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138 wird, sich später den Eintritt in den Nundesstaat gleichsam als eine Gnade erbitten; und so kommt Alles darauf zu rück, wie sich die mächtige Preußische Regierung künftig zur deutschen Verfassungsfrage verfallen werde. Durch die Wahl des Preußischen Erblassers ist der Preußischen Dynastie eine großartige Aufgabe vors Auge gestellt wor den, eine „große Zeit" ist cs, die über Preußen und mit ihm über Deutschland anbrcchen soll. Dock „die große Zeit findet ein kleines Geschlecht" in allen den Mannern, die jetzt an der e-pitzc der Preußischen Regierung stehen. Man würde die Kl-inmüthigkeit dieser Männer für unglaub lich halten, wenn man sie nicht vor Augen sehe. Leider haben Liese Manner bis jetzt einen Stützpunkt gefunden in dem noch immer tief wurzelnden Stockpreußenthum, und es bewährt sich vollkommen, daß der Sinn für deutsche Einheit in Preußen im Allgemeinen weniger lebendig ist, als in den kleinern deutschen Staaten. Jedoch das Inter esse für die deutsche Sache wird in Preußen, namentlich in Berlin, von Tag zu Tag größer, und die Hoffnung an Len Sturz des Ministeriums Brandenburg wird immer lebendiger. Möglich, daß auch dann der Widerstand der Preußischen Regierung gegen die Reichsverfassung noch nicht ganz gebrochen sein wird; aber der Stand der Dinge wird dann ein wesentlich besserer sein, und die Nationalvers. mußte sich daher hüten vor Beschlußfassungen, die für^sol- chen Fall etwa noch neue Hindernisse in den Weg legen könnten. Sollten bis zum 3. Mai noch keine befriedigen den Nachrichten aus Berlin -ingegangen sein, so «erden dann die thatkräftigsten Massregeln, namentlich die Einsetzung einer Regentschaft im Sinne des von C. Simon und Genossen gestellten Antrags, nicht länger zu verschieben sein, und die Nationalversammlung wird dann in der öffentlichen Meinung von ganz Deutschland gerechtfertigt dastchen, wenn sie, nachdem dieser letzte Ter min fruchtlos verstrichen, mit energischen Massregeln vor, schreitet. — In der That gehörte eine gewisse Resignation Lazu, Len heutigen Beschlüssen, wodurch sich die National versammlung 8 Lage lang fast zur Unthätigkeit verdammt, seine Zustimmung zu geben. Indessen hat die Erfahrung nur zu deutlich gclebrt, wie leicht eine constituirende Ver sammlung durch Beschlüsse, die Len Schein der Uebereilung an sich tragen, das Vertrauen des Volkes mit einem Male verscherzen kann. So gewiß eS übrigens ist, daß der Nationalversammlung eine Menge tkeils offener, theils ver steckter Feinde gegenüber stehen, so gewiß ist es, Laß diese Feinde zu einem gemeinschaftlichen Plane sich in diesem Augenblick noch nicht verständigt haben, sondern theilweis unter einander selbst in Unfrieden sind. UebrigenS ist der 30gcr Ausschuß in Permanenz und stets in Bereitschaft, die der jedesmaligen Sachlage angemessenen Massregeln vorzuberathcn, die dann durch einen Dringlicbkeitsantrag in der Nationalversammlung selbst sofort zum Beschluß erho ben werden können. Niemals ist die Sache der deutschen Einheit, welche die nothwcndigc Vorbedingung der deutschen Freiheit ist, so großen Gefahren ausgesetzt gewesen als in diesem Augenblick. Jedoch «ine Schmach wäre es, am Vaterlande zu verzweifeln. Der Einigungspunkt für alle Partheien in Deutschland ist gefunden durch die nun zum Beschluß gebrachte deutsche Verfassung! Vergessen wir unsere untergeordneten Partheistrcitigkciten und halten wir fest an Lem, was uns einigt, an Ler Verfassung mit allen ihren einzelnen Bestimmungen. Di« braven Würtemberger haben bereits bewiesen, wie viel Einigkeit und Energie zu leisten im Stande sei. Viele Manner giebt es in Würtem- berg, die lieber ein verantwortliches Oberhaupt an der Spitze von Deutschland gesehen hätten, und denen es schwer fällt, den Verfassungsbestimmungen über den Erbkaiser sich zu fügen. In derselben Lage sind viele Mitglieder Ler Nationalversammlung, die auf der linken Seite des Hauset sitzen. Dennoch haben alle Liese Männer ihre Privatanfich ten aufgeopfert, und sie wirken mit Muth und Standhaf tigkeit für Aufrcchthaltung der ganzen Verfassung. Diese Patriotisch«, ächt demokratische Haltung wird ohne Zweifel auch in anderen deutschen Landern Nachahmung finden, und ich zweifle nicht daran, daß in dieser drang vollen Zeit jeder Leutsch« Stamm seine Schuldigkeit thun wird. Hallbauer. Mus dem Waterlande. In einer sehr lebhaften Sitzung beschließt die l. Kammer dem gegenwärtigen Ministerium eine Mißtrauensvotum zu ertheilcn. Bekanntlich hatte vor ein paar Wochen Tzschirner in der II. Kammer den Antrag dazu gestellt; die Beschluß- nähme darüber war durch laufende Tagesgeschafte unterbrochen worden. Den Grund dieses Miß trauensvotums bietet hauptsächlich die Weigerung des Ministeriums, den Gesandten v. Könneritz von Wien abjubcrufen, weil man, wie man sagt, das freundswaftlickc Derhaltniß mit Oesterreim nicht trüben wolle. Aber, sagt der Abg. Hitzschold, wir fürchten Nichts mehr von der österreichischen Re gierung. Der Tbron von Oesterreich ist untergraben; hätte er sich halten wollen, so mußte er sich dec Demokratie ansddließen. — Abg. Gautzsch: „Dec Mord Robert Blums ist zur Sache der Nation geworden. Die gelindeste Strafe, die den Gesandten treffen kann, ist seine Abberufung. Oesterreich hat nie Freundschaft für Sachsen gehabt, cs hat in den Hungerjahren seine Kornkammern dem sächsischen Erzgebirge verschlossen. Und diesem freundnachbar lichen Staate gegenüber will man Rücksichten nehmen! Die sächsische Regierung vcrräth Ohnmacht und Schwäche. Das Volk sodert Sühne und Millio nen fodern hier dasselbe. Das Ministerium ist feig, es folgt der Politik des Hofes und nicht der des Volkes, Vertrauen hat dasselbe nicht und wird es auck nie erlangen; cs hat die Ehre, Sachsen ver kauft zu haben. Das Volk sagt: weg mit diesem Ministerium; das sind nicht sächsische, das sind österreichische Minister." — In gleichem Sinne wird noch von mehren der vornehmsten Kammer« redner die Debatte behandelt. Oie Kammer spricht das Mißtrauensvotum in folgender Fassung aus: sie wolle im Vereine mit der zweiten Kammer der Regierung erklären: daß sie in der Verweigerung der Abberufung des Ge sandten v. Könneritz ein die Ehre und die Selbstständigkeit des sächsischen Volkes gefährdendes Regierungssy sicm und eine Unverträglichkeit mit den Bedingun gen erblicke, unter welchen allein die Kammern mit der Slaatsrcgierung jum Wohle des Vaterlandes mitzuwirken im Stande sind. Zugleich mit diesem Mißtrauensvotum tritt die I. Kammer dem Beschlusse der II. Kammer bei, nämlich der Regierung zu erklären, daß die sächsische Volksvertretung den Aufwand für die fernere Ge sandtschaft v. Könneritz in Oesterreich nicht bewilli« gen könne. — Die II. Kammer beschäftigt sich mit der Steu er frage. In Rücksicht, daß das gegenwärtige