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Wochenblatt für WttS-ruf, Lharan-, Rpffen, Siehenleh« im- -ie Umgegenden. Sonnabend, den 16. December 1848. ^iO. 74^. Verantwortlicher Redacteur und Verleger: Albert Reinhold. Ben dieser Zeitschrift erscheint Mittwochs und Sonnabends eine Nummer. Der Preis für den Viertcifahrgang betragt t" Ngr., für welchen dieselbe von der Rednetion in Wilsdruf, den Agenturen in Lharand, Nossen, und Sicbenlehn, sowie de, Buchdruckern von C. E. Sliinkicht und Sohn in Meißen bezogen werden kann. Auch nehmen dieselben Bekanntmachungen aller Art zur Beförderung an. Dio Vedaotion. Zur Wahlsache. Wenn bei dem gegenwärtig statt findenden Wahlkampfe von einzelnen Männern, denen Glim men des Vertrauens zufallen, das öffentliche oder auch nur offene Hervortreien mit der politischen Charakterfarbe verweigert wird, so ist dies eine Er scheinung, die jedenfalls ernste Beachtung verdient. Man findet recht verständige Leute, welche jene Zurückhaltung loben, die der Meinung sind, Män ner des Volksvcrtrauens müßten sich suchen lassen, sie dürften ihre Ansichten nicht gleich einer Waare auf den Markt der Oeffentlichkeit bringen. Diese Meinung hat einen guten Grund, es fragt sich aber, ob man ihr ohne Weiteres und unter allen Umstän den zustiegen solle? Sie hat einen guten Grund, weil cs feststehender Gay ist, daß Tüchtigkeit und Würdigkeit sich selbst empfehlen, daß sie gleich Edel- steinen die Dunkelheit glänzend durchdringen und dem Auge sich darstellen. Allein trotz dem möchte jene Ansicht als überall richtig nicht empfohlen werden können. Stellen wir uns auf den jetzt so beliebten prak tischen Standpunkt und nehmen wir an, es gebe keinen Sächsischen Mann, der mit seinem politischen Cha sster frei vor das Volk treten möchte, cs sagten vielmehr Alle, die zu Volksabgeordneten von dem und Jenem vorgeschlagen würden: „ich trete nicht selbsssüchtig vor die Wähler, um Bewerbungen zu machen, um Versprechungen zu geben, die offenbar eine Täuschung nach sich ziehen müssen" — wie würde es um unser öffentliches Leben, wie um die V "svertretung stehen. Politische Größen werden nur in der Oeffentlichkeit geboren, im Dunkel der Zurückgezogenheit bildet sich kein Volksmann, erwirbt sich Niemand allgemeines Vertrauen. Wäre Oeffentlichkeit in unseren Staatsleben nicht mehr nolhwendig, so ständen wir auf einem Standpunkte der Vollkommenheit, bei der die Re gierung mit AUwcisheit ausgestattct, die Regierten aber Engel wären! So weil sind wir noch nicht, wir werden auch niemals zu diesem Gipfel der Vollendung gelangen. Die menschliche Schwäche macht ganz andere Anforderungen. Der arme Mensch will, um Ver trauen hegen zu können, zunächst schm und fühlen, damit er einige Gewißheit habe, nickt fort — betrogen zu werden, wie er zcilhcr betrogen wurde. Wer möchte die Katze im Sacke kaufen, wer will nicht wenigstens einige Sicherheit haben, ehe er giebt? Frage sich, die Hand auf's Herz, Jeder selbst, ob er einem Manne seine Stimme für die heilige Sendung der Volksvertretung geben wird, den er nicht kennt, von dem seine Nachbarn Stunden weit in die Runde nichts wissen, den aber ein ebenfalls Unbekannter zum Abgeordneten vorgeschlagen hat! Jstinicht der erste Gedanke eines Wählers, daßersschen und hören möchte den Mann, welchem er Vertrauen schenken solle? Allein dieser Mann will sich nicht sehen lassen, er verweigert es, seine Ansichten vom Wohle des Landes und Volkes und wie dieses ge« kräftiget werden könne, öffentlich auszusprechen! Wird ein Staatsbürger mit der leeren und dennoch so viel sagenden Ausrede zufrieden gestellt sein: „ich gebe meine wahre Herzensmcinung nicht heraus, weil ich keine Versprechungen geben mag, ich trete nicht als Bewerber auf, ich mag keine Stimmen, allein — wcnn die Wähler mir dennoch Vertrauen schenken sollten, so werde ich — dem Vaterlande gewissen haft dienen" — Nein, er kann es nicht, wcnn er selbst gewissenhaft ist, er muß solch einem Bewerber entgegnen: Ich mag keine Versprechungen, die auf Täuschung berechnet sind und cs ist keine Tugend, zu versichern, daß man nicht lauschcn^werde, ich mag keine Versicherung, daß gerade meine Inte ressen besonders sollen vertreten werden, allein ich will dem Manne ins Auge schauen, dem ich Voll macht geben soll über mein Wohl und Wehe, ich verlange, daß er sich nicht hinter Redensarten ver krieche, in die man jeden beliebigen Sinn legen kann, ich fordere, daß er offen und öffentlich sich aussprcche, was er von der Lage der öffentlichen Dinge, von den Wünschen des Volks und von den Bedürfnissen seines Wohles denke!" — Irren ist menschlich und der redliche Mann wird auch redlich zugcben, daß und wie unter ver änderten Umstanden seine Ansicht sich geändert habe. War er offen, so wird ihm das rechte Vertrauen seiner Wähler immer ein freudiger Lohn sein. Allein wehe dept, der cs beharrlich vermied, die Farbe seines Charakters zu zeigen. In den Augen des