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Bekanntmachung. Die Lieferung des für das unterzeichnete Amtsgericht auf das Winterhalbjahr 1885/86 erforderlichen Heizungsmaterials an circa 180 Hekt. Steinkohle (weiche Schieferkohle), circa 180 Hekt. gute böhmische Braunkohle (Stückkohle) sowie 50 Rmtr. gutes, weiches Scheit holz soll im Wege der Submission vergeben werden. Diejenigen, welche diese Lieferung übernehmen wollen, werden hiermit aufgefordert, ihre Offerte unter Preisangabe des zu liefern den Heizungsmaterials bis zum 9. Mai d. Js. schriftlich anher abzugeben. Die Lieferungen haben frei bis in das hiesige Gerichtsgebäude auf jedesmalige vorherige Bestellung in der gewünschten Quantität zu erfolgen und bleibt die Auswahl unter den Bewerbern Vorbehalten. König!. Amtsgericht Wilsdruff, den 28. April 1885. vr. Ganglo^. LageSgeschichte. Ein unbefangenes Zeugniß über die wachsende Macht der deut schen Industrie legt die N. Fr. Presse in Wien ab. Es lautet: Ein eigenthümliches Gefühl der Unbehaglichkeit macht sich in allen Geschäftskreisen und Mittelpunkten des Handels und der Industrie Englands geltend. Die Befürchtung, daß Großbritannien seine leitende Stellung verlieren könne, ergreift immer größere Kreise, und Hunderte von Anzeichen kommen zum Vorschein, daß die Besorgniß keine grund lose ist. Die Weltherrschaft Großbritanniens in Handel und Industrie ist ernstlich bedroht, und der große Nebenbuhler, der England in den Schatten zu stellen, zu verdunkeln sich angeschickt, ist —Deutschland! Durch die Reihe der siegreichen Schlachten der Jahre 1870 und 1871 wurde zwar zuerst und unmittelbar nur Frankreich besiegt; allein die großartige Schöpfung Bismarks, das neue „Deutsche Reich", befindet sich seit jener ewig denkwürdigen Epoche auf dem besten Wege, auch England, wenn auch nicht militärisch, so doch im Handel ebenso zu besiegen, wie das napoleonische Kaiserreich. Der britische Kaufmann kann in den letzten Jahren keinen Bericht irgend eines englischen Kon suls aus irgend welchem Theile der Welt in die Hand nehmen, ohne darin die Klagen zu lesen, daß der deutsche Handel dem englischen daselbst gefährlich zu werden beginne. Aus China und Japan, wie von Ausstralien und vom Kap lauten die Berichte immer gleich in demselben Sinne, und in der offiziellen „Gazette" lesen wir wiederholt Konsularklagen des nämlichen Inhalts aus Tanger in Marokko, aus Guatemala und Brasilien. Ueberall ist der Deutsche auf dem besten Wege, dem Engländer den Rang abzulaufen, wenn nicht gar ihn vom Markt zu verdrängen. Die Berliner Börse beginnt die Führung auf einem Gebiet des Geldweltmarktes, nämlich dem der auswärtigen Staatsanleihen, zu übernehmen, welches bisher fast das ausschließliche Vorrecht des Londoner Geldmarktes war, und die Thatsache, daß in Berlin die Kongo-Konferenz stattsand, muß dem britischen Kaufmann deutlich den Beweis vor die Augen führen, daß auch auf einem Feld, auf dem noch bis vor ganz kurzer Zeit der englische Einstuß allein und ausschließlich entscheidend war, eine andere Macht die Führerrolle übernommen hat. Aus allen diesen Gründen, zu welchen noch das Bewußtsein der Unzulänglichkeit der englischen Kriegsflotte sich gesellt, machen die Berichte von dem Mangel an Beschäftigung der Arbeiter sämmtlicher Schiffswerften Englands und Schottlands, die Meldungen des schlechten Geschäftes von Bristol bis Dundee einen viel tieferen Eindruck auf die Geschäftswelt Englands, als in früheren Zeiten; man erblickt in diesen Berichten nur weitere Anzeichen eines Zurückgehens der englischen Handelsherrschaft überhaupt, und der britische Löwe Wird alle seine Kräfte anstrengen müssen, um nicht von seinen Neben buhlern, die ihm gar scharf auf den Fersen sitzen, ganz aus dem Felde geschlagen zu werden. Also auch das noch! Die Königin von England, so ist in einer ganzen Anzahl von Blättern zu lesen, soll an den Kaiser von Deutsch land ein eigenhändiges Schreiben gerichtet und ihn um seine Vermitte lung zwischen England und Rußland gebeten haben. O, „ehrlicher Makler", du feierst einen Triumph nach dem andern! Erinnerst du dich der Zeit, als es für Herrn Gladstone in England an's Ruder zu kommen galt?! Gewiß! solche Perioden der neuesten Geschichte ver gessen sich nicht so leicht; du wirst es nock wissen, wie die Stichmorte damals gelautet haben, heute vor ungefähr 6 Jahren. Lord Beacons fields Pololik richtet England zu Grunde. Sie verfeindet England mit Rußland und England ist der „Freund" Rußlands so gewiß wie Frankreich der Feind Deutschlands ist, so hieß es damals. Nicht Rußland darf von England bekriegt werden, die Türkei muß zerschla gen und Oesterreich muß an der unteren Donau überwacht werden, damit es nicht weiter auf dem Wege nach Konstantinopel vorrückt. Und das englische Volk rief dem neuen Staatsmann lauten Beifall, wählte ihm eine Majorität, stürzte den Tory Beanconfield mit seiner Partei und ergab sich dem Wahn, daß Rußland und England Freunde sein und bleiben könnten. Wie lange hat dieser Wahn gedauert und wie war das Erwachen? — Mag es wahr sein oder nicht, daß die Königin Victoria sich an unseren Kaiser gewendet hat, die diplomatische Demüthigung Englands ist auch ohne dies eine vollkommene. Wenn England in einem künftigen Krieg mit Rußland, zu dem es eher oder später sicherlich kommen wird, an militärischen Niederlagen nur den zehnten Theil von der Summe erleidet, die es bisher an diplomatischen Schlappen schon erlitten hat, dann ist seine Weltstellung dahin. Und alles das hat England Herrn Gladstone zu verdanken. Ja, das Fällen der Bäume in seinem Park oder das Reden von der Kanzel herunter zu seinen Gutsleuten in Howarden mag Mr Gladstone verstehen; auch eine schöne Sammlung von Hüten und Mützen mag er besitzen, aber ein Staatsmann, ein Lenker der Geschicke eines ganzen Volkes ist Mr. Gladstone nicht. Bei dem Sultan der Türkei, dessen Reich er vor wenigen Jahren noch in Stücke zerschlagen wollte, dem er Aegypten genommen und dessen Gesandten in London er Monate lang behandelt hat, als ob derselbe die Rechte eines Seeräubers vertrete, vor eben demselben Sultan der Türkei wendet und dreht sich Herr Gladstone jetzt, um dessen Bundesgenossenschaft zu erlangen. Und eben dieselbe „Times", dieses „Weltblatt", wie sie sich selbst fortwährend nennt, die Jahre lang nichts anderes zu thun gehabt hat, als zwischen Frank reich und Deutschland zu Hetzen, die sich von ihrem bekannten pariser Correspondenten immer und immer wieder Artikelchen schreiben ließ, um Zwietracht zu werfen in die friedliche Saat eines Bismarck, eben die ist es, die jetzt mit einer an Unverschämtheit grenzende Zudring lichkeit den „ehrlichen Makler" in Berlin anruft, er solle, er dürfe, er müsse ihn verhindern. Angst, nichts als Angst, das ist das vorherr schende Gefühl im britischen Volke, Demüthigung, nicht? als Demüthi gung, das ist die Folge der Gladstoneschen Politik für England. Als Mr. Gladstone vor zwei Jahren von Schottland aus im Sommer nach Kopenhagen fuhr, um mit Dänemarck ein Bündniß zu schließen, welches dem russisch-deutschen Bündniß mit Hilfe Frankreichs entge- gentreten könne in Europa, war er derartig eilig und aufgeregt, daß er seinen Hut vergaß. Der Hut mußte dem Herrn Premierminister nachgefahren werden und nicht nur in Deutschland hat man damals über diesen heitren politischen „Zwischenfall" weidlich gelacht. Heute darf Mr. Gladstone sich doppelt ärgern über seine damalige Eile. Hätte er damals schon zugegeben, was er heute zugeben muß, daß nicht er in London, sondern ein anderer, der in Berlin nämlich, der größere ist und daß dieser mit seiner eisernen Hand auf dem Tisch der Weltgeschichte die Würfel bedeckt hält, der Engländer hätte sich und seinem Volke viel Bitterniß und Aerger erspart. Nun, wir wer den ja sehen, ob unser Kaiser, ob dessen Kanzler vermittelt. Die Stille, die bisher in Berlin geherrscht hat, ist beinahe unheimlich zu nennen. Vielleicht aber ist in aller Stille schon mehr geschafft worden, als was alle ahnen; es ist die Eigenthümlichkeit energischer Männer, wenig zu reden und viel zu thun. Nicht einen Brief, so heißt es jetzt, habe die Königin Victoria von England an unseren Kaiser gerichtet, sondern einen Besuch wolle dieselbe in Berlin abstatten, um mit dem Kaiser und dem Kronprinzen über eine Vermittelung zwischen England und Rußland Rücksprache zu nehmen. Die Königin Victoria weilt augenblicklich in Darmstadt. Im englischen Unterhause wurde am Dienstag über die For derung eines Kredits von 11 Millionen Pfund Sterling zu Kriegs zwecken verhandelt. Ohne daß der Premierminister Gladstone Aus künfte ertheilt hätte, welche einen klare» Einblick in den Stand der englisch-russischen Unterhandlungen gestatteten, wurden die 11 Millio nen schließlich ohne jede Einschränkung einstimmig bewilligt. London, 25. April. Es dürfte kaum irgend etwas den Ernst der Situation besser kennzeichnen als die fieberhafte Thätigkeit, die im ganzen Vereinigten Königreich in Kriegsvorbereitungen entwickelt wird. Die drei Kanonenboote „Pike", „Weazel" und „Snipe", welche in Portsmouth eilig hergerichtet worden, wurden gestern früh in Dienst gestellt. Als ihr Bestimmungsort wird das Kap der guten Hoffnung genannt. Der „Neptun" segelt morgen nach Malta ab. Gestern ver lautete, daß das indische Truppenschlff „Jumma" von Suakim, anstatt sich nach England zu begeben, nach Bombay zurückkehren würde, um seine Mannschaft an die Monitors „Magdala" und „Avyssinia" zur Vertheidigung des Hafens abzugeben. Auch wird gemeldet, daß außer den Torpedobooten, welche die Regierung anzukaufen und mit dem geringsten Verzüge fertig zu stellen bestrebt ist, gestern der Befehl er lassen wurde, die Anzahl der zur Verwendung als Kreuzer gemiethe- ten Kauffahrteischiffe bis auf 20 zu bringe», wozu noch 5 weitere Schiffe nöthig wären. Zu diesem Behuf wurden gestern bereits der Dampfer „Britannia" von der Pacific Dampfschifffahrtsgesellschast, und der eiserne Dampfer „Glenogle" von der Glenlinie kontraktlich übernommen. Auch hat die Admiralität von den Londoner Schiffs eignern Newton Brothers u. Co. den Dampfer „Energia" nach seiner in Kurzem in Jokohama erwarteten Ankunft gechartert. Der Dampfer eignet sich zu einem bewaffneten Kreuzer. Vaterländisches Wilsdruff. Wie wir hören, beabsichtigt unser Herr Stadtmu sikdirektor Spüring auch in der bevorstehenden Sommersaison wieder mehrere Abonnement- und Extra-Gartenkonzerte in unserer Stadt zu Gehör zu bringen und zu diesem Zwecke in den nächsten Tagen eine Liste zirkuliren zu lassen, um zunächst für zwei Abonnementkonzerte Abonnenten zu sammeln. Wünschen wir ihm dazu einen recht guten Erfolg. — Die Tage sind gekommen, wo die Natur in ihrem schönsten Schmucke Prangt; auch die Bewohner unserer Stadt und Umgegend werden es sich nicht nehmen lassen, hinauszuwandern und sich zu er quicken und zu laben an dem herrlichen Naturbild. Namentlich wird dabei mit Vorliebe immer und immer wieder die Partie Hühndorf, Weistropp, Osterberg, Liebenecke, Cossebaude, der Waldfriedrn rc. gewählt, an welchen Orten der Aufenthalt bekanntlich ein höchst an genehmer ist und die Herren Wirthe es an guter und aufmerksamer Bedienung nicht fehlen lassen. Der strebsame Gasthofsbesitzer Schramm in Weistropp hat in diesem Jahre durch neue Anlagen und Bau lichkeiten seinen Garten in solch einladenden Zustand gesetzt, daß beim Besuch dieser Gegend ein kürzerer oder längerer Aufenthalt in diesem Etablissement mit Recht empfohlen werden kann. — Wir verfehlen auch nicht, heute auf das nächsten Sonntag Nachmittag 3 Uhr im benachbarten Röhrsdorf stattfindende Kir chenkonzert aufmerksam zu machen und auf den kirchlichen Zweck desselben — Anschaffung einer neuen Orgel — zu verweisen. Ein gleiches Konzert zu gleichem Zwecke im vorigen Jahre war so zahl reich besucht und fand so lebhafte Anerkennung, daß in diesem Jahre ein noch zahlreicherer Besuch zu erwarten steht. — Aus Anlaß der vielfachen Verdienste, welche der in Wien ver storbene, aus hiesiger Stadt gebürtige Schuhmacher Rob. Knöfel um sein Gewerbe sich erworben, ist jetzt in Leipzig ein Comitee zu sammengetreten, alle Schuhmacher Deutschlands, Oesterreichs und der Schweiz zu einer Beisteuer zu veranlassen, deren Ergebniß, wenn an sehnlich genug, zu einer „Rob. Knöfel-Stiftung" für Unterstützung gut beanlagter, mittelloser, die Selbstständigkeit anstrebender Fachge- »offen zu gründlicher Ausbildung in ihrem Gewerbe, sowie Ausbildung und Unterhaltung von Fach- und Wanderlehrern für das Schuhmacher gewerbe und zu Aehnlichen Verwendetwerdensoll. Ergiebt die Samm lung die hierzu erforderliche Summe nicht, so will man den Ertrag der Errichtung eines „Knöfel-Denkmals" in Metall oder Stein widmen. — Die Dresdner Schuhmachergesellen hoben in einer stark be suchten Versammlung beschlossen, in allen den Werkstätten, wo der von der Lohnkommission der Gesellen dictirte höhere Tarif nicht bewilligt wird, die Arbeit einzustellen. Die Dresdner Schumacherinnung hatte sich außer Stande erklärt, die Forderungen der Lohnkommission betreffs der Aufhebung der Sonntagsarbeit, Einführung eines 11stündigen Normolarbeitstages und Erhöhung der Löhne bewilligen zu können. — Nun haben in ungefähr 130 Werkstätten die Schuhmachergesellen die Arbeit eingestellt, weil ihnen der von der Lohnkommission aufge- stellte Tarif nicht gezahlt wird. — Ueber den Aufenthalt Ihrer Majestäten des König- und der Königin in Bellaggio gehen dem „Dr. I." von dort nachstehende