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Presse vorherrschen werde bei Besprechung wichtiger, von beiden Reichen mit einander zu regelnder Fragen, deren Lösung schließlich gelingen werde, wenn man Patteileidenschaften, Aufreizungen und Gewaltthätig- keiten sernhalte. Paris, 16. April. Der neue Finanzminister, Clamageran, hat bereits wieder seine Entlassung gegeben. In einem im Heuligen Ministerrathe verlesenen Schreiben erklärt derselbe, daß zunehmende Gichtanfälle es ihm unmöglich machten, sein Amt länger zu führen. Augenscheinlich ist dies nur ein Vorwand, und es müssen tiefere, noch nicht aufgeklärte Gründe fein, welche den Rücktritt Clamageran's ver anlaßten. Der Abgeordnete Jules Roche entwirft im „Lyon ropublicaine" die Geschichte der französischen Verwaltung seit 1870 und gelangt dabei zu folgenden Ziffern: Es wurden in dieser Zett 20 Ministerien gebildet und je 15 Minister des Kriegs und der Marine, 14 Minister des Aeußern, 27 Minister des Inneren verbraucht. Seit 1871 hatte Frankreich 7 Botschafter in Italien beglaubigt, Italien hatte seit 1861 deren nur vier in Frankreich; das gleiche Verhältniß stellt sich auch bei Oesterreich heraus. Nach Rußland sind 6 Botschafter geschickt worden, indeß der Czar nur den Fürsten Orloff und dessen Nachfolger beglaubigt hatte. England läßt sich seit 1867 in Paris durch Lord Lyons vertreten und hat seit 1871 vierzehn französische Botschafter bei sich gesehen; Deutschlands Vertreter seit 1874 ist Fürst Hohenlohe und in diesen 11 Jahren kamen drei französische Botschafter nach Berlin. Jedermann hält sich über den beständigen Wechsel aus alten wichtigen Posten auf und die Parteien schieben einander die Schuld an diesen Uebelständen zu; aber die Art, wie sie dies thun, läßt verrathen, daß Beständigkeit auch in Zukunft nicht zu den Vorzügen der französischen Verwaltung zählen wird. Wieder muß ein Mord, und zwar schon wieder aus Pest ge meldet werden! In der Nacht vom 12. zum 13. April ist dort in schauderhafter Weise der Kataster-Beamte Emerich Gazdag, der 800 Gulden bei sich trug, auf dem Weg nach Hause umgebracht worden. Die Leiche war ganz zerfleischt, ein Strick, mit dem man den Mann gewürgt hatte, hing der Leiche noch um den Hals. Die Mörder sind noch nicht ergriffen, man hat jedoch gegen mehrere Italiener starken Verdacht. Vaterländisches Wilsdruff. Wie aus den betreffenden Inseraten zu ersehen ist, soll in unserer Stadt der Geburtstag Sr. Majestät unseres allverehr ten Königs Albert in würdigster Weise gefeiert werden; erstens wird in den Vormittagsstunden ein feierlicher Schulaktus stattfinden und zweitens Abends im Hotel Adler großer Commers, zu welchem alle Korperationen besonders schriftlich vom Militairverein, sowie alle sich dafür interessirende Bewohner von Stadt und Land durch Inserat freundlichst geladen sind. Dem in Ruhestand getretenen Gendarm Aehnelt in Schmie dewalde ist das allgemeine Ehrenzeichen verliehen worden. — Eine Biersteuer wird auch in Meißen demnächst eingeführt werden. Der Stadtgemeinderalh beabsichtigt dies wenigstens allen Ernstes und wird die betreffende gegenwärtig noch in der Ausarbei tung begriffene Vorlage des Raths der gedachten Körperschaft bereits in einer der nächsten Sitzungen zur Berathung und Beschlußfassung Vorgelegt werden. Die Wirthe und Restaurateure sind natürlich kei neswegs erfreut über die Sache, obgleich die geplante Steuer niedrig genug bemessen werden soll. Man gedenkt nämlich vom Hektoliter einfachen Bieres 15 Pf. und vom Hektoliter Lager- und Bayerischen Bieres 30 Pf. Steuer zu erheben und zwar sowohl von den hier ge brauten wie von auswärts kommenden Biersorten. — Meißen. Der Bau vom neuen anttshauptmannschaflichen Gebäude wird demnächst beginnen. Die Gärtnerei am äußeren Neu markt wird bereits geräumt und das dazu gehörige Gebäude abgebro chen. Die freiwillige Feuerwehr benutzte den Abbruch zu einer Uebung und legte unter der umsichtigen Leitung des Feuerwehrdirektors Hof mann in 2'/* Stunden die Mauern des betreffenden Doppelgebäudes vollständig nieder. Der betreffende Bauplatz wurde für 36,000 M. erworben, zu welcher Summe die Stadt 16,MO M. beiträgt, während der Fiskus die übrigen 20,OM M. deckt. — Während in dem Zeitraum vom September 1883 bis März 1885 für kirchliche und ähnliche Zwecke etwa eine halbe Million Mark in Sachsen freiwillig gespendet wurden, betrug die Gesammt- summe aller für Schulwesen und Aehnliches gemachten Stiftungen in diesem Zeitraum nach den Zusammenstellungen des „Sächs. Kirchen- nnd SA..":!uttes" 751,770 M. Die bedeutendste Schenkung ist die Stiftung von 3M,OM M. zum Bau eines neuen Konservatoriums in Leipzig. Viele andere Stiftungen dienen zur Unterstützung von Ler nenden. — Vorige Woche erstickte in Leipzig ein 3 Monat altes Kind dadurch, daß ihm ein Gummiflaschenhütchen, an welchem es gesaugt, in den Hals gerutscht war. Die f»fort angestellten Wiederbelebungs versuche blieben erfolglos. — Das Geschlecht der Goethe ist erloschen. Aus Leipzig wird gemeldet, daß am Donnerstag daselbst der letzte Enkel Goethes, Walter v. Goethe, gestorben sei. Er war wie sein Bruder, der vor einigen Jahren schon gestorben ist, unverheirathet und mit ihm ist somit das Geschlecht des großen Goethe zu Grabe gegangen. — Das kgl. Ministerium des Innern hat beschlossen, die große silberne Medaille „Für Treue in der Arbeit" in Zukunft nur solchen Personen zu verleihen, welche nach erfülltem 25. Lebensjahre ununter brochen wenigstens 30 Jahre lang auf der nämlichen Arbeitsstelle oder bei dem nämlichen Arbeitgeber bez. bei der nämlichen Familie beschäf tigt gewefen sind. Auch sollen in jedem einzelnen Falle genaue Erör- terungen darüber angestellt werden, ob der zu solcher Auszeichnung Empfohlene sich während jener Zeit gut geführt und sowohl seine gemeinde- als seine staatsbürgerlichen Verpflichtungen gewissenhaft und treu erfüllt hat. — Zu dem deutschen Turnfest in Dresden war auch eine Einladung an den Vorstand des französischen Turnbundes ergangen. Der Vorstand hat aber höflich ablehnend erwidert. — In Grimma soll nächsten Herbst mit dem Abbruch der „al ten Gattersburg" begonnen und an deren Stelle ein neues schloßar tiges Gebäude aufgeführt werden. Grimma wird diesen feiner näch sten Umgebung gewiß zur Zierde gereichenden Neubau mit Freuden begrüßen. — Ein seltenes Glück ist einer gebrechlichen Armenhausbewoh nerin in Oederan zu Theil geworden, indem ihr von einem Verwand ten eine Erbschaft von ca. 20,000 Mark zugefallen und sie das Asyl im Armenhaus mit einem besseren Unterkommen zu vertauschen in die Lage gekommen ist. In Neugersdorf ist dieser Tage ein vor zwei Jahren nach Texas ausgewanderter Schuhmacher mitsammt Familie zurückgekehrt. Der Amerikamüde schildert die Verhältnisse in dem vielgelobten Lande in keineswegs verlockender Weise. Theuer, schlecht, unsicher und we nig Verdienst, das seien die charakteristischen Momente dort. — Das genigt! — Die Grafen von Dürrenstein. Original-Roman von Emilie Heinrichs. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) „Sie werden die Folgen ja selber tragen müssen", meinte der Pfarrer, „und kann ich Sie deshalb nicht tadeln, Herr Graf! Im Gegeniheil, da im Grunde nur ein Mann von Ihrer Gesinnung der gleichen unbeschadet wagen dürfte, und die Situation kein anderes Mittel uns bietet." Der Kammerdiener Frank trat in diesem Augenblick ins Zimmer und meldete einen fremden Herrn, der sich nicht abweisen lassen wolle und durchaus den Herr» Grafen sprechen müsse. „Hab' keine Zeit für Fremde übrig, Alter, wie nennt sich der Vogel?" „Ein wunderlicher Name, Rosenkranz -" „Ach", rief der Pfarrer überrascht, „Albrechts Freund, der Mann aus dem gelobten Lande —" „Zum Henker, Frank, was stehst Du und gaffst?" schrie der Graf ihn an, „bring' den Mann hierher, der sich Rosenkranz nennt." „Hm, hm," murmelte Frank verwundert, „ist der gnädige Herr heute aber widerspruchsvoll." Er zog sich rasch zurück und ließ im nächsten Augenblick den Fremden, welchen der alte Förster Diethelm nach X. gefahren, ein treten, vorsichtig die Thür hinter ihm schließend. „Sie sind derselbe Rosenkranz, der mit meinem Neffen Albrecht befreundet gewesen?" fragte der Graf, auf den Fremden zutretend und denselben forschend anblickend. „Mein Name ist Werner Rosenkranz, und Sie sind Albrechts Oheim, der Majoratsherr v. Dürrenstein", versetzte jener mit fester Stimme, „also Hal Ihr Neffe von mir, als seinem Freunde und Ge fährten, zu Ihnen gesprochen?" „Das nicht — nein, nein, Albrecht hat Ihrer gar nicht erwähnt — ich weiß es von anderer Seite. Wann und wo trafen Sie meinen Neffen zuletzt?" „Im September dieses Jahres sah und sprach ich ihn zum letzten Mal im Mar-Sabakloster zu Palästina", erwiderte Rosenkranz lang sam, „obwohl es den Anschein haben möchte, als wäre solches heute vor wenigen Stunden erst geschehen." „Erst heute?" rief der Graf mit stockender Stimme, wie soll ich das verstehen, mein Herr?" „Ach, Ihr Neffe soll doch heimgekehrt sein, wie?" „Freilich, freilich — wo haben Sie ihn gesehen? In meinem Schlosse natürlich!" „Nein, Herr Graf! — er begegnete mir auf der Station, wo ich umsteigen mußte, um den Zug nach X. zu benutzen, da ich dort ver nahm, daß Sie hierher gefahren seien. Ich kam allerdings erst zu diesem Entschluß, als ich Ihrem Neffen begegnet war, dessen frappante Aehnlichkeit mich verleitete, ihn für meinen Freund Albrecht Dürren stein zu halten." „Sie halten ihn also jetzt nicht mehr dafür?" fragte der alte Graf, nach einer Stütze suchend, und sich dann, fast taumelnd, in den Sessel niederlassend. „Nein, Herr Graf! — der junge, elegante Herr, welcher meine- Freunde« Züge trägt, ist nicht der rechte Albrecht Dürrenstein, welcher mit mir die Welt durchzogen, sein Brot und sein Lager mit mir ge- theilt und mich schließlich vom Tod gerettet hat. Können Sie eS für denkbar halten, daß dieser Neffe unter Jndianerzelten geschlafen, der Fährte des Löwen in Afrikas Wüstensand gefolgt und schließlich sich selbst so stark bezwungen hätte, im gelobten Lande in die Fußtapfen des Erlösers zu treten und die ärmsten und elendesten der Menschheit zu trösten, zu Pflegen und zu heilen? DaS wäre diesem Albrecht, der mich ruhig verleuguet und sicherlich die Wahrheit sprach, als er behauptet, mich nie in seinem Leben gesehen zu haben, ganz unmöglich gewesen. Er ist ein Betrüger, wenn er sich für meinen Albrecht auS- gibt, für den Mann, der zehn Jahre der schwersten Buße nicht zu hart fand, um die Sünde, welche er in wildem Uebermuth der Jugend gegen seinen zweiten Vater begangen, zn sühnen. Wohl trägt dieser Betrüger die Züge meines Albrecht, aber wie den Petrus einst die Sprache der Galliläer verrieth, als er den Herrn verleugnete, so brau chen wir diesem nur ins Auge zu schauen, um den Betrug zu erkennen." „Er hat recht — er hat recht —" ächzte der Graf, beide Hände vors Antlitz schlagend, während der Pfarrer zu ihm trat und be ruhigend die Hand auf seine Schulter legte. Rosenkranz zog jetzt die Photographie hervor, welche er dem al ten Diethelm gezeigt und legte sie vor den Grafen auf den Tisch. „Tas ist der echte Albrecht", sagte er mit Nachdruck. Dürrenstein ließ die Hände von seinem Antlitz sinken, er war weiß wie ein Leichentuch und aus den Augen rollten — was bei die sem Mann ein entsetzlicher Arblick war — große Thränen. Er griff, diese Zeichen der Schwäche ingrimmig fortwischend, hastig uach dem Bild und betrachtete es starren Blicks. Endlich stöitte er tief auf. „Ja, so war er", sprach er fast schluchzend, „o, diese Augen, diese Augen — ich vermißte sie gleich. Albrecht herrlicher Junge, du bist tvdt, aus dem Hinterhalt ermordet, da eS Auge im Auge mit dir der feigen Hyäne uicht möglich gewefen wäre, dich tödtlich zu treffen." „Aber um des Himmels willen, was reden Sie da von Mord, Herr Graf", rief Rosenkranz entsetzt, „wissen Sie etwas von unserm Albrecht?" Der Pfarrer hob beschwörend die Hand. „Ruhig, meine Herren!" bat er. „Wir sind in einem Gasthofe, wo die Wände Ohren haben. Zur nöthigen Aufklärung, Herr Rosen kranz, möge vorerst die Mittheilung dienen, daß ich vorhin ein aus führliches Schreiben vom Pater Urbanus aus Palästina erhielt, von dessen Inhalt der Herr Graf Kenntniß erhalten." „Ah, vom guten Urbanus," rief Rosenkranz erfreut. Der Pfarrer nickte. „Lassen Sie uns von jenem Albrecht reden, mit kaltem Blut die schwere Frage erörtern, ob der gegenwärtig im Schloß Dürrenstein weilende Graf Albrecht derfelbe ist, welchen Sie Ihren Freund genannt und von dem Sie vor wenigen Monaten in Palästina Abschied ge nommen haben." „Haben Sie dieses Bild schon andern gezeigt?" fragte der Graf, ' welcher dasselbe unverwandt angeblickt, mit leiser Stimme. ,,Nur dem alten Förster Diethelm, welcher mich, da der betreffende Zug bereits fort war, auf seinem Wagen hierhergebracht." „Dem alten Diethelm? — Wie kommen Sie zu ihm?"