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schreibt: Trotz aller kriegerischen Meldungen und drohenden Aeußerungen englischerseits halten wir an der Zuversicht auf eine günstige Lösung der immer noch fortdauernden Verhandlungen fest. Ein Krieg um eine Sandbüchse in Centralasien läge doch allzuwenig im Interesse beider Nationen, abgesehen davon, daß er außer den beiden kämpfen den Parteien ganz Europa mehr oder minder schädigen würde. Die Engländer werden, so kriegslustig sich die City-Kaufleute auch anstellen, unmöglich vergessen können, daß die Russen keine Sudanesen, sondern kriegsgeübte tapfere Streiter sind, mit denen um Nichts einen Krieg zu beginnen, frivol wäre. Troppau, 27. März. In der Nacht auf heute sind im Betti naschachte der Dombrau-Ornauer Bergbaugesellschaft bei Dombrau in Schlesien infolge Gasexplosion 40 Bergarbeiter vernnglückt; es ist noch unbekannt, ob Alle todt sind. Brände. In Buffalo ist vor einigen Tagen eine große Mu sikhalle und in St. Louis die katholische Kathedrale ein Raub der Flammen geworden. In der Kirche entstand in Folge Feuerrufs eine furchtbare Panik. 100 Personen sind verbrannt. Vaterländisches. Wilsdruff, am 25. März. In der heute von Gästen, Vereins mitgliedern und deren Frauen sehr zahlreich besuchten Sitzung des laud- wirthschaftlichen Vereins, welche mit einer Ausstellung von Butter und Molkereigeräthschaften verbunden war, referirte nach Erledigung der Eingänge und Aufnahme von 8 neuangemeldeten Mitgliedern, Herr Gutsbesitzer Kappler aus Limbach eingehend über die vor Kurzem ab- gehaltene Staüschau und betonte zum Schlüsse ganz besonders, daß die betreffende Kommission ihr Urtheil ohne irgend welche Voreinge nommenheit gefällt habe. Bei der hierauf von dem Vorsitzenden, Herrn Rittergutspachter Andrä, vorgenommenen Vertheilung der Prä mien erhielten die Herren Gutsbesitzer Winkler aus Birkenhain und Müller aus Grumbach den ersten und die Herren Rittergutspachter Risse aus Klipphauseu und Gutsbesitzer Funke aus Hühndorf den zweiten der vom landwirthschaftlichen Kreisverein für hervorragende Leistungen in der Rindviehzucht gestifteten Preise. Anlangend die Butterausstellung, so wurde dieselbe von dem Herrn Kreisvereinssekrctär Münzner als eine vollständig gelungene bezeichnet und beglückwünschte derselbe zugleich den Verein und insbesondere die betheiligten Damen wegen dieses günstigen Unternehmens. Die Prüfungskommission unter Vorsitz des Herrn Molkereidirektor Pfund aus Dresden hat von den eingegangenen 36 Butterproben 10 und zwar die der Herren Herns- dorf in SachSdorf, Uibrig, Gustav Barth und Mühlig-Hofmann in Wilsdruff (von Letzterem 2), Eifler in Weistropp, Schubert in Blan kenstein, Müller in Grumbach und der Käser des Herrn Vorsitzenden Andrä in Limbach und des Herrn Geißler in Schmiedewalde als hoch fein, 20 als fein und gut und nur 6 als mittel bezeichnet. Ueber den vom Herrn Direktor Endler gehaltenen Vortrag und über die anderen Gegenstände der Tagesordnung wird später berichtet. — Der hier schon seit einiger Zeit verweilende sehr beliebte Sa lonzauberkünstler Nr. krönet» wird an den drei Osterfeiertagen im im Hotel weißer Adler seine höchst überraschenden neuen Experimente auf dem Gebiete höherer Magie und Illusion vorführen. Gleichzeitig sei noch darauf hingewiesen, daß Mr. French's orientalischer feenhafter Zauberpallast, in reichster und styl voller Art ausgrstattet, einen präch tigen Anblick gewähren wird; sämmtliche Dekorationen sind vom Maler Grellmann in Wien angefertigt. Zum Schluß jeder Vorstellung wer den agioskopische Riesen-Nebelbilder mit befonderen Specialitäten und Ueberraschungen vorgeführt werden. — (Postalisches.) Es wird hiermit wiederholt darauf aufmerk sam gemacht, daß den Landbriefträgern auf ihren Bestellgängen Brief postsendungen aller Art, Postanweisungen, Nachnahmesendungen, klei nere Packele, Sendungen mit Werthangabe im Einzelnen bis zum Werthbetrage von 150 Mark, sowie Baarbeträge für Postwerthzeichen u. s. w. und Zeitungen übergeben werden dürfen und daß die Land briefträger verpflichtet sind, die empfangenen Sendungen, ausschließlich der gewöhnlichen Briefpostsendungen, sowie die ihnen übergebenen baaren Geldbeträge für Zeitungen, Werthzeichen pp. in ein Annahme buch einzutragen, das nach jedem Bestellgange der Postanstalt vorge legt wird. Zum Einträgen der Sendungen pp. ist auch der Auflie ferer befugt. Hat der Landbriefträger die Eintragung selbst bewirkt, fo muß er dem Auflieferer auf dessen Verlangen durch Vorlegung des Annahmebuches von der stattgehabten Eintragung Ueberzcugung ge währe». Die Ertheilung des Einlieferungsscheins über die vom Land briefträger angenommenen Sendungen mit Werthangabe, Einschreib- sendungen und Postanweisungen erfolgt erst durch die Postanstalt; der Landbriefträger ist verpflichtet, den Einlieferungsschein dem Auf lieferer, wenn möglich beim nächsten Bestellgange, zu überbringen. — Nossen. Die Anmeldungen zu der hier geplanten Gewerbe- und Industrieausstellung sind äußerst zahlreich erfolgt. Bereit- sind etwa 800 gm Grundfläche in der Halle und gegen 2500 gm im Freien angemeldet, wozu noch etwa 500 gm halbverdeckter Raum kommen. Für die Gewerdehalle können nur noch wenige Anmeldungen angenom men werden, da der Raum bereits nahezu voll beansprucht wird, da gegen bleibt die beim Komitee zu bewirkende Anmeldung für Maschi nen und Geräthe aller Art solange offen, als der Platz reicht. Auch die Anmeldungen zur Viehausstellung haben sich sehr befriedigend an gelaffen. Der Stadtgemeinderath hat gegen 200 M. zu Prämien be willigt, und weitere Prämien sind vom Ausstellungskommitee, wie von Privaten für diese Viehausstellung in sichere Aussicht genommen worden. Landstallmeister Graf zu Münster in Moritzburg, welcher für die Hebung der sächsischen Pferdezucht sich bereits große Verdienste erworben, hat für die Fohlenstausellung, bezw. Prämirung seine Unter stützung zugesagt. — Dresden, 26. März. DaS hiesige Stadtverordneten-Collegium genehmigte heute Abend das zwischen der Stadtgemeinde von Dresden einerseits und der Dresdner Bank, sowie dem Bankhaus Günther u, Rudolph andererseits vereinbarte auf 12 Millionen Mark Kosten be- rechuete Unternehmen eines Straßendurchbruchs vom Altmarkt — Badergaffe—Pirnaischer Platz, wozu die Stadtgemeinde einen einma ligen Betrag von 2'/, Millionen Mark, sowie V? Million Mark als verzinslichen Vorschuß und eine 25jährige Zinsengarantie beisteuert bez. gewährleistet. — Ein Barbier in Dresden, welcher neulich ein Gebiß ver schluckte, wurde vorige Woche vom Stabsarzte Lr. Credo in dessen Klinik operirt. Der Verlauf der Operation war ein durchweg er wünschter; nach Eröffnung der Uuterlcibshöhle wurde der Magen her vorgezogen, eröffnet und das Gebiß aus der Gegend des Magenaus ganges herausgezogen, der Magen und die Unterleibshöhle wieder ge schlossen. Der Kranke, der so gut wie gar kein Blut verloren hatte, befand sich einige Stunden nach der Operation in normaler Weise, doch ist daraus auf die schließliche Heilung noch nicht mit Sicherheit zu schließen, da Zufälle eintreten können, die von ärztlicher Seite we der verhindert noch beseitigt werden können. — Groitzsch. Am Morgen des 18. März wurde hier auf der Vogelstange der Schützengesellschaft am Schießhause eine etwa 4 Ellen lange rothe Fahne aufgehißt vorgefunden, welche die Aufschrift trug: „Hoch lebe die Sozialdemokratie, nieder mit der Klassenherrschaft." Die Fahne wurde auf Anordnung des Bürgermeisters sofort abgenom men. Ebenso wurden eine Anzahl sozialdemokratischer Schriften abgefangen, die an den Schuhmacher Guido Noack hierselbst geschickt waren. Wegen beider Fälle wurde der königl. Staatsanwaltschaft zu Leipzig Anzeige erstattet. — In einer der letzten Nächte hat in Clausnitz bei Sayda den dasigen Butterhändler Wagner ein schrecklicher, jäher Tod ereilt; der selbe hatte Abends im Gasthofe von einem Roßhändler zwei Pferde gekauft und jedenfalls bei sowie nach Abschluß dieses Handel« geistigen Getränken stark zugesprochen; als er nach Mitternacht auf dem Heim wege begriffen war, ist er von der Straße abgewichen, einen steilen Abhang hinunter in den Dorfbach gestürzt und dabei mit dem Kopfe auf einen großen Stein aufgestoßen; der Tod muß augenblicklich ein- getreten fein, da man den fo Verunglückten früh mit zerschmetterter Hirnschale ausfand. — I» welcher Weise manche sogenannte „arme Reisende" auftre ten, erhellt aus folgenden 3 Fällen, welche sich in kurzer Zeit in Oschatz abfpielten. Als ein Tischler, der trotz seiner Jugend schon mehrmals hinter Schloß und Riegel gesessen, nach der Revisions einer Papiere von dem betreffenden Beamten zu einem besseren Lebenswan del und zur Annahme von Arbeit dringend aufgefordert war, verließ er das Lokal mit den Worten: „Lieber mag mir die Hand (die Rechte erhebend) abfaulen, ehe ich sie wieder zu Arbeit rühre!" Obwohl hier die Verabreichung von Gaben an Bettler untersagt ist, wird doch man chem um eine Gabe Ansprechenden noch mit klingender Münze au-ge- holfen. Als aber neulich ein solcher in einem Schnittgeschäft unter Hinweis auf die Zeit, es war Abend, keine Gabe empfing, schimpfte er und drohte in nicht gerade vertrauenerweckender Weise mit dem Stocke, ein Benehmen, welches selbstverständlich seine Arretur durch den Haus besitzer herbeiführte. Vor einigen Tagen geschah es sogar, daß ein solcher frecher Patron, dem die verabreichte Gabe zu gering dünkte, sich widerwärtig betrug und mit Aufsteckung der „rothen Fahne" und mit Brandstiftung drohte. Selbstverständlich wurde auch dieser rohe Geselle dingfest gemacht und dem Staatsanwalt zur Verfügung gestellt. Ob bei dieser Sorte von armen Reisenden Wasser und Brod ziehen, möchte wohl selbst von den Gegnern der Prügelstrafe bezweifelt werden. Die Grafen von Dürrenstein. Original-Roman von Emilie Heinrichs. (Nachdruck verboten) (Fortsetzung.) „Heuchelei ohne Ende!" murmelte der Majoratsherr, den Brief verächtlich in seinen Schreibtisch werfend und diesen verschließend, „ich konnte mir's denken, daß der Franz auf Reisen sei — o, wer giebt mir Licht in dieser Finsterniß?" In diesem Augenblick trat Graf Albrecht nach kurzem Klopfen ins Zimmer. „Du hast befohlen, lieber Onkel!" „Ich wollte Dir nur mittheilen, daß ich auf einige Tage verreise," sagte der Graf ruhig. „Ah, Du willst verreisen," rief Albrecht gedehnt, „so hat da« Podagra sich definitiv empfohlen?" „Ja, definitiv," versetzte der Alte trocken, „ich möchte Dich ersuchen, die Regierung im Schloß bis zu meiner hoffentlich baldigen Rückkehr zu übernehmen und dieselbe in meiner Weise zu handhaben." Der Neffe verbeugte sich zustimmend. „Und darf ich das Ziel Deiner Reise nicht erfahren, Onkel?" fragte er nach einer Pause. „Ich reise zu einem berühmten Arzt, um meine Leber untersuchen zu lassen," lachte der alte Graf kurz und spöttisch, „genügt dieser Grund Dir, mein lieber Neffe?" „Vollkommen, theurer Onkel," lächelte Albrecht, den unruhigen Blick im Zimmer umherschweifen lassend; „Du bist also leberkrank?" setzte er theilnehmend hinzu, „oder fürchtest doch, eS zu werden?" „Ja, ich fürchte eS in der That zu werden," nickte der MajoratS- herr, sich dem eintretenden Frank zuwendend, „hast Du gepackt, Alter?" „Alles in Ordnung, Herr Graf!" „Dann laß anfpannen." Frank verließ das Zimmer. Graf Albrecht hatte sich langsam wie zufällig dem Tische genähert, und die dort liegende Depesche mit einem flüchtigen Blick gestreift, ohne daß sein Onkel es wahrgenommen. „Dann will ich Dir Lebewohl sagen," wandte sich der letztere jetzt rasch zu ihm, „ich werde in wenigen Tagen wieder daheim sein." „Adieu, lieber Onkel!" sagte Albrecht, ihm die Hand reichend, „möge die Reise Dir wohlbekommen." ,,Danke, mein Sohn, laß Dir die Zeit nicht lang werden." „Wirst Du nach — der Residenz gehen, Onkel?" setzte Albrecht, auf der Schwelle sich umwcndend, zögernd hinzu. „Möglich, daß ich einen Abstecher dorthin mache," versetzte der Majoratsherr gleichgültig. „Dann wirst Du meiner Braut einen Gruß von mir bestellen und zugleich den VermählungStag bestimm n?" „Hm, denke, daß wir der Braut bis zum Frühjahr Frist schenken; das arme Ding wurde im Grunde zu arg überrumpelt. Ja, ja, bi- zum Frühjahr, der Mai ist der schönste Monat, warten wir also bis dahin." „Du setzest meine Geduld auf eine harte Probe, Onkel!" rief der junge Graf heftig, „zuerst hattest Du die größte Eile, mich zu verhei- rathen, während Du jetzt den Termin geflissentlich hinausschiebst. Ich mag nicht länger warten —" „Sachte, mein Junge, sachte," lachte der Alte spöttisch, „hast mich zehn Jahre warten lassen auf Deine Heimkehr und kommst mit Deinem Trumpfe mir jetzt überhaupt viel zu spät. Hättest Du gleich die Un geduld herausgekehrt und mir Schach geboten, als ich daS Podagra bekam, dann wäre die Geschichte anders gekommen. Jetzt impomrst Du mir nicht mehr, Sohn, darum fasse Dich in Geduld, und spare Deine Glacees auf den Frühling, hier auf Dürrenstein hat daS feine Leder keinen Zweck. Adieu!" Er nickte ihm zu und wandte sich kurz ab. Graf Albrecht verließ das Zimmer, um in sein Gemach zurückzu kehren, welches sich im Mittelbau des Schlosses befand. Hier stellte er sich an's Fenster, um die Abreise deS Onkels zu beobachten, welcher nach wenigen Minuten erschien und mit kurzem Gruß an die Diener schaft in den bereitstehenden Wagen stieg.