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mir auch sicherlich gewähren wird — zu sterben. Ich könnte dem Verlobten meiner Tochter dieses Rächeramt überlassen, aber ein Graf Dürrenstein wird seinen Degen nicht für die — die — Geliebte eines Prinzen ziehen —" Die Stimme des Barons wurde fast unhörbar bei diesen Worten — er schlug beide Hände vors Gesicht, und seine Gestalt bebte wie von einem Sturm geschüttelt. Der Geheimrath legte ihm die Hand aus die Schulter, und sprach mit sanfter, tröstender Stimme auf ihn ein. „Ich bin überzeugt", sagte er, „daß Ihre Tochter durch List nach jenem Schloß gebracht worden ist. Der Prinz forderte von mir ein narkotisches Pulver, da er nicht schlafen könne, dies weckte zuerst mei nen Argwohn, und gab ich ihm deshalb ein leichtes Mittel, um zn verhüten, daß eine andere Hand dasselbe mische. Soviel ich bemerkte, wurde Regina aus dem Wagen gehoben und ins Schloß getragen, woraus ich schließe, daß jenes Pulver angewendet worden, sie selber also frei von aller Schuld ist." „Dann hat die Baronin ihm Kuppeldienste geleistet?" murmelte Einsiedel, ihn starr anblickend. „Das zu erforschen, steht nur Ihnen allein zu, Herr Baron!" versetzte der Geheimrath achselzuckend, „doch ob Baroneß ».Einsiedel freiwillig oder durch teuflische List in das Schloß des Prinzen gekom- men — das wird der Gesellschaft sowohl als der öffentlichen Mei nung insofern gleichgültig fein, als man sich nur mit der pikanten Thatsache beschäftigen und die Ehre der jungen Dame erbarmungslos zerstückeln wird." „Wozu mir solches mit dem Seziermesser so gründlich noch erst auSeinanderlegen, mein Herr Geheimrath?" fuhr der Baron zähne knirschend auf, „der Schimpf kann nur durch Blut gesühnt werden. Schuldig oder nicht — mein Kind ist mit Schmach bedeckt, und ich fühle die Kraft in mir, wie jener alter Römer zu handeln —" „Um als Narr in ein Tollhaus gesteckt zu werden", unterbrach Berg ihn ruhig, „zur antiken Größe gehört die Toga, mein bester Baron! — Bleiben wir also auf dem Boden der Wirklichkeit und su chen wir Ihre unschuldige Tochter zu retten. Soll Regina für die Sünden ihrer Verderber büßen?" „Können Sie Wunder vollbringen?" fragte der Baron, heiser la chend, „die Ehre meiner Tochter wie ein zerbrochenes Glas wieder zu sammenzukitten? Oder besitzen Sie ein wirksames Heilpflaster für eine solche Wunde, mein lieber Doktor?" „Ja, Herr Baron!" versetzte Berg mit fester Stimme, „ich besitze ein solches Heilpflaster, kenne ein Mittel, um die Ehre Ihres Hauses zu retten und die Verleumdung verstummen zu lassen. Geben Sie Mir daS Recht, Regina von dem Prinzen zu fordern." Der Baron blickte ihn starr an. „Herr Geheimrath!" sagte er langsam, „Sie wünschen noch jetzt die Hand meiner Tochter?" „Ja, Herr Baron, heute mehr denn je, um ein teuflisches Ber- brechen zu verhindern, und die Unschuld zu retten." Der Baron blickte eine Weile starr vor sich hin. „Ich könnte den Prinzen zwingen, mein Kind zu heirathcn", sprach er halblaut. Berg zuckte die Achseln. „Versuchen Sie diesen Schritt, Herr Baron! — soweit ich den Prinzen Arnold kenne, ist sein Charakter nicht schlecht. Es wäre nicht unmöglich, daß er in diesem ersten Stadium der Leidenschaft seiner Familie Trotz böte und Regina zum Altar führte. Vielleicht liegt, von dieser Seite betrachtet, die Möglichkeit vor, daß Ihre Tochter, von einer solchen Aussicht geblendet, dem Prinzen freiwillig gefolgt ist, zumal der mütterliche Schutz —" „Halt, halt, mein Herr, kein Wort weiter", unterbrach ihn der Baron in furchtbarer Aufregung, „ich nehme Ihren Antrag an, so bald ich mit dem Grafen Dürrenstein, welcher sich jedenfalls noch in der Stadt befinden und vielleicht bald hier sein wird, die nöthige Rücksprache genommen habe. Es wäre ja möglich, lieber Freund, daß der Graf die Sache objektiv auffaßte und Regina von der Schuld frei- spräche, in welchem Falle ihrem Verlobten alsdann das Recht einer Genugthuung in erster Linie zufallen würde." „Freilich, freilich", lächelte Berg ironisch und seine funkelnden Au gen streiften verächtlich den schwachen Mann, welcher es niemals ver standen, die selbständige Manneswürde sich zu bewahren, sondern lie ber sein eigen Fleisch und Blut verkauft hatte, um eine glänzende Scheinexistenz zu fristen, der Sklave einer gewissenlosen Verschwenderin, um derentwillen sein einziges Kind das Joch einer liebeleeren Ehe auf sich nehmen sollte. Der Geheimrath fuhr bei diesen Gedanken, welche blitzartig sein Gehirn durchfuhren, wie erschreckt zusammen und wandte sich unruhig der Thür zu. Stand er selber nicht im Begriff, einen Handel abzu- schließen, einen abscheulichen Handel mit dem Glück dieses armen, um garnten Kindes? Konnte er, der Mann mit dem grauen Haar, Liebe von ihr fordern? Ja, durfte erden jungen, heißblütigen Fürstensohn verdammen, welcher, dem Sturm der Leidenschaft gefolgt, sich die Ge liebte entführte, um sie gewaltsam dem ihr aufgedrungenen Verlobten zu entreißen und für sich zu gewinnen? Prinz Arnold war schön und I»ng, das fürstliche Diadem ihr gewiß — was konnte er, der bürger liche Arzt, der gereifte Mann, ihr bieten für ein solches Opfer? — — Seine Liebe? Er seufzte tief auf, murmelte etwas wie eine Entschuldigung und wollte sich rasch entfernen, als der Groom der Baronin ins Zimmer trat und die Meldung brachte, daß der Herr Dr. Ascher den Herrn Geheimrath dringend um eine kurze Unterredung bitte. (Forts, f.) Vaterländisches. — Eine traurige Erinnerung rufen die Maitage in uns wach. Jetzt vor 36 Jahren und zwar in den Tagen vom 3. bis 9. Mai sah es in den Straßen und auf den Plätzen der inneren Altstadt- Dresden gar grauenhaft aus, denn überall zeigten sich etagenhohe Barrikaden, aufgerissenes Pflaster, niedergebrannte Gebäude (das alte Opernhaus und mehrere Häuser auf der Zwingerstraße und auf der kleinen Brüdergasse), von Kanonenkugeln zertrümmerte Dächer und Häuserfronten, ausgebrochene Fenster, zersprengte Thüren rc., vor Allem aber Blutlachen und nur spärlich mit Stroh bedeckte Leichen, denn außer etwa 300 tobten und ca. doppelt so vielen verwundeten Insurgenten, hatten auch die Truppen einen Verlust von 128 Mann und zwar 31 Todte (23 Sachsen und 8 Preußen), sowie 97 Verwun dete (63 Sachsen und 34 Preußen.) Das traurigste Bild boten alle jene Häuser, welche mit Vollkugeln und Kartätschen aus Geschützen beschossen worden waren, so namentlich das sogenannte Thurmhaus (jetzt Weber's Hotel) an der Ecke der Ostraallee und die Waldschlöß- chenstadtrestauration, Stadt Rom am Neumarkte, sowie viele Eckhäuser auf der Schloßstraße, Scheffelstraße rc. Wie athmete die hartgeängstigte Einwohnerschaft aus, als Mittwoch, den 9. Mai, gegen Mittag eine Bekanntmachung des Ministeriums des Innern an allen Straßenecken angeschlagen wurde, welche lautete: „Seit 9V, Uhr schweigt daS Feuer- Die ganze Altstadt ist in der Gewalt der Truppen. Die Rebell^ fliehen nach allen Seiten." Mag Dresden vor Wiederkehr einer alp' liehen Schreckenszeit für alle Zeiten bewahrt bleiben! — Man theilt uns soeben mit, daß in diesem Jahre folgens Extrazüge von Dresden nach Berlin abgelassen werden: Pfingstsonnabend über Zossen, am 1. Pfingstfeiertag (früh) über R»' derau, am 11. oder 18. Juli über Zossen, am 26. Juli über Röders-' am 1. August über Zossen, am 30. August über Zossen und am 2' September über Röderau. Die Berkehrszeilen der Extrazüge wer^ noch bekannt gegeben. Die Fahrpreise sind unverändert geblieb^ nämlich 9 M. in 2. und 6M. in 3. Klasse, die Billetgültigkeit beM 8 Tage zur beliebigen Rückfahrt auf beiden Routen. Die BenuM der Kourierzüge bei der Rückfahrt ist gegen Zuschlagbillets gestatt — Ende Juli soll in Dresden ein Kongreß der sächsischen Led^ Produzenten stattfinden, womit zu gleicher Zeit eine größere Leders stellung verbunden wird. Da auch die deutschen Schuhmacher fünfte allgemeine Fachkonferenz für Dresden einzuberufen gedacht fo hat man diese auf dieselbe Zeit verlegt. — In Dresden besteht bekanntlich seit bereits 11 Jahren uA dem Protektorate Ihrer Majestät der Königin ein höchst segensrtE Verein unter dem Namen: „Daheim für Arbeiterinnen", wc>^ den Zweck verfolgt, dem Sittenverfall jüngerer weiblicher PersE welche in Dresden in Fabriken arbeiten und daselbst nicht heio>f" sind, durch Aufenthalt in einer ordnungsliebenden gesitteten FaM in der sie Schutz und Unterkommen finden, thunlichst vorzude»^ Gegen ein geringes Entgeld wird Nachtlager und Beköstigung und es ist zu diesem Behufe zur Zeit im Kurländer Palais, ZeughfA platz Nr. 3, II., ein entsprechendes Lokal eingerichtet worden, 26 Stellen bietet. Von diesen sind aber seltsamer Weise in der AE nur etwa die Hälfte besetzt, so daß es fast den Anschein gewinnt' ob diese so segensreiche Einrichtung noch nicht allenthalben geE. bekannt sei. In Entsprechung eines von dem Bereinsvorstande gesteh Antrages macht daher das Landeskonsistorium besonders die Geists auf diese Anstalt aufmerksam und empfiehlt ihnen, namentlich be> Konfirmation die Aeltern und Vormünder junger Mädchen, ihre Heimath verlassen und in Dresden in Arbeit treten wollen, das Arbeiterinnendaheim und wegen der nähern Auskunft oN ( Hausmutter des Vereins, Wittwe Lehmann im obengedachten Be^" lokale, zu verweisen. — Ein tragikomischer Vorfall ereignete sich amM. Apr"^ Freiberg. Eine Dame betrat in Begleitung eines großen H^.,, den Laden einer Porzellan- und Töpferwaarenhandlung und bes^ Einkäufe. Der Hund kümmerte sich um den Kauf seiner Herri« im Geringsten, sondern spazierte gemächlich im Laden umher «M/ schnoperte die vielen leer dastehenden Teller, Schüsseln, Krüge Bratpfannen, ohne etwas BesonderlicheS aufzufinden, verirrte Ej so im Geschirr, daß er alles Andere um sich her vergaß. Plffz, hörte er das „Adieu" der Dame und das Zumachen der Lad^ und mit einem Satze, ohne zu überlegen und den richtigen wählen, ging es mitten durch Tassen und Teller rc., Alles in bv"/ Durcheinander nnd in Scherben hinter sich lassend; dabei erreich^ infame Köter die zugemachte Ladenthür, durch deren Spiegels-b^« mit einem kühnen Sprung unter Krachen und Klirren glückli^, Freie gelangte und mit einigen großen Sätzen seine Herrin erreA Schweifwedelnd begrüßte er dieselbe und freute sich ob der erkäM^ Freiheit. Der Ladeninhaber stand, kaum vom ersten Schreck todtenbleich im Laden und besah mit ernsthafter Miene, unter heftigsten Verwünschungen auf den Köter, den angerichteten Setzei welcher keineswegs gering ist. Durch das Klirren der Scherbe»^ Glassplitter waren viele Leute herbei gekommen, welche alle wunderung den Schaden ansahen. Ein Spaßvogel, wie er ernsteren Fällen nicht selten fehlt, meinte, daß er wohl imin^/ alte Sprüchwort gehört habe: „Er lacht wie ein Töpfer, wenn , geworfen hat," dies bewahrheite sich aber nicht. — Wie ein alter, erfahrener Forstmann versichert, giebt?/ diesem Jahre sehr viele Ottern und Nattern. Wer sich daher Freien bewegt, wird gut thun, immer eine Waffe in Gests^ A Stockes oder dergleichen bei sich zu führen, um eventuell ei«^ j/ begegnenden Kreuzotter den Garaus machen zu können. Leidels es noch sehr viele Menschen, welche in jeder Natter eine Schlange erblicken, und dieselbe tödten. Die so häufig vorko«""^ Blindschleichen und Ringelnattern sind ganz harmlose Thie^ nicht gefährlich, die letzteren durch ihr Vertilgen von zahlreiA^ selten und Mäusen sogar sehr nützlich. Beim Anblick tineS dA« flüchten diese Thiere, wie die Kreuzotter, welche sich oft in setzt und durch ein vernehmliches Zischen kund giebt, daß sie den Kampf aufzunehmen. Die Kreuzotter wird bei unS höchst^' Centimeter groß, ist am deutlichsten durch ein auf dem Kopse M liches Kreuz und durch ihre zickzackartige schwarze Binde aw D zu erkennen. Die Ringelnatter ist am deutlichsten an 2 weißes chen, welche links und rechts am Kopfe sich befinden, zu Bei der Kreuzotter fehlen diese gänzlich. Von Farbe ist die HF natter bläulich- oder grünlich-grau auf dem Rücken mit z»e> schwärzlicher Flecken, also überhaupt dunkler wie die Kreuzst^' , wird sie bedeutend größer als die letztere. Vermischte». * Der Zweck heiligt das Mittel, das ist ein Grundsatz'^ mancher huldigt, obschon er kein Jesuit ist, vor Gericht abe dieser Grundsatz keine Gültigkeit. Das Cigarrenspitzen-SaM««/' von den Erträgen arme Waisenknaben zu kleiden, ist geww werth, einem Herrn aus Sorau aber wäre es beinahe schle«^/ men. Er saß in einem Wirthshaus und öffnete einen Kästen, die auf dem Tisch standen, um aus demselben die entnehmen. Der Wirth verklagte ihn deshalb und der „Herr anwalt", mit dem bekanntlich Niemand gern etwas zu thun tragte 3 Monate Gefängniß. Glücklicherweise war der milder gesinnt, er verdonnerte den leidenschaftlichen Sammler . 30 Mk. Geldstrafe und zur Tragung der Kosten. * In Weißenfels mußte bei Musterung der Militärpfl'" 20 Jahre alter Steinhauer aus Langendorf als untauglich » , wiesen werden, weil er — 290 Pfund wog. . -E * Brand. In der schwedischen Stadt Skanör (be> wurden am 2. Mai durch eine große Feuersbrunst 89 Häufi ° , An hundert Familien sind obdachlos. ar,cs^t' * Eine Rabenmutter stand am Freitag in Tagelöhnerin Barbara Schaffböck vor dem Strafgericht zu "Ai« (Niederösterreich). Sie war beschuldigt, durch fortgesetzt lungen ihres 3jährigenKindes, insbesondere dadurch, daß auf einen mit glühenden Kohlen gefüllten Topf setzte, Kindes verursacht zu haben. Die Angeklagte wurde schmoll und zu 12 Jahren schweren Kerkers verurtheilt.