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rung des Landes mit Gewalt zu andern. — Ein entsetzlicher Aufstand tobte durch Paris, auf der einen Seite fochten die Arbeiter, Gesellen u. s. w., auf der andern die Bürger, die Regierung durch Linienmilitair und Nationalgarde. Trotzdem war am 24. Abends das halbe Paris in den Händen der Aufständischen- Sie hatten bis dahin mit stürmender Hand Geschütze erobert, waren wohlbe- waffnet und halten cmcn Theil der mobilen Nalio- nalgarde und sogar der Linie auf ihre Seite gezogen. Der Kanonendonner — eine Unzahl gewaltiger Barrikaden war errichtet worden — war furchtbar und eine Anzahl Gebäude wurden eingeschossen, ohne daß etwas entschieden gewesen wäre. Wie den Arbeitern ihre Genossen von auswärts zuström ten, also auch bekam tue Nationalgarde aus der Nachbarschaft Zuzug und so ließ sich eine Verlän gerung des Kampfes voraussehen. Die Aufständi schen führten in ihren Fahnen die Inschrift: „Brod oder Tod!" Ihre Zahl belief sich auf 60,000, die, wie schon gesagt, in den von ihm» besetzten Stadllheilen auf das Beste verbarricadirt waren. Sic verlangten Barbes, Peter Leroux und andere Vertreter der communistischen Staatslehre in die Regierung und für Frankreich eine Republik, in dec alle Klaffen des Volkes gleiche Berechtigung und Vertretung finden, mithin eine ganz neue Ord- nung der Dinge. Sie nennen dies eine demo- cratisch.socialistische Republik. — Um Ein heit in die Maßregeln der Regierung zu bringen, hatte man einstweilen alle Rcgicrungsgcwalt in die Hände des Generals Cavaignac gelegt, ohne daß jedoch die Nationalversammlung ihrer höchsten Ge walt und Eouverametät sich begeben hätte. Die Aufständischen, furchtbar in die Enge getrieben, wollten lange Zeit von keiner Capitulation hören; sie hatten ihn Frauen, Kinder, selbst Greise bei sich und geschworen, Alle zu sterben. Von Seiten der Regierung fing man an, alle Aufständischen, die mit den Waffen in der Hand gefangen wurden, sogleich ju erschießen. Aber auch diese gaben keinen Pardon mehr, und besonders die Soldaten der mobilen Nationalgarde wurden sogleich niedcrgehauen und mit ihren Körpern die Barrikaden erhöht. — So wahrte einer der entsetzlichsten Slraßenkampfe, die wohl jemals stattgefunden, bis zum 26. Juni 2 Uhr Nachmittags. Die Zahl der Tobten und Verwun deten auf beiden Seilen war ungeheuer. Nachdem eine Menge Generale und höhere Offiziere, ja selbst der Erzbischof von Paris, der sich, um den Frieden zu vermitteln, zu den Insurgenten begeben hatte, von einer Kugel in den Unterleib getroffen am andern Tage seinen Geist aufgegeben — nach dem die bewaffnete Macht die ungeheuersten An strengungen gemacht, des Ausstandes Herr zu wer den, so daß z. B. von einer 150 Man starken Compagnie 7 Mann übrig blieben, unterwarfen sich endlich die Arbeiter und räumten selbst die Barrica- den weg- — In der Sitzung dec Nationalver sammlung am 27. v. M. wurde ein Decrel vor- gcschlagen, wodurch 1) alle Chefs, Anstifter und Leiter der Jnsurrcction, die Geld vertheilt, Cemman- dos geführt, von den Kriegsgerichten nach der Strenge der Gesetze gerichtet werben. 2) Alle bloßen Kämpfer, Bacrikabcnbauer und Theilnehmcr der Jnsurrcction werden nach den französischen Besitzun gen, mit Ausnahme der des Mittclmceres, depor- nct. — Nach einer lebhaften Debatte schien die Annahme des Decrets außer Zweifel zu sein. Die Todesstrafe. Der deutsche Vaterlands-Verein zu Tharaud hat folgende in einem Exemplar, an die National versammlung zu Frankfurt, im andern an die Stän- Lcvcrsammluug unsers Vaterlandes gerichtete Petition abgescndct: Wir klagen das vergangene Jahrhundert bitter an, daß es noch Lie Menschen von Rechtswegen martern ließ, um aus ihnen Geständnisse herauszu pressen. Das kommende Jahrhundert wird uns richten darum, daß wir mit dem Schwerte der Gerechtigkeit denen zur Strafe den Kopf abschlagcn lassen, welche ihre sittliche Verirrung bis zu einem Verbrechen ausbildcten. Der nächste Zweck des Staates ist die Aufrccht- haltung der Rechtsordnung. Es ist aber nicht der einzige. Es gicbt noch einen umfassenderen, erhab neren. Er ist: die Beförderung geistiger und sitt licher Vollkommenheit. Kann nun aber, so fragen wir, eine Strafe rechtmäßig sein, welche diesem höhe ren Zweck des Staates so ganz widerstrebt, darin, daß sie den Verbrecher durch die Hinrichtung der Segnung sittlicher Wicdcrcrhcbung und geistiger Vervollkommnung gänzlich und auf immer entzieht? Nimmermehr. Was man auch zu ihrer Vcrthcidignng Vorbringen mag, die Todesstrafe ist und bleibt ein verwegener, unter Ueberschreitung der strafrechtlichen Bcfugniß, begangener Eingriff in die alleinigen Rechte dessen, der den Völkern wie dem einzelnen Menschen die Bahne» vorgezcichnct bat, welche sic wandeln sollen. Die Vernunft erkennt als einzige Grundlage der Staaten den Vertrag an. Es unterwirft sich hiernach Jeder, welcher in den Staatsvcrband ein- rritt, gleichsam Vortragsweise den Gesetzen des Staates. Demzufolge wird nun zwar auch von demjenigen Staatsbürger, welcher ein Strafgesetz überschreitet, angenommen werden müssen, er habe sich dem Straf übel, das ihn deshalb trifft, gleich von vorn herein selbst schon unterworfen; — allein, fragen wir wicdcr- wer gicbt Leun dem Einzelmcnschcn das Recht, der freien Verfügung über sein Leben? Ist der Selbst mord, wenn er auch nicht dem Criminalgcsctz ver fällt, ist der Selbstmord etwa vernünftig und sittlich erlaubt? Wenn er aber das nicht ist, und wenn dem Menschen im Allgemeinen die Herrschaft über sei» Leben nicht zustehl, so ist er auch nicht berechtigt, mit einem Dritten, und wäre es der Staat selbst, einen Vertrag einzugehen, der möglicher Weise sein Dasein aufhcbt. Das ist dann gegen die Vernunft wie gegen Lie Moral, und wir müssen jedem Staate das Zeugnis; eines wahrhaft gebildeten, wie cincS 27*