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398 weit gebracht, daß ich die „früh gefaßten Vorsätze der Leute" zu errathcn im Stande bin. Dabei sei bemerkt, daß Herr P. Gehe schon wiederholte Ver suche gemacht hat, andre Stellen zu erhalten. Es ist ihm nur nicht geglückt. Ich weiß nicht, warum nicht. Im Jntressc der Stadt Tharand wünschte ich, daß ihm ein erneuerter Versuch gelinge» möge, sobald in Gemäßheit der neuen Kirchen Verfassung die Gemeinden selbst mehr Einfluß auf die Besetzung der Stellen haben werden. Endlich wirft mir Herr G. vor, daß ich auch davon nichts gesagt, daß ihn gewiß Niemand in Tharand für habsüchtig, oder geizig, oder knickrig halte, und ruft dahinter aus: wie nobel (?!) und gerecht sei das Alles! Allerdings davon habe ich nichts gesagt; werde auch nichts davon sagen. Ich hatte es nur mit dem Pastor G. zu thun, das Innere Les Hauses und der Familie zu ehren, nm bürgerliche und per sönliche Verhältnisse unberührt zu lassen, sobald sie nicht zur Sache gehörten. Aber, und das ist mein letztes Wort, das ich hinausschreic in die Welt, laut und mit aller Ent rüstung meines HerzcnS: Ucbcr Lichnowsky ' ö Ermordung hat er gepredigt, der P. Gehe; für Blum hat er keine Worte! Tharand, den 22. November 1848. Adv. L. Fritzsche. Die Parteien in der Paulskirche. (Eingesendet.) Es ist ein schönes Ding um die Einigkeit. Niemand kann mehr als ich von dieser Wahrheit durchdrungen sein. Wer aber Einigkeit, also Beseitigung aller „Parteien" verlangt, der sehe auch zu, wo und von wem er sie verlangt. Man verlangt sie jetzt häufiger, als früher, von den Mitgliedern der Nationalversammlung und klagt über die Parteien in der Paulskirche. Sonderbar! Wenn man von denjenigen „Men schen," welche das Volk in die Paulskirche gesendet hat, Einigkeit voraussetzt, warum setzt man sie denn nicht von den „Menschen" voraus, welche als Rittergutsbesitzer und Bauern und als Fabrikanten und Handwerker, welche als Stadtmcistcr und Land meister über ihr Interesse miteinander streiten? Wie diese ihres eignen Interesses wegen uneins und in Parteien zerspalten sind, so sind es die Nalional- vertrctcr in der Paulskirche und in ihren Clubs wegen Volks- und Fürsteninteresse. Wie Niemand verlangen wird, daß jetzt zwischen einem Ritterguts, besitzet und einem belasteten Bauer eine paradiesische Einigkeit herrschen solle, so kann doch wahrlich zwischen einem Mitglieds der Nationalversammiung, welches für die fürstlichen Vorrechte kämpft und einem andern, welches dem Volke zu der ihm seit Jahrhunderten allmählig entwendeten Freiheit ver helfen möchte, keine brüderliche Eintracht herrschen? Wenn jetzt fünfzig Abgeordnete für die Vermehrung des stehenden Heeres und somic für eine Vermeh rung der Steuerlast um Millionen stimmen, und andere fünfzig stimmen dagegen — sollen denn hinterher diese jenen in brüderlicher Liebe und Einig keit um den Hals fallen? Wenn nun seit fünf Monaten die Linke unver drossen und unter ewigem Unterliegen doch nicht ermüdet, dem Volke zu seinem guten Rechte zu ver helfen; wenn sic dabei von der Mehrheit, welche das numerische Uebergewicht nun einmal hat, sich wie die Sklaven von seinem Herrn behandelt sieht; wenn die Bassermanns und Vinkes ihr fort und fort höhnende Herausfoderungcn in ihren Reden in's Gesicht schleudern; wenn der Präsident nicht gar zu selren feine Amtsgewalt dazu braucht, um die Linke zu unterdrücken — soll da diese zu alledem ein freundliches Gesicht macken? —Wenn die Linke draußen im Volke die Rcaction, die Liebedienerei, die Stellcnjägerri, die Hasenherzigkeit, die Volks- crmattung sich zu einem friedlichen Bunde gegen sich vereinigen sieht — soll sie da nicht auch sich zu- sammenthun, um Einer den Andern zu unterstützen, Einer am Andern zu erstarken, Einer von des Andern Kenntniß und Erfahrung zu lernen? Man lese doch einmal das Verzeichniß der Abgeordneten durch; man kann es ja leicht haben. Ick will Niemandem zu nahe treten, denn ob er mein politischer Gegner sei, er kann außerdem ein höchst chrenwerther Mann sein. Aber ich könnte eine sehr lange Reihe von Namen herzahlen, von deren Inhabern für die ernstliche Sicherstellung der Freiheit und der Rechte des Volkes wahrlich nichts zu erwarten steht. Gerade diese Männer, welche die Zukunft Deutschlands noch fest in denselben Händen zu haben glauben — und leider nicht ohne Grund —, in welchen sie seine Vergangenheit hatten, stehen fest wie eine Mauer gegen die Fode- ruugen der Linken. An diese Mauer lehnt sich die Partei Derjenigen, welche von jenen in der auf blühenden Ernte der Reichs- und Staats-Aemter gar zu gern bedacht sein möchten. (Es gibt seit einigen Tagen eine constituirte Partei, von der sich Jedermann sagt, daß sie von sich hoffend glaubt, in sie werde dereinst nach Untcrstaatsfecretair, Reichs- Gesandter, Reichs-Minister,Reickscommissär, Reichs- consul rc. gegriffen werden.) Aber auch Das möge man nicht wehren. Wer in der Paulskicche zwischen dem Weizen der deutschen Freiheit das Unkraut seines eigenen Vortheils säet, der wird hoffentlich dereinst auch nur Unkraut ernten. Aber ich muß zugeben, daß die hier und da laut werdenden Klagen nicht den Parteien an sich, sondern vielmehr dem Partci-Gcbahren in der Pauls kirche gelten. Hier gestehe ich willig, wenn auch mit Miß behagen, mir, daß nicht Alles so ist, wie es sein sollte; muß aber zugleich hinzufügen, es ist kein Wunder, daß es so ist, wie es eben ist. In manchen Sitzungen hat sich leider das ruhige, bedächtige deutsche Volk in seinen Vertretern sehr unruhig und unbcdäcktig benommen. Aber eben, weil das deutsche Volk ein solches ist, und es