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WMAckiß Beilage zu No. 37. Die Grafen von Dürrenstein. Original-Rom an von Emilie Heinrichs. (Nachdruck verboten.) - (Fortsetzung.) , "Ms sind Männer von Ehre, Herr Graf!" versetzte Rosenkranz mit fester Stimme, „was wir gelobt,'wird unverbrüchlich gehalten werden." - " L ^nn rEg sein", fuhr jener fort, „das Wappen meines Hauses wird nicht entehrt, von Henkershand zerbrochen werden, -noch lebt ein wackerer Sprosse, durch welchen der alte, morsche Stamm neu erblühen soll. Der Egbert soll kommen, um sein Erbe in Em pfang zu nehmen. Schreiben Sie sofort an ihn, Freund Rosenkranz I" dort ist Papier, Feder, Tinte, rasch, rasch, ich werde mit der lin ken Hand wohl meine Unterschrift kritzeln können." „Ich muß an Bruder Urbanus adressieren, welcher jedenfalls mit ihm in Verbindung geblieben." „Ganz recht, Sie werden das Richtige schon treffen, nur um Gotteswillen Eile — Eile — bevor der Tod mir einen Riegel vor- schiebt." Während Rosenkranz die Briefe an Baron Egbert und Urbanus schrieb, lag der Graf unbeweglich mit geschlossenen Augen. Der alte Schelm betrachtete ihn schmerzlich bekümmert; das leichenblasse Ge- Ncht des Kranken erschien ihm bereits wie das eines Todten, obwohl h'n und wieder die starken Brauen sich drohend zusammenzogen und ew blitzartiges Zucken über die finstern Züge hinfuhr. Als Rosenkranz die Feder niederlegte und sich wieder erhob, öff nete auch der Graf die Augen. „Sind Sie fertig, lieber Freund! Was haben Sie dem Egbert geschrieben?" fragte er ruhig. „Nach Empfang dieser Zeilen, welche Dein Bekannter Werner Rosenkranz für mich schreibt, da ein Schlaganfall die rechte Hand mir gelähmt hat, mache Dich auf, wo Du auch sein wirst, um eiligst heim- Mehren, da vor seinem vielleicht nahen Ende Dich um jeden Preis noch sehen und sprechen muß Dein Oheim . . . ." las Rosenkranz vor. „Belieben Sie, wenn das Schreiben Ihren Beifall hat, Ihren Namen hierherzusetzen, Herr Graf!" fuhr Rosenkranz, ihm die Feder reichend, rasch fort. „Es ist gut so", nickte der Kranke, die Feder mit der Linken er greifend, „er darf nichts weiter erfahren. Bevor er hier sein wird, ist alles gethan." Er unterzeichnete mühsam, kaum leserlich und ließ zur Bekräftigung sein Siegel darunter setzen. Rosenkranz konvertierte beide Briefe und adressierte das Ganze an Bruder Urbanus, Station Nazareth in Palästina. „Ich will den Brief selber zur Post besorgen", setzte er dann, nch rasch entfernend, hinzu. Der Förster war mit den Kranken allein. j „Diethelm!" sprach der Graf, „setzt Euch dicht zu mir und hört unch ruhig an. Ich habe vorhin einen Plan gemacht und will ihn ausführen, hört Ihr es, Alter — ich will und muß diesen Plan ausführen." Der Förster setze sich dicht ans Bett. „oceigt Euch zu mir herab, Diethelm, damit Ihr mich versteht. So, mm hört!" Er sprach einige Minuten leise und ohne Auf- klm ein Mann, der mit sich selbst und seinem Entschluß im Diethelm fuhr erschreckt zurück. „Unmöglich, lieber, gnädiger Herr!" stammelte er, die Hände fle hend erhebend, „o, verlangen Sie das nicht — nur das nicht." „Du fürchtest Dich, Feigling?" , „Nein, Herr Graf, ich fürchte nur das Gesetz und mein Gewissen, W noch niemals auf unrechten Wegen gewandelt hat." „Kindischer Graukops!" krurrte der Kranke, „glaubst Du, daß ein Erenstem jemals auf solchen Wegen —" Er verstummte und schlug der geballten Linken vor die Stirn. „O, habt recht, habt M, alter Diethelm!" murmelte er, „haltet Euren Namen rein vom schimpf. Aber er gehört mir", setzte er nach einer Weile fest hinzu, "Und der andere, der Rosenkranz — da ist er schon — kommt her, ^.ann — mit Tuch will ich reden, und dann mögt Ihr dem Alten Sache mundgerecht machen." n wsEk dem eintreten Rosenkranz zu sich heran und der För- " erhob sich, mie erlöst aufathmend, um jenen seinen Platz einzuräumen. , "nge redete der Graf leise und eifrig mit Rosenkranz, welcher 8!pannt zuhörte, ohne ihn durch eine Miene zu unterbrechen. Als er Kranke schwieg und ihn fragend anblickte, zog ein grimmiges Lä« Mn der Befriedigung über sein Gesicht. -„Vortrefflich, Herr Graf, vortrefflich", sagte er, „nur in dieser ^>1» ,st der Fuchs in der eigenen Schlinge zu fangen. Doch müssen ??? "Keir Dingen mit dem Gesetz Hand in Hand gehen, und das »erlassen Sie getrost mir, ich werde, wenn's sein muß, mich direkt an Fürsten wenden. ikü an den Bischof, mein Lieber, der Weg ist sicherer und td, ^merkte der Kranke, „hätten wir Urbanus hier — dann wäre e Lache noch leichter zu bewerkstelligen. So aber müssen wir schleu- handeln, da meine Zeit, wie ich fürchte, nur kurz bemessen ist. !ki?' ^hle ""ch M Tode erschöpft", setzte er leise, mit Anstrengung ^"ju, „sagen Sie Frank — den Arzt rufen — ich muß heim — heim Ml' Augen schlossen sich und tödliche Bläffe überzog das i Diethelm rief den alten Frank, worauf rasch nach dem Arzt ge- "dt wurde, welcher den Kranken bald wieder ins Bewußtsein zurück- l- und die größte Ruhe und Schonung verordnete. „Der Graf wünschr sobald als möglich in sein Schloß zurückzu- sagte Rosenkranz zu dem Arzt, den er ins Vorzimmer hinaus- Freitag den 8. Mai 1888. „Falls der Schlaganfall sich nicht-wiederholt, dürfte es mit der größten Behutsamkeit und Vorsicht vielleicht in acht Tagen sich bewerk stelligen lassen", meinte der Arzt, „ich werde übrigens heute den Ge- heimrath Berg mitbringen, Sie wissen, den Leibarzt Sr. Hoheit des Fürsten — er wird die Verantwortung für eine Uebersiedelung der Krankenxchesser^übernehmenzkönnen als ich." Achtzehntes Kapitel. Grüne Saaten. Am nächsten Morgen hielt die Equipage des fürstlichen Leibarztes schon früh vor der Villa Einsiedel. Der Geheimrath Berg fand den Baron in verzweiflungsvoller Aufregung, da Gemahlin und Tochter aus der'Gesellschaft deS Frei herrn von Littorf nicht heimgekehrt waren und dort auch niemand ihm hatte sagen können, wo die Damen, welche ein plötzliches Unwohlsein vorgeschützt, geblieben waren. Nachdem der kleine Mulatte sowohl, als die Kammerfrau vergeblich im freiherrlichen Hause sich erkundigt hatten, war der Baron selber hingeeilt, um die Freifrau, welche noch geschlafen, persönlich zu befragen. Diese war über den geheimnißvol len Vorfall im höchsten Maße erschrocken und erregt gewesen, und hatte ihm ebenfalls nichts weiter sagen können, als daß Baroneß Re gina plötzlich von einem heftigen Unwohlsein befallen worden und mit der Baronin nach Hause gefahren sei, während sich ihr Gemahl mit dem Prinzen Arnold nach dem Bahnhof begeben habe, um denselben eine Strecke Wegs zu begleiten. Der Baron möge nur gleich die Po lizei benachrichtigen, da doch jedenfalls ein Unglück oder ein Verbre chen vorliegen müsse. Dies hatte er nun freilig nicht sofort gethan, sondern sich erst nach Hause begeben, um die alte Kammerfrau, welche er stark im Ver dacht hatte, von dem geheimnißvollen Verschwinden der beiden Damen unterrichtet zu sein, in ein strenges Verhör zu nehmen. Doch mochte Margitta auch genug von den abenteurlichen Plänen und Jntriguen ihrer Gebieterin wissen, so mußte der Baron doch endlich einsehen, daß sie in dieser Sache völlig unwissend Iwar, was seine Angst und Un ruhe bis aufs äußerste steigerte. In diesem Moment höchster Rathlosigkeit erschien der Geheimrath Berg wie ein erlösender Engel. „Ich komme früh, lieber Baron!" begannfderselbe sehr ernst, „aber nicht als Arzt, sondern als Rathgeber in einer höchst delikaten Angelegenheit, Ihre Gamahlin und Tochter —" „Um Gotteswillen, liebster Freund!" unterbrach der Baron ihn zitternd, „waS wissen sie davon? Sie sehen mich in Verzweiflung und Angst." „Die beiden Damen sind seit gestern abend verschwunden — ich weiß, wo dieselben sich befinden." Der Baron blickte ihn angstvoll an, doch war er nicht im stände, ein Wort hervor zu bringen. „Hören Sie mich ruhig an, lieber Baron!" fuhr Berg, sich in einen Sessel niederlassend, fort, „eine seltsame Unruhe in betreff Ihrer Tochter verfolgte mich bereits seit mehreren Tagen. Ich fühlte instink tiv ein unsichtbares Gewebe von Jntriguen, welches sich enger und enger um Regina zusammenzog. Die rücksichtslose Leidenschaft des Prinzen ließ mich alles fürchten, zumal es den Anschein besaß, als ob Sie dieselbe begünstigten —" „Herr Geheimrath!" unterbrach der Baron ihn empört. „Die Welt mußte solches glauben", fuhr Berg achselzuckend fort. „Man erzählt sich sogar ganz öffentlich die Geschichte einer jungen Kokette, welche, von einer Stiefmutter geleitet, nach einer Fürstenkrone strebe. Bleiben Sie ruhig, Baron, nur kaltes Blut kann die fatale Situation beherrschen. Ich warnte Sie bereits und hatte Ihr Ver sprechen, die Augen offen zu halten. Die Welt urtheilt stets nach dem Schein, eine alte Geschichte. Sie wissen, daß der süße Pöbel in Frack und Bluse allerorten sich gleich bleibt und vom Skandal nur gar zu gern sich nährt. Lieber Himmel, Baron, Sie waren auch zu blind vertrauensselig oder pochten zu sehr auf die unbefleckte Ehre der Villa Einsiedel, um auf das Geträtsch der Außenwelt zu hören. Ich aber war auf meiner Hut; ich wußte, daß der Prinz irgend ein Aben teuer beabsichtigte, und reiste gestern abend vor ihm ab. Von der Station begab ich mich zu Fuß nach dem Schloß des Prinzen", fuhr der Geheimrath fort. „Ein früherer Diener von mir, dem ich dort eine kleine Stellung verschafft, verbarg mich so lange, bis der Prinz in der Nacht wirklich eintraf. Der junge Herr hatte auch fürsorglich einen Kurier abgesandt, um seine Ankunft, versteht sich, ganz inkognito, dem Kastellan zu melden. Ich wollte mich überzeugen, ob Prinz Ar nold allein käme doch hatte meine Ahnung mich nicht betrogen, der Prinz war nicht allein —" Der Baron hob beide Hände wie schwörend empor und sank dann gebrochen in seinem Sffsel zusammen. Der Geheimrath lchwieg und betrachtete ihn theilnehmend. Plötzlich richtete sich Einsiedel straff auf, sein Gesicht war aschfar big, doch so finster und entschlossen, wie es der Arzt noch nie gesehen. „Meine Frau uns Tollster befinden sich also im Schloß deS Prinzen Arnold?" fracte er kurz. Berg neigte bejahmd den Kopf. „Sie haben nicht geirrt, Herr Geheimrath?" „Mein Wort zum Pfände — nein — Herr Baron!" Der letztere erhob sich und schritt einige Male auf und nieder. Dann blieb er vor Berg, welcher sich ebenfalls erhoben hatte, stehen. „Ich bin Ihnen Dank — großen Dank schuldig, Herr Geheim rath!" sprach er mit unnatürlicher Ruhe, „Sie haben sich als treuer Freund meines Hauses bewährt, und hat es sicherlich nicht an Ihnen gelegen, daß die Ehre desselben so unrettbar vernichtet werden konnte. Ich sehe nur einen Weg vor mir, den ich betreten muß, um diese» Schimpf zn rächen und möglicherweise, was Gott in seiner Gnade