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seiner Zeitgenossen zu machen hat. — Das czcchi- sche Landvolk verhält sich trotz aller Aufhetzereien noch fortwährend ruhig. — Jetzt ist auch der Sohn des Fürsten Windischgrätz an seinen Wunden gestorben. Er mochte sich sein zerschossenes Bein nicht abnehmen lassen. — Wie entfesselt die Leidenschaften bei den neu lichen blutigen Vorgängen in Paris gewesen sein muffen, geht aus den Sccncn hervor, Lie wir uns Zither immer nur von indianischen Wilden erzäh len horten. Fünf Offiziere der Nationalgardc wur den von einer Furie mit Lem Küchcnmcsser enthaup tet. Die Frau, gefangen, rühmte sich der That. Viele Weiber verkauften, wie wir schon erzählten, den bis zum Tod ermatteten Nationalgarden vergif teten Branntwein. Auf einer Barrikade der Vorstadt St. Antoine sah man Lie Leiche eines Gardisten liegen, gespießt, verstümmelt und mit ansgerisscnen Eingeweide»; im PaPhcon Leichen an den Hand gelenken aufgchängt und mit Säbel- und Bajonett stichen durchbohrt. Einem Jnfantericoffizier schnitt man beide Handgelenke ab und ließ ihn langsam verbluten, einem Dragoner hieb man die Beine ab und setzte den Sterbenden wieder aufs Pferd. Außer dem Erzbischof von Paris, der bekanntlich schon ge storben, kamen auch noch andere Geistliche an den Wunden um, Lie sie in Ausübung ihres Berufes, Frieden zu predigen, empfingen. — Seit der Bartho lomäus-Nacht oder der Bluthochzeit ist in Paris nicht soviel Blut geflossen. — Bereits sind !> Generale an ihren Wunden gestorben. — Die Insurgenten, welche sich zwei Tage im Pflanzcugarten und in dem gro ßen Weinlager verschanzt hatten, haben in Lem Garten alle Vögel der großen zoologischen Samm lung, alle Dammhirsche, Lama's, Känguruh's, Büf fel u. s. w., sowie die ganze Fasancnzucht todtgc- schosse» und dann bei den Wachtfeuern gebraten. Nur die reißenden Thicre und Lie Affen wurden ge schont, aber selbst auf den Elephanten wurden einige Flintenschüsse abgefeuert, ohne ihm jedoch Schaden zu thun. Eine kurze Zeit lang bericthcn die Toll sten unter den Führern, wie cs möglich zu machen sei, die Löwen, Hyänen, Tiger u. s. w. ans ihren Käfigen zu befreien und sie durch Versperrung aller andern Ausgänge zu zwingen, ihren Weg auf die Straße gegen die Soldaten und Nationalgarden zu nehmen. Nur an der praktischen Unausführbarkcit scheiterte dieser wahnsinnige Vorschlag. — Dennoch hat dieses blutige Drama einen großen Gewinn ge geben, und zwar den, daß nunmehr jeder Zweifel darüber beseitigt ist, daß die Republik dort nicht nur auf dem Zufälle eines Siegs über Ludwig Philipp, sondern wirklich auf dem Willen der Mehrheit des franz. Volks beruhe. Er hat gezeigt, daß diese republikanische Mehrheit stündlich bereit sei, die Mo narchie und die kränklichen Ausläufer des Commn- nismus fern zu halten von der republikanischen Frei heit und Ordnung. — Gegen den K ö n i g v o » N c a p e l, dessen Trup pen das vcnctianische Gebiet hätten decken sollen, ist die Erbitterung aller Italiener aufs Acußerste ge stiegen. Aber auch die Haltung Karl Alberts von Sardinien, insbesondere der Umstand, daß er die Toskaner und Römer so ohne Hülfe von sei ner Seite von den Oestcrreichcrn hat zusammenhauen lassen, hat vielfach Mißtrauen erweckt. Natürlich ist die Lage der Deutschen in Italien unter diesen Umständen auch nicht bcncidenswerth. — Glaubwürdige Reisende, die aus Warschau angekommen, versichern, folgende Nachrichten von gut unterrichteten russischen Offizieren gehört zu ha ben. Der Kaiser verläßt dieser Tage Petersburg und wird sich zum Gros der Armee begeben. Bei seiner Ankunft wird er ein Manifest erlassen folgen den Inhalts: a) Vollständige Amnestie für alle politischen Verbrecher, die sich in Sibirien oder im Auslände befinden, einschließlich aller polnischen und russischen Emigranten und Deserteure, b) Errich tung eines großen slavischen Reiches, welches alle Slaven, Lie unter preußischer, österreichischer oder türkischer Herrschaft sind, umfasse» wird, getrennt vom eigentliche» Rußland, o) Der Großfürst Con stantin wird Oberhaupt dieses neuen Reiches unter constitntioncllcr Regierungsform. — Auf allen Stra ßen solle» Heeresmassen gegen die westlichen Gren zen des Reiches ziehen. Bei Kalisch soll wirklich ein Lager von einer bedeutenden Heercsmasse bezo gen werden und die Avantgarde bilden, wenigstens sei dies' aus der Zusammensetzung der verschiedenen Truppengattungen zu schließen. Leichte Reiterei, leichte reitende Artillerie und meist Jäger begleiten die Infanterie. Auf Ler andern Seite wird nun mit eben so großer Entschiedenheit behauptet, die drohenden Bewegungen Rußlands, die Truppcnmäc- sche nach den deutschen Grenzen seien Schein, wie die ganze drohende russische Macht zumThcil nur Schein sei. Die Truppen müssen schnell ihre Quartiere wechseln und meistens nur Nachts marschiren, damit sie ge waltiger scheinen, als sie sind. - In der Nacht sind bekanntlich alle Katzen grau. Es sei nicht selten vorgekommen, daß Truppentheilc nach wenigen Ta gen und Wochen in denselben Städten wieder ein- gcrückt seien, aber mit anderer Rüstung und an- derm Niemenzcugc. Rußland drohe mit seinem eigenen Popanz und Preußen wisse das sehr gut. — Rußland beabsichtigt indessen noch einen indirectew Hauptstrcich gegen Deutschland. Es setzt sich in. Besitz der Moldau und Wallach ei und indem cs somit zum Beherrscher der Donau auf einer lan gen Gcbictsstrccke und des schwarzen Meeres sich macht, unterbindet cs dem deutschen Handel und Vcr- kehrsleben eine seiner Hauptpulsadern. Das russi sche Zollsystem wird Deutschland in einer viel größern Ausdehnung umspannen und die Erzeugnisse des deutschen Gewerbfleißes nun auch von jenen Ländern zurückweiscn, die, ohne Industrie, zcithcr ein günsti ger Markt für uns gewesen sind. Bereits sind in Jassy 100,000 Mann Russen eingcrückt, von Lenen ein Theil auf Bukarest zu marschirt. Es heißt,, der Ezaar habe dem Sultan 20 Millionen Silber- rubel für sein Oberhohcitsrecht über die Fürstcnthü- mer abgekauft. Niemand wird nun aber den Schlag, der aus jenem Völkcrhandcl zu entspringen droht, tiefer empfinden, als Deutschland und seine Industrie.