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211 Bestreben wir uns also, diesem Ideale, welches wir dei unserer Unvollkommenheit niemals errei chen können, immer näher zu kommen. Dadurch ,Verven wir selbst offenbar nur gewinnen und das Wohl des Staates, dessen Glieder wir sind, be fördern. Weil wir aber eben als unvollkommene Men schen unter unvollkommenen Verhältnissen, immer noch weit entfernt von jener wümchenswcrlhen, idealen Vollkommenheit bleiben werden und müssen, so wollen wir, da wir nicht in Idealen, sondern in der Wirklichkeit uns zu bewegen genölhigt sind, fest an derjenigen Staalsform halten, welche im wirk lichen, practlschcn Staatslebcn erfahrungsgemäß zur größtmöglichsten Vollendung gebracht werden kann, und das ist eben die konstitutionelle Mo narchie." — Dieß der wohl nicht füglich zu verken nende Sinn der angegriffenen Worte, über wel- chen übrigens der Frager — welcher doch jedenfalls persönlich gegenwärtig gewesen ist — sich sofort in der Versammlung auf dem Wege der freien Be sprechung die gewünschte Aufklärung hatte verschaf fen können. Dadurch, daß er dieß nicht gethan, .ja, daß er nicht einmal für gut befunden hat, sich am Schluffe seiner Bitte zu nennen, hat er bewiesen, daß er entweder sich seiner Anfrage selbst geschämt hat, oder der freier», polnischen Bewegung der neuesten Zeit fremd geblieben ist, welche vor Allem -Offenheit und Ehrlichkeit im leiden schaftslosen Kampfe für und wider politische Ansichten gebietet. Nossen, den >7. Juni 1848. Adv. Leonhardt. Aus Nossen. In No. 4. des ohnlangst entstandenen Wo chenblattes für Stadt und Amtsbezirk Nossen ist ein an mich gerichteter Artikel mit der Ueberschrift „Bitte umErklärung" erschienen. Ich würde diese Provocation gänzlich ignorirt haben, theils weil sie mir das Erzcugniß der Epeculation zu sein scheint, theils weil der Fragsteller nicht den Muth gehabt hat, seinen Namen zu nennen, und endlich weil er mich nicht, wie ihm srei stand, inmitten der Volksversammlung am 9. Juni d. I. zur Erklä rung aufgefordert hat, wo ich die gesprochenen Worte noch im frischen Gedachtniß haben mußte, und wo ich im Angesicht einer sehr zahlreichen Ver sammlung der mangelhaften Auffassung des Frag- stellers sofort zu Hülfe kommen konnte. Nachdem ich aber vor wenig Tagen in der Nachbarsiadt Siebcnlchn leider in Erfahrung gebracht, daß jener Artikel bereits verderbliche Wirkung hervorgcbracht, daß er nicht nur mich, sondern auch die Sache selbst, die ich vertheidiget habe und fortan mit allen meinen besten Kräften vcrtheidigcn werde, in den Augen mehrerer meiner Mitbürger verdächtiget Hal; so ertheile ich bie begehrte Erklärung in Fol gendem : „Die jetzigen republikanischen Be- strebuttge» sind eni Krebsschaden an — (nicht „i n", wie der Fragsteller geschrieben hat) — der bürgerlichen Gesellschaft;" — diese Behauptung habe ich ausgestellt und beharre noch heute dabei, 1) weil diese Bestrebungen bei weitem von den Meigen vör -Agitatoren aus selbstsüchtigen und des halb verwerflichen Absichten geltend gemacht werden, 2) weil die allermeisten Führer der republikani schen Partei in der Wahl ihrer Mittel sehr unbe denklich zu Werke gehen, und selbst eine Menge be zahlter, ichlechter Subjecre >m Lande herumsenden, welche durch Verbreitung schamlos erdichteter That- sachen den Saamen der Zwietracht zwischen Regie rung und Volk streuen und auf diese verabscheu« ungswürdige Weise Zuzug für ihre Partei zu er langen wissen, 3^ weil das Treiben der republikanischen Agita« toren (einige edle, für eine ideale, aber für uns unpracrische Staatsverfassung begeisterte Charactere ausgenommen) einer weitverzweigten Propaganda angehört, deren Sitz und Ursprung in Polen und Frankreich zu suchen ist, und die nichts eifriger wünscht, als allgemeinen Umsturz mit Ueberschrei- kung aller gesetzlichen Schranken, 4) weil durch dieses verbrecherische Treiben einer an Fanatismus und Eifer sehr starken Partei Un zufriedenheit und Bangigkeit unter den Gcwerbtrci- bcnoen vermehrt und die Wiederkehr des so unent behrlichen Kredits, mithin die Verbesserung der Lage aller Arbeitenden immer weiter hinausgeschobcn wird, ä) weil wir auf diese Weise Gefahr laufen, in Anarchie und Schreckensherrschaft zu verfallen, der Reaction eRückwärtserpartei) in die Hände zu ar beiten und die errungene Freiheit wieder einzubü» ßen — eine Befürchtung, die auf dem Bo» den der Geschichte ruht, — und zuletzt tt) weil es verbrecherisch ist, einen Zustand her» beizuführcn, durch welchen die nach der Verfas sungs-Urkunde vom 4. Sept. 183t. § 3. und 4. dem Könige zustehenden Rcgierungsrechte im ver fassungswidrigen Wege wieder aufgehoben werden sollen, — weil es ein Schandfleck für die deutsche Treue ist, den dem Könige und der Landesverfas sung gcschwornen Eid zu brechen. Ich habe ferner die Behauptung ausgesprochen, „die republikanische Verfassung eignet sich für Völker, die sich noch im natur wüchsigen Zustande befinden." - Auch diese durch die Geschichte vollkommen ge rechtfertigte, vom Fragsteller im Nossener Wochen blatt« aber nicht wortgetreu referirtc Behauptung werde ich so lange nicht zurücknehmen, als mir nicht in überzeugender Weise mein Jrrthum nach- gewiesen worden ist. Ich habe meine Gründe da für öffentlich ausgesprochen und verweise hier kürz lich nur auf die Umtriebe, welche den ohnlängst stattgefundcncn Wahlen der für die Deutsche Na tionalversammlung bestimmten Deputieren voraus- gingcn, und auf die zum Theile verwerflichen Mittel, welche, um einen Platz in der Paulskirche in Frank- furt zu vindiciren, von verschiedenen ultraradstalen