeffentlichkeit drangen, und heute besitzen wir ein ausgedehntes, höchst entwicklungsfähiges Kolonialreich, welches sich getrost mit dem Besitz alter europäischer Kolonialstaaten vergleichen kann. Man kann wirklich sagen, eine neue Kolonialmacht ist über Nacht aus dem Boden gewachsen, und die oft gehörte Behauptung ist Lügen gestraft, daß das, was wir in früheren Jahrhunderten auf diesem Gebiete versäumt, jetzt nicht mehr einzuholen sei. Aber es war freilich auch die höchste Zeit, zuzugreifen. Das Ueberraschendste an der Gründung unserer Kolonialmacht ist die vollkommene Friedfertig keit und Ruhe, mit der sie sich vollzog. Und das ist nur dem ge waltigen Ansehen zu verdanken, dessen sich das deutsche Reich und sein leitender Staatsmann unter den Völkern der Erde erfreuen. Wie hätte man noch vor zwei Jahrzehnten über den Gedanken gelacht, daß Preußen oder der Deutsche Bund sich mit dem weltbeherrschenden England über die Theilung großer überseeischer Kolonialgebiete ver ständigen könnte! Die englische Regierung und das englische Volk sind ja auch jetzt unseren kolonialen Bestrebungen gewiß nicht fördernd entgegengckommen, sie haben uns Neid und Mißgunst genug entgegen gebracht und Schwierigkeiten aller Art in den Weg gelegt, aber die überlegene Staatskunst des deutschen Reichskanzlers und die gewaltige Autorität des deutschen Reiches haben England doch schließlich ver mocht, uns als gleichberechtigte Macht auch auf dem Gebiete der Ko lonialpolitik und der wirthschaftlichen Eroberung der noch unausge beuteten Theile der Erde anzuerkennen. Daß diese gütlichen Abmach ungen mit England zu Stande kommen konnten, ist ein außerordent licher Triumph für Deutschland. Seit kurzer Zeit geht wieder eine Strikebewegung durch die deutsche Arbeiterwelt. Größere Arbeitseinstellungen werden da und dort auS verschiedenen Landestheilen gemeldet, die umfassendste ist jedenfalls die allgemeine Arbeitseinstellung der Maurer und Bau handwerker in Berlin, die nunmehr schon über acht Tage währt und eine bedauerliche Schroffheit angenommen hat. Die feiernden Berliner Bauhandwerker haben das in der Gewerbeordnung ihnen gewährte Koalitionsrecht, welches ihnen Freiheit zu Verabredungen und Verei nigungen zum Behuf der Erlangung günstiger Lohn- und Arbeitsbe dingungen, insbesondere mittelst Einstellung der Arbeit, zusichert, mit äußerster Energie angewandt. Der Strike ist ziemlich vollständig durchgeführt, unter den Tausenden von feiernden Arbeitern finden sich gewiß sehr viele, die nur mit schwerem Herzen mitmachen, aber dem übermächtigen Druck einer sehr thätigen Agitation und einer vortreff lichen Organisation nicht zu widerstehen vermögen. Niemand wird an diesem Koalitionsrecht rütteln und seine energische Anwedung den Ar beitern verdenken wollen. Indessen schützt die Gewerbeordnung auch die individuelle Freiheit des Arbeiters gegen den Versuch, ihn durch Zwang und Drohungen zum Anschluß an solche Verabredungen zu nöthigen. Man kann es ferner auch den Arbeitgebern nicht verdenken, daß sie, wenn sie sich außer Stande glauben, die Forderungen der Arbeiter zu erfüllen, ihrerseits sich mit der durch den Strike geschaffenen Situation abzufinden suchen, so gut es geht. Es wird berichtet, sie hätten Vorbereitungen getroffen, fremde, polnische und italienische Ar beitskräfte in großem Umfang heranzuziehen, eine im Zeitalter des Schutzes der nationalen Arbeit gewiß seltsame und unerfreuliche Er scheinung. Aber auch den Fall gesetzt, daß die Arbeitgeber, wozu in dessen bis jetzt noch wenig Anlaß vorliegt, nachgeben und in der augen blicklichen Noth- und Dranglage Forderungen bewilligen, die sie für unberechtigt halten und auf die Dauer nicht gewähren zu können glau ben: Dann kann der Rückschlag unmöglich ausbleiben. Benutzen die Arbeiter die jetzige Zeit der starken Geschäftstätigkeit und Arbeits nachfrage im Baugewerbe, um ihre Forderungen durchzusetzen, so werden die Unternehmer ihrerseits die nachfolgende Zeit stilleren Ge schäftsganges und verminderter Arbeit benutzen, um das jetzt Gewährte wieder rückgängig zu machen. Arbeitseinstellungen von diesem Umfang sind eine außerordentlich gefährliche und zweischneidige Waffe, sie fügen fast unter allen Umständen beiden Theilen unermeßlichen Schaden zu und sollten nur mit größter Scheu und mit vollstem Bedacht aller ihrer möglichen, sowohl vortheilhaften, als nachtheiligen Folgen unter- nommen werden. Der Berliner Maurerstrike hat schon unendlich große wirthschaftliche Verluste zur Folge gehabt und stellt noch höchst be denkliche Konsequenzen in Aussicht, wenn es nicht bald gelingt, ein Einvernehmen herzusteüen. Der Kaiser ist in Bad Ems jetzt, wo man seiner nur ansichtig wird, Gegenstand der herzlichsten Kundgebungen. Am Dienstag Nach mittag war die Kaiserin von Koblenz herübergekommen, um ihren hohen Gemahl zu besuchen. Die Trinkkur hat der Kaiser bereits, wenn auch vorerst noch im Zimmer, begonnen und alltäglich unternimmt er Ausfahrten in die Nähe das schöne Lahnthal hinauf oder hinunter. Die übrige Zeit des Tages verbringt der Kaiser, wenn er nicht ar beitet, gewöhnlich im Lehnstuhl am Fenster sitzend, wohin die Men schenmenge beständig hinaufschaut. Ob der Kaiser während der drei wöchentlichen Kur den Brunnen im Zimmer oder auch draußen trinken wird, ist noch ungewiß. Jedenfalls wird der Kaiser während der nächsten Tage wegen der von der letzten Krankheit zurückgebliebenen Schwäche in den Füßen die frische Luft bloß im Wagen genießen können. Der Kaiser soll wohl und frisch aussehen, nur längere Zeit zu stehen fällt ihm schwer. Wolle Gott, daß auch dieser letzte Rest der Krank heit sich bald wieder ganz verliert! Wie der Reichskanzler zur Frage der Sonntags-Ruhe und Sonntags-Heiligung steht, geht wieder deutlich aus einem Antwort schreiben hervor, welches er dieser Tage einem Verein in Bochum über sandt hat. Dasselbe lautet: „Kissingen, den 16. Juni. Ew. Wohlgeboren danke ich ver bindlich für Ihr Telegramm von vorgestern. Die Herren Absender können nicht lebhafter wie ich selbst wünschen, daß die Sonntagsruhe jedem Arbeiter zu theil werde, der sie dem Lohnerwerb vorzieht. Be vor ich aber bei den gesetzgebenden Körpern den Antrag stelle, das Arbeiten am Sonntag bei Strafe zu verbieten und den Arbeiter auch gegen seinen Willen zum Verzicht auf Sonntagslohn zu zwingen, glaube ich die Auffassungen der Betheiligten und die muthmaßlichen Folgen eines derartigen Eingriffes genauer, als bisher geschehen ist, ermitteln zu sollen. Zu diesem Behuf habe ich bei den verbündeten Regierungen die erforderlichen Anträge gestellt und zunächst um Ermittelung der jenigen Betriebe gebeten, in welchen gegenwärtig Sonntagsarbeit ftatt- findet, und um Entgegennahme der Ansichten der betheiligten Arbeiter und Unternehmer, v. Bismarck." Damit, dächten wir, könnte Jeder zufrieden sein, denn die Angelegenheit ist damit auf dem besten Weg, bald geklärt und geläutert zu werden. Auch die Sozialdemokraten werden aus diesem Brief ersehen, daß man den Arbeiter in allen den Fragen, die sein Wohl betreffen, gern zu Rath zieht.