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Tharandt, Nossen, Ziebentehn and die Umgegenden. Amtsblatt für die König!. Amtshauptmannschast zu Meißen, das König!. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. Erscheint wöchentlich zweimal, Dienstag- und Freitags. — Abonnementpreis vierteljährlich 1 Mark. Einzelne Nummern 10 Psg. — Inserate werden Montag» und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Nr. 26. Dienstag, den 31. März 1885. Bekanntmachung. Das Königliche Ministerium des Innern hat auf Grund der Bestimmungen in Art IV tz 12 Absatz 2 der Städteordnung für Mittlere und kleine Städte, beziehentlich in tz 74 Abs. 3 der revidirten Landgemeinde-Ordnung beschlossen, die Zuständigkeit der Bürgermeister in mittleren und kleinen Städten, sowie der Gemeindevorstände und beziehentlich Gutsvorsteher dahin zu erweitern, daß dieselben befugt sein sollen, auf Grund der in Z 81 des Reichsgesetzes vom 15. Juni 1883, die Krankenversicherung der Arbeiter betreffend, enthaltenen Strafbe stimmung bezüglich der geordneten Melde- und Anzeigepflicht vorläufige Strafverfügungen nach Maßgabe des Gesetzes, das Verfahren in Verwaltungsstrafsachen betreffend, vom 8. März 1879 zu erlassen. Ergangener Anordnung gemäß wird dies den obengenannten Polizeibehörden hiesigen Bezirks zur Nachachtung hiermit bekannt gemacht. Meißen, am 25. März 1885. Königliche Amtshauptmannschast. v. Bosse. Bekanntmachung. Etwaige Gesuche um Versetzung von Schulkindern aus einer Bürgerschule in die andere sind bei dem Unterzeichneten bis Dien-tag den 7. April von den Eltern persönlich resp. schriftlich anzudringen. Später eingehende Gesuche können nicht berücksichtigt werden. Wilsdruff, den 28. März 1885. Der Direktor der städtischen Schulen. Gerhardt. TageSgefchichte. Der Reichstag, welcher nun schon vier Monate tagt, hat die Aussicht, daß seine Verhandlungen bis gegen Pfingsten sich hinziehen werden. Die bisherigen Arbeiten waren sehr anstrengend, da nament lich die Kolonialfrage und die Dampfer «Subvention ganz neue Ver hältnisse vorsührten, welche gründlich studirt werden mußten. Auch die Zolltarif-Angelegenheit bot große Schwierigkeiten und ist noch lange nicht erledigt. Bisher hat der Reichstag schon beinahe so viele Plenarsitzungen abgehalten, wie in der ganzen Session 1879, welche die längste gewesen ist. Die Unfallversicherung der Transportgewerbe ist in der Kommission vorbereitet, ihre Erörterung im Plenum wird Zeit erfordern. Ob das Börsensteuergesetz noch vorkommt, ist zweifel haft; eS mag immerhin sein, daß die Regierung ihren neuen Entwurf, für den es ihr an Material nicht mangelt, alsbald fertigstellt. Ueber das muthmaßliche Ergebniß der Börsensteuer bemerkt die „Post": „Wenn die Vorschläge der Kommission zu einem gesetz geberischen Abschlusse führen sollten, so wird man sich keiner Illusion über den Ertrag der Steuer hingcben dürfen. ES ist allerdings schwer, sich ein Bild von dem finanziellen Ergebniß einer Steuer auf Geschäfte zu machen, deren Umfang bisher in keiner Weise statistisch ermittelt ist. Aber alle sachverständigen Urtheile stimmen darin überein, daß schwerlich auf ein höheres Auskommen zu rechnen ist, als den Betrag von 15,000,000 M., auf welchen in der Subkommission von einem der am lebhaftesten betheiligten Mitglieder der Ertrag geschätzt ist. Manche Veranschlagungen ergeben erheblich niedrigere Beträge. Dabei ist ferner in Betracht zu ziehen, daß dieses Aufkommen nicht in vollem Umfange Mehrertrag ist, sondern daß davon sowohl der jetzige Ertrag der Börsensteuer mit jährlich etwa 2'/» Millionen und derjenigen Lan- deSabgaben, welche, wie zum Theil der preußische Lieferungsstempel, durch die Geschäftssteuer absorbirt werden, abgehen. Man wird daher de» Zuwachs an Einnahmen deS Reiches schwerlich auf höher als 10 Millionen anschlagen dürfen: ein Betrag, der demnach weitaus nicht zureicht, um nur die für das Jahr 1886—87 zu gewärtigende Vermehrung der Matrikularumlagen auszugleichen. Berlin, 28. März. Der „Kreuz-Zeitung" zufolge wird auch der Vorsitzende des k. sächsischen Ministeriums, Kriegsminister General v. Fabrice, zur Beglückwünschung des Fürsten Bismarck zu seinem Geburt-- und Jubiläumstage am nächsten Mittwoch hier eintreffen. Die englische Regierung hat alle zur Zeit beurlaubten Offiziere der englischen Truppen in Indien und der indischen Eingeborenen-Re- gimenter zurückberufen, ein Umstand, der darauf hinweist, daß man in London den Russen, die an der afghanischen Grenze stehen, doch nicht recht traut. Ein neuerdings aus Gulron eingelaufener Bericht besagt auch, daß in Afghanistan äußerlich zwar vollkommene Ruhe herrsche, daß aber ein Vormarsch der Russen auf Herat durchaus nicht für unwahrscheinlich gehalten werde. Im Unterhaus ist am Donnerstag eine Botschaft der Königin zur Verlesung gekommen, inhalis deren die Königin angesichts der Lage der Staatsangelegenheiten und der an die militärischen Streitkräfte gerichteten großen Anforderungen zum Schutz der Interessen des Reiches beschlossen hat, die Reserve und die Milizreserve einzuberufen. Daß die englische Regierung rüstet, und zwar energisch rüstet, ist nicht zu bezweifeln. Alle Direktoren der Artillerie-Etablisse- ments in Chatham haben Befehl erhalten, sich sofort nach Indien ein zuschiffen und alle in den Magazinen befindlichen Martinr-Henry-Ge- wehre mitzunehmen. Die Panzerschiffe „Mercury", ,.Devastation", „ColossuS", Bacchante" und „Orontes" rüsten sich in größter Eile zur Abfahrt. Zwei Firmen in Chicago haben Auftrag erhalten, neun Millionen Pfund eingepökeltes Rindfleisch für die britische Armee zu liefern und die Armes Company in Chicopel, Massachusetts, hat die Herstellung von 200,000 Säbeln übernommen. ES ist völlig verkehrt, diese Maßregeln der englischen Regierung al- eine unschuldige Demon stration hinzustellen. Der Oberintendant der Werften, Admiral Herbert, hat eine Inspektion der in den Englischen Gewässern befindlichen Kriegs schiffe vorgenommen und der Regierung angezeigt, daß30 Kanonen boote innerhalb Wochenfrist zum Auslaufen bereit sein könnten. Ein Haus in Sheffield, welches große Verträge zur Lieferung von Eisen bahnmaterial für die Eisenbahnen in Indien mit der Regierung abgeschlossen hat, ist von der indischen Regierung aufgefordert worden, die Herstellung des erforderlichen Materials nach Möglichkeit zu be schleunigen, da dasselbe für die indischen Grenzlinien bestimmt sei. Die „Times" erfährt, die russische Regierung habe die Kon- zentrirung von 50,000 Mann bei Baku angeordnet und den Gouverneur deS Kaukasus zu einem Kriegsrathe nach Petersburg be rufen. In diesem Schritt erblickt die „Times" ein Anzeichen dafür, daß Rußland entschlossen sei, die englifchen Propositionen nicht anzu-- nehmen. Dasselbe Blatt erfährt ferner, die russische Regierung habe versucht, mehrere der größten und schnellsten Dampfer der englischen Handelsmarine anzukaufen, die englische Regierung sei ihr jedoch zu vorgekommen. In England nimmt die Bewegung gegen den Impfzwang immer größere Dimensionen an. Englische Aerzte bringen nach ihren neuesten Untersuchungen die auffallend große Sterblichkeitsziffer der Kinder mit dem Impfen zusammen, und als kürzlich in der Fabrikstadt Leicester eine Anzahl Kinder bald nach der Impfung starben, fand am Dienstag dort eine großartige Kundgebung gegen deu Impfzwang statt. Etwa 20,000 Bürger, an deren Spitze der Bürgermeister selbst, zogen durch die mit Bannern und Flaggen geschmückten Straßen nach dem Marktplatze, um Protest gegen die zwangsweise Impfung, welche an 5000 Personen vollzogen worden, einzulegen. In Gegenwart von Delegirten aus allen Theilen des Landes wurde ein Bildniß von Dr. Jenner verbrannt und ebenso wurde ein Exemplar deS Jmpfzwang- gesetzes den Flammen übergeben. Nach einem Petersburger Telegramm des Lemberger „PrzeglondS" ist bereits sämmtlichen beurlaubten Offizieren der russischen Armee und Marine die Einberufungs-Ordre zugestellt worden. Die im Oren burger Gouvernement dislocirten Regimenter wurden angewiesen, sich zum Ausmarsche bereit zu halten. Der General-Intendant der Armee hat in Astrachan sämmtliche Schiffe der Privat-Unternehmungen auf dem Kaspischen Meere für militärische Zwecke gepachtet. — Gleichzeitig sind in England nach Portsmouth Befehle ergangen, sofort 3 Panzer schiffe, 4 Korvetten, 1 Avisodampfer, 17 Kanonen- und Torpedoboote vollständig auszurüsten; desgleichen ist in Devenport der Befehl ertheilt, 3 Panzerschiffe, 2 Korvetten und alle zur Verfügung stehenden Tor pedo- und Kanonenboote unverzüglich für den Dienst bereit zu halten. Trotz dieser zunehmenden Kriegsrüstungen auf beiden Seiten wird der Ausbruch des Krieges fast allgemein bezweifelt — in Europa wenigstens, denn in Amerika ist Hausse auf allen Märkten, weil man sich von dem englisch-russischen Krieg großen Nutzen für den amerikanischen Handel verspricht. Rußlands Rüstung folgt der englischen, diese aber ist unternommen, einestheils weil man wirklich dem Russen nicht traut, sodann weil auf alle Fälle die Entfaltung einer bedeutenden Macht, die Darlegung der Entschlossenheit und der Mittel, Rußland zu be gegnen, das erschütterte Ansehen Englands in allen seinen außereuro päischen Besitzungen wiederherzustellen geeignet ist. Penideh wird von den Afghanen geräumt werden, England hat auf diesen Ort niemals Anspruch gemacht, und nach der Räumung Penidehs durch die Afgha nen werden die Russen abziehen und das Üebrige der GrenzregulirungS- kommission überlassen. Im geeigneten Augenblick wird in diesem Sinne die Vermittelung nicht fehlen. — Die „Deutsche Petersburger Zeitung"