Volltext Seite (XML)
238 Verhandlungen der Stadtverordneten zu Wilsdruf. (Sitzung am 4. Juli 1848.) In Betreff der Mittheilung deö ScavlrachS, die Beschaffung eines Exercierplatzes für die Com- munalgarde anlangcnd, beschließen die Stadtverordneten, den vor dem Grumbacher Thore gelegenen Com- muaplatz, die sogenannte Schießwiese, zu den Uebungen für die Communalgarde zu bestimmen. Das aus gesprochene Bedenken des Stadtraths, daß dec Turnverein wegen Benutzung des Platzes mit dem derzei tigen Pachter desselben bereits ein Abkommen getroffen habe, können die Stadtverordneten aus dem Grunde nicht theilen, weil sie in ihrer Sitzung am R September vorigen Jahres den Turnern die Wiese nur für das Jahr 1847 gegen die Entrichtung von 6 Thalern überlassen haben und der Turnrath um eine Er neuerung dieses Zugeständnisses nicht eingekommen ist. Auch glaubt man auf die Turner deshalb eine besondere Rücksicht nicht nehmen zu können und zu dürfen, weil der Commun ein andcrwciter geeigneter ihr eigenlhümlich zugehörender Platz nicht zu Gebote steht und die Erwerbung eines solchen einen nicht unbedeutenden Kostenaufwand verursachen würde. Aus diesem Grunde sieht man sich genöthigt, den Stadtrath um die Mittheilung an den Turnverein zu ersuchen, daß die in Rede stehende Wiese demselben nicht mehr überlassen werden könne, weil die aufgestellten Turngerachschaflen den freien Raum für die Exercttien der Communalgarde dergestalt beschränkten, daß die Uebungen in der nöthigen Ausdehnung un möglich vorgenommen werden könnrcn. Es möge deshalb der Turnrath veranlaßt werden, für die Ge winnung eines anderweiten Turnplatzes Sorge zu tragen und die aus der Wiese befindlichen Turngerälh- schaften binnen hier und acht Tagen entfernen zu lassen. Endlich schlagen die Stadtverordneten für die Uebungen der Turner den freien Platz in der Nähe der Rachsmühle am Mühlgraben vor, für dessen Gewinnung der Turnrath die nöthigen Schritte zu thun habe. Den Antrag des Ausschusses des hiesigen deutschen Daterlandsvereir.es, das vorhandene städti sche Vermögen, sowen thunlich zu Bauten und Arbeiten zu verwenden, lehnen die Stadtverordneten ab, den vom Sladtralh gegen den Antrag angeführten Gründen bcipfiichtcnd. Die Stadtverordneten beantragen endlich noch, daß der Saadtrath die Eintreibung der Pacht gelder für crpachteteS Communland sich möglichst angelegen sein lasse und, im Fall eine dergleichen Zah lung nicht eingchen sollte, das im Felde stehende Getreide gerichtlich mit Beschlag belegen lasse und machen den Stadtrath für die Nichcbefolgung des eben gestellten Antrags verantwortlich. Kurze politische Umschau. Die Frage über Ein- oder Zweikammer system ist in der zweiten sächsischen Stän det am mcr entschieden worden. Es bleibt vor der Hand bei zwei Kammern, doch soll die I. Kam mer anders zusammengesetzt werden und gleichsam als ein Senat der Alten ebenfalls aus der Wahl des Volks hervorgehen. Man hörte dabei wunder liche Ansichten, v. Abendroth hielt das sächsi sche Volk (wenn wir nämlich nur Eine Kammer hätten) möglicher Weise für so dumm, daß es nur besitzt o sc Jüngli n g c, removirte und suspcndirte Advokaten und Almo sen empfänger zu sei nen Vertretern wählen werde, vor deren Ent scheidung, ebenfalls wieder möglicher Weise, die Regierung znrücktrcten müsse. Lenncr nannte da gegen die 1. Kammer das Nest, in das die Ncac- tion ihre Basitiskcneicr legen werde. — Wenn wir nun niemals in Zweifel darüber gewesen sind, daß der Besitzstand auch in Einer Kammer und bei direeten Wahlen auslangend vertreten sein werde, weil eben Jeder dafür sorgen wird, daß er so gut als möglich vertrete» sei, so müssen wir diese aber malige halbe Maßregel nur aufrichtig bedauern. Die B esitzenden werden immer in die Landes vertretung kommen, weil eben der Einfluß des Ran ges und Geldes nie auszuschließen sein wird. Daß freilich Geist, Sachkenntniß und Volksthümlichkeit auch dazu gehören, das versteht sich von selbst, aber davor braucht sich der Besitzstand doch nicht zu fürchten. — Den brieflichen und Zeitungsnachrichten, wo nach die R u sse« gegen Deutschland und Frank reich rüsten und marschiren, wird von den preu ßischen Ministern auf mehre an sic gerichtctc An fragen widersprochen. Die Russen sollen näm lich gegen Deutschland keine feindseligen Absichten hegen. Nun, desto besser für sie und desto Lesser auch für uns, d. h. für die Sache der Menschheit und des vernünftigen Fortschritts. — Laut Leipz. Zeit, soll in Berlin die Republik große Fort schritte machen und zwar selbst Lei Denen, Lie sonst der Constitution anhingcn. So haben die Berliner Republikaner eine Adresse an die Frankfurter Na tionalversammlung erlassen, in welcher die Einberu fung Heckers und die Begnadigung der, bei der neulichen Schilderhebung in Baden Verhafteten ver langt wird. Sie fodcrn ferner die Nationalver sammlung auf, den Badensern zn gestatten, sich eine ihnen beliebige Staatsform zu wählen. — Mit der Ruhe in Prag sieht es etwas zwei felhaft aus. Können es die nicdern czcchischen Volksklassen durchsetzen, so scheinen sic noch gar nicht abgeneigt, den Deutschen eine Bartholomäus nacht zu feiern. Wir hoffen indcß, die Deutschen, die ja in Prag die Mehrzahl bilden, werden die Hände nun auch nicht mehr in die Tasche stecken und sich nicht allein auf den Fürsten Windischgrätz mit seinen Kanonen verlassen. Wer sich selbst ver läßt, ist verlassen. Sehen die Czcchen einen acht baren und muthigen Gegner vor sich, nun, so wer den sie auch mit sich reden lassen, wogegen Feigheit des Gegners ja den Zaghaftesten keck macht und zaghaft sind Lie Slaven nicht. Die Deutschen in Prag mögen nicht vergessen, daß nur, wer, wie die Pariser Nationalgarde, muthig nnd entschlossen Gut und Blut für die Sache der Ordnung und Freiheit einsetzt, heutzutage noch Anspruch auf die Achtung