Volltext Seite (XML)
362 res, schwere« Gericht ergehen; glauben Sic mir, daß Christcnthum, was jetzt geprcdiget, verlangt und geübt wird, es wird in naher Zukunft zusammenfallen, wie die Asche eines Leichnams. Es kann sieh nicht halten, denn er ist Wider Lie gesunde Vernunft, und die gesunde Ver nunft ist die Gottheit im Menschen. Sie ist die einzige, die wahre Offenbarung, sic und Lie Natur. Wenn Ihre AnuSbrüLer alle nicht bei rechter Zeit sich diesen Hahnen anschließen, s» dünkt mich, werden sie dereinst die Splitter ihrer zerbrochenen Herrlichkeit in allen Gegenden Ler Welt zusammcnsuchen müssen. Die Sittenlehre des ChristenthumS ist der vorzüglichere Theil. Ich halte sic bis aus einen allgemeinen Vor- Wurf, auf den ich unten zurückkomme, für unübertrefflich. Sie wirb bleiben. Aber die -ehre wie die Sitte zu halten und zu verbreiten, dazu^ist die Glaubenslehre des seligen ChristenthumS nicht nolhwendig und nicht geeignet. Sic hat viel Mangelhaftes, Menschliches, Vernunftwidriges. Und das wird fallen; insofern haben Feuerbach und Genossen ganz gewiß Recht. Der Glaube an ein höhe res Wesen und der Glaube an unsre Fortdauer: das ist die Summe dcr ganzen Glaubenslehre; sic reicht aus um die Menschen dem Höhepunkte Ler Sittlichkeit entgegen zu führen; aber diese Sätze predigen Vernunft und Natur; wozu Len Wust Ler Offenbarung? Was darüber ist, Las ist vom Uebel. Selbst die Vorstellung, daß Gott unser Vater und daß wir Menschen alle Brüder seien, ist zwar schön, aber Loch menschlich und unvollkommen gedacht und nichts als ein Bild, wenn sic auch^dcr Glaubenilehrc an Ler Spitze steht. Weiter ist' Lie -ehre von Len Eigenschaf ten Gottes so ungöttlich, daß sie LaS höchste Wesen eher hcrab- zuziehcn geeignet ist. Die Lehren von der Gottheit und Menschwerdung Christl, vom heiligen Geist und von Lem einigen Gott in drei Personen, von der TranSsubstantiation, »on Ler Auferstehung, von Ler Himmelfahrt, von Ler Empfängnis' Maria u. s. f., - sie sind ja ein Verrath un Ler Mcnschenvcrnunft Die andern Wundergeschichten, Ammenmäbrchen gleich, die man den Gemeinden noch vor- liefet, will ich gar nicht erwähnen. Sic selbst sind, was den ersten Punkt anlongk, mit mir einverstanden; denn Zhnen zur Ehre sei eS gesagt: Sic haben e» offen und frei gepredigt: Man nenne Christum wegen seiner Vorzüglich keit „bildlich Gottes Kohn." Nennt man ihn aber bildlich so, so ist er nicht Gottes Sohn; ist er nicht Gottes Kohn, so ist er Ler Menschen Kohn; ist er Ler Menschen Sohn, so ist ihn und sein Bild anzu- bcten Abgötterei und Götzendienst. Er verdient, und Niemand kann davon inniger durchdrungen sein, als ich, unsre tiefste Verehrung, unsre eifrigste Nachahmung, aber Gott selbst ist er nicht. ES ist ja bekannt, daß jener Aus druck nichts ist als ein gewöhnliches orientalisches Bild. Aber wie Wenige predigen Las! Hier ist soviel Sünde gegen den Geist und die Wahrheit begangen worden, daß der Fluch nie, nie wieder weggewaschen werden kann. Za noch alle Tage wird diese Künde erneuert. Sie ist uns beinahe zur Gewohnheit geworden und was geschieht, uns dieser Nacht zu entreißen ? Nur vereinzelte Versuche. Das Volk wird sich auch hier seiber helfen müssen. Ucberschlagen wir nachdenkend die Bibel und Lie Sammlung unserer reli giösen Gesänge; wie viel Kinsterniß und Jrrthum, dic da im Nu verschwinden vor der Leuchte Ler Vernunft! Aber wir singen mit, weil man sic einmal anstimmt. Das Chri stenthum, so lehrt uns die allgemeine BildungSgcschichtc LeS Menschengeschlechts, war zur Zeit Christi, das erkannte Derselbe, ebenso vorbereitet, wie es dic Reformation Luthers war, und wie es dic Reformation ist, welche jetzt mit Riesenschritten hereinbricht. Wohl denen, Lie sie begreifen und erfassen! Sobald wir den politischen Kampf auSge- kämpft haben werden, beginnt Ler religiöse. Sie mögen cS glauben oder nicht. Die neue Kirchenverfassung ist zum Zweck das Mittel und Niemand wird Lem allgewaltigen Drängen dcS Menschengeistes zu widerstehen im Stande sein. Sie aber, mein geehrter Freund, werden sich folge richtig und zwar nach Ihren eignen Worten der Bewegung am allerersten mit anschließen müssen. Denn wenn Chri stus nur „bildlich" Gottes Sohn genannt wird, als» ein Mensch war, so ist seine kehre eines Menschen Werk; und am diesjährigen Reformationstage haben Sie in der Pre digt den ganz richtigen Satz ausgesprochen, daß jedes Menschenwerk im Laufe der Zeit einer Verbesserung bedürf tig sei. — An der christlichen Sittenlehre aber ist, um eS kurz zu sagen, nur das auszusetzcn, daß sic zu wenig Rück sicht nimmt auf die Erziehung Les Menschen für Lie Erde, und beinahe seine ganze Thätigkeit beansprucht für die Vorbereitung zum Himmel — ein Fehler, der sich in der Gegenwart, Lie gerade Menschen und Männer für Lie Erde braucht, bereits bitter rächt. Dic Geistlichkeit wird von diesem Fehler gehoben und gehalten, und befindet sich wühl dabei. Sie läßt es gehen, deshalb ist ihr auch die Leitung und Lie Beaufsichtigung des Votksschuluntcrrichts so schleu nig als möglich zu entwinden. — Dcr CultuS, der Got- tesdicnst, leidet an Langweiligkeit, Kälte, Monotonie, Ge wöhnlichkeit. Oder sagen Sie mir, warum meiden die Gebildeten Lie Kirche? Sic finden keine Nahrung für den Verstand und wollen ihre Vernunft nicht beleidigen lassen. Und warum gehen Lie niedern Klassen nicht hinein? Das Herz bleibt ihnen kalt, und sic suchen vergebens sich zu erbauen. Man hält zu viel und zu lange Kirche, und raubt dadurch dem Gottesdienste seine wahre Würde und Weihe. Mit der Zeit, das ist ein unbestrittener und Len Herren Theologen gewiß bekannter Erfahrungssatz, wird Lem Menschen Alles zur Gewohnheit; Lcmohngcachtet läßt man aber allsonntäglich ein und dasselbe Lied singen, dasselbe Gebet beten :c. re. und verlangt noch Andacht? Wie wird die Orgel gcmißbraucht! Wie schlecht wird sie gehandhabt, obgleich mit ihrer Begleitung so viel, so sehr viel, namentlich bevor Lie Leute zusammenkommcn wollen, gesungen werden niuß! Und erst LaS Abendmahl! Diese schöne, innige, ganz auf LaS Gcmüth berechnete Feier! Es sollte ein gemeinsames LicbcSmahl sein, so wollte cs der Stifter unsrcr Religion! Aber es ist kein Mahl, es ist kein LiebeSmahl, es ist kein gemeinsames LiebcSmahl! Auch La noch scheiden sich die Stände und was Halbweg vornehm ist, das läßt sich — „abspeisen;" nach dcr Pre digt aber gehen nur Dienstboten und Bürgersleute. Für Lie Beichte gicbt man 1 Gr. oder auch l Thlr.; dafür, Laß man einen Säugling länger als vierzehn Tage ungc- tauft läßt, bezahlt man wöchentlich > Thlr.; wer mehr als Lrci Pathcn nehmen will, bezahlt 5 Thlr.; wer nicht auf- geboten zu sein wünscht, etwa« mehr, unL wer seine Cou sine beirathen will, noch mehr; weniger dagegen, wer einen besonder» Stand in der Kirche begehrt; wenn Opser- pscnnige zu geben sind, vermeldet man eS von der Kanzel, und dic verschiedenen Grade der Beerdigungen — sind auf das Geld berechnet. Das ist unser CultuS, LaS unsre Kuchenpolizei. Ein heiliger Schachcrhandel! Dafür können Sic natürlich nicht. Aber die Geistlichen alle, und die geistlichen Behörden können dafür und — haben nicht« gethan. Mit welchen Anstrengungen, mit welcher uner müdlichen Arbeit erobert sich LaS Volk Lie politische Re formation! WaS haben Lie Geistlichen gethan? Sic saßen mit wenig Ausnahmen, ganz gemächlich auf ihren Pfründen und anstatt tbätig zu sein, Laß es auch auf ihrem Felde besser werde, gaben sie sich höchstens noch alle mögliche Mühe, Len Fortschritt aufzuhaltcn, weil sic, wie es scheint, ganz besonders Lazu berufen zu sein glauben. Ich möchte doch wissen, von wem? — Das Alles habe ich Ihnen ge sagt, weil auch Sic in Ihrer Entgegnung tkun, als hät ten Sie für die Reinigung gearbeitet; und Loch ist es noch so unrein. Nacht und Frost sind keine« Menschen Freund. Zünden Sic an und erwärmen Sic. Es ist hohe, hohe Zeit! Lharand, den 9. Nov. >848. Adv. Louis Fritzsch». Kikchennachrichttn von Nossen. Getauft: DeS Hrn. AmtSregistrators Forwcrg inNoffen Sohn, Martin Brun». — Des Beutlcrmstrs. Richter in Nossen Sohn, Carl Heinrich Wilhelm. Getraut: Gottlieb Junius Naumann, Zimmermann in Nossen, s»v„ mit Jungfrau Christiane Friederike Vogel aus Augustusberg.