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135 jekt, trst etwas für Andre Vorhandenes, Acußcrliches werden; gerade wie Gewissensfreiheit nimmermehr cs mit den im Innersten des Menscheugcistes keimen den .Gedanken z» thn» hat, denn die können nicht der Gegenstand der Befreinng sein, ebensowenig, als wir der Sonne zu lcnchtcn erlauben können. Es ist mit der Vaterlandsliebe, also dem ächten Liberalismus, mit Nichten anders, als wie mit jeder Liebe, oder vielmehr als mit der Einen Liebe kurz weg. Edle, reine Liebe thut, was an ihr ist, daß der geliebte Gegenstand besser, vollkommncr und seine Lage demgemäß möglichst glücklich werde. Wahre Liebe ist in Beziehung zu ihrem Gegenstände nie und keinen Augenblick unthätig, sic handelt. Kann nun Der sein Vaterland lieben, Der sich um dessen Befinden, dessen Mängel nie bekümmert? Der die Mittel, die ihm Vernunft- und gesetzmäßige Berech tigung gewährt, nicht anwcndet, fort und fort sich i hei der Vervollkommnung seines Volkes zu bcthci- ligc»! und, da hier das Handeln dnrch Vernunft und Gesetz sehr eingeschränkt ist, wenigstens für sein Volk empfindet und spricht? Wird nicht für Jedwcden, der Urtheil und Beobachtungsgabe hat, die Vorlesung der Zeitge schichte gehalten! Hierin liegt aber dieQuint- essenz unsrer deutschen politischen Zu stände: die Einen wollen und die Andern sollen in dieser Vorlesung Nichts lernen. Was ist cs aber anders, als Selbsttäuschung, bittre Selbsttäuschung oder Vermessenheit, Einen zu gebie ten, daß er zu denFüßen cincs g ew a ltig cn Lehrers Nichts lernen solle, oder daß er, was zu lernen man ihn nicht hindern konnte, i n seinem Innern vergrab e? Und gelänge cs — leider gelingt cs bci gar Viele» —, was Andres wird dadurch gefördert, als bittrer Groll oder stumpfsinnige Untcrthänigkcit? Für de» selbstständigen Karaktcr gibt es keinen uncrfrcnkichercn Anblick, als einen sonst achtbaren und tüchtigen Mann ohne eigne Meinung; einen Anblick, den man unter den Staatsdiencrn selbst der höchsten Stufen in Deutschland tausendfältig haben kann. Es ist ein bcwcincnswcrthes politisches Armuths- zeuguiß, was jetzt Tausende täglich sich dadurch aus- stellcn, daß sie ciu offnes, freies Wort als ein Wun der von Kühnheit anftanncn. Es ist aber auch zu gleich ciue Verunglimpfung der Regierungen, die dadurch als Häscher jeden freien Wortes verdächtigt werden, was sie gewiß nicht sind. Leider haben Lie meisten Staatsdiener keine Worte für ihr Volk. Wein fällt da nicht die Stelle in des mannhafte» K. B. König zu Andcrbcck „Herr Hengstenberg anrrn 1845" S. 21 ein: „Ihr Professoren auf Deutsch lands Hochschulen, wo steckt ihr denn? Liebt Ihr die Ruhe als das Höchste? Ddcr scht Ihr diese mächtige Bewegung der Geister für so unbedeutend «n?" , Ich meinerseits bin keinen Augenblick in Zwci- darüber, daß ich als Staatsdiencr meines Amtes mit Gewissenhaftigkeit zu warten, daß ich Dicnstgc- horsam und Achtung meinen Vorgesetzte» z» erwei st» habe; ich bin aber ebenfalls keinen Augenblick in Zweifel, daß mein Interesse nimmermehr von dem des gcsammtcn Volkes abscit liege; daß ich mit je dem Menschen die Berechtigung theile, mein Urtheil mir unabhängig zu bilden und frci zu äußern. Nicht daß ich schon jemals daran irgendwie ge hindert worden wäre! Das ist ja aber eben jene StaalLLicncrschmach, Laß sic sich nicht als Lenkende, freie Arbeiter, sonder» als willenlose Sklaven ver kaufen, was man gar nicht verlangte. Es gicbt für einen Staatsdiencr, der mit dienst licher Pflichttreue, und, wenn er ein sogenannter Gelehrter ist, regem Eifer für seine Wissenschaft, Liebe für sein Volk zu verbinde» weiß, nichts Nieder- drückenderes, als die Warnungen an Las Volk, ihre Vertreter nicht aus den Staatsdicnern zu wählen, denn sie stellen die Staatsdiencr als Lem Volke präsumtiv feindselig dar. Aber dieser höchsten Ehre, die ein Staatsbürger erreichen kann, dieser habe» sich Tausende von Staatsdiencrn selbst verlustig gemacht! Das Erhebende Les Staatsdienstes, für seines Vol kes Interesse im ausdrücklichen Auftrage zu arbeiten —. ein Vorzug, den wir vor dem NichtstaatSdiencr voraushaben —, und dabei mit Herz und Sinn, mit Gut und Blut dem Volke auzugchöreu — Das keimt so mancher Staatsdiencr nicht, Ler, mit seiner Besoldung noch nicht zufrieden, um jedcn Preis »ach jedem Lächeln hascht. Je mehr aber das Gefühl für gesetzliche Frei heit und Recht sich über die einzelnen Glieder deS Volks ansbrcitet, und je mehr vou dem Absolutismus dem Volke politische Berechtigung streitig gemacht wird, wag ihm nur unter Bcihülfe Ler Staatsdic- ncrkastc gelingen kann, je länger also dieser peinli che, gespannte Opposizionsznstand dauern wird, de sto feindseliger muß sich Lie Stimmung zwischen Volk und Staatsdicnern ausbildcn. Dieser traurige Zustand wird überall da am Entschiedensten cintre- tcn, wo eine gesetzlich weniger garantirtc Stellung der Staatsdiencr stattfindet (in Baden z. B. in den ersten fünf Jahren unbedingt widerruflich augcstcllt und zu jeder Zeit fast uneingeschränkt »ersetzbar). Dian lese nur z. B. in badcnschcn Blättern, wie von dort ein kaltes, thcilnahmloscs Sichzurückzichen der Staatsdiencr von den unschnldigste» Volksver sammlungen als etwas bereits gar nicht mehr Auf fallendes berichtet wird; wie in der Ständcvcrsamm- lnng fast ohne Ausnahme Lie Staatsdiencr unbe dingt miuistcricll sind. Aeußcrc Behaglichkeit Les Staatsdicncrs einerseits und möglichste Abhängig keit desselben andrerseits (erstere durch letztere käuflich) werden und müssen bei steigender politischer Bildung des Volks zuletzt Volk und Staatsdieiicr in zwei geschiedene Klassen sondern. Man sagt oft, das Jn- tercsscnehmcn an den politischen Ereignissen verküm mere dem Staatsdiencr dcn ruhigcn Eifer für sein Amt, er habe sich unr und mit allem<Eifcr diese»! allein zu widmen. Das Erstrc gebe ich zu, das Andre nicht. Gegen jenen erste» llcbclstand (er ist es) gicbt cs in unserer Zeit des mächtig erwachten, wenn auch immerhin verketzerten Bewußtseins, nur ciu Mittel: dein begründeten Verlangen des Fort- 17»