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Wilsdruffer Tageblatt I 2. Blatt Nr. 252 — Sonnabend, den 27. Oktober 1934 I Wir folge« . . . Dunkler steigen die Nächte kommenden Winters empor, stärker als finstere Mächte ist unseres Glaubens Chor: Wir helfen opfernd allen! Auf Brüder alle zu Hauf! Ihr, die Ihr für uns gefallen Euer Opfer loht flammend auf! Wir folgen, wir helfen wenden, was Not übers Land noch fegt, wir werden gemeinsam enden, was Schicksal uns auferlegt. Stärker als alle Nöte ist unsere unbändige Kraft, die letzter Nacht Freiheitsröte für unseren Morgen schafft! H. Schm. Innerer Ausbau. Brot statt Steine. — Neue Steuermoral im neuen Staat. Unser Führer und Reichskanzler Adolf Hitler hat so oft in seinen großen Staatsreden, man darf sagen: mit Recht gefordert, das Anzano „solle uns in Ruhe lassen"! Das ist doch eigentlich das mindeste, was Deutschland, was sein Führer verlangen kann in einer Zeit, da jedes Land sozusagen vor seiner eigenen Tür mehr als genug zu kehren, also eigene Sorgen in Hülle und Fülle zu bearbeiten hat. Wenn man sich aber draußen so auffallend viel mit Deutschlands nationalsozialistischem Regime und der von ihm geleisteten Arbeit beschäftigt, diese kritisiert oder — allerdings sehr selten — in ihren Erfolgen anerkennt, dann merken es die eigenen Lands leute viel weniger, daß man — sehr viel häufiger — dort draußen so manches nachahmt, was der böse deutsche Nationalsozialismus, wenn vielleicht auch nicht ersonnen, so doch mit der ihm eigenen Energie durchgeführt hat. Besteht doch z. B. überall in der Welt die schwere Not der Arbeitslosigkeit. Aber während man im Aus land unter dem Einfluß der Emigranten Zeier und Mordio schrie, die deutschen Arbeitslager seien nichts weiteres als militärische Ausbildungsstätten — auch die Saarregierung tutete in dieses Horn —, hat man überall im Ausland, vor allem in Amerika und England, das in Deutschland tatsächlich verwirklichte Prinzip des Arbeitsdienstes nachgeahmt. Ohne aber den ethischen Sinn des kleinen Wortes „Dienst" zu würdigen! Ohne jenes andere Wort in seiner ""fften Bedeutung zu erkennen und zu erfassen, das über dem ersten „Tag der Arbeit" stand, am 1. Mai des neuen Reiches: „Ehret die Arbeit!" Darum haben auch diese Nachahmungen im Ausland nicht den Erfolg erzielen können, den Deutschland bei der Wiederbeschäftigung der Arbeitslosen nun auch im September zu verzeichnen hatte, — sogar im Sep tember, obwohl in diesem Monat schon die „Außen berufe" ihre Arbeit einzustellen begonnen haben. Nein, sie sollen uns in Ruhe lassen, aber — sie sollen es uns erst nachmachen, daß dieses viel verlästerte nationalsozialistische Regime seit dem Höchststand des Wirtschaftselends 4,1 Millionen Arbeitslose wieder wirklich in Lohn und Brot gebracht hat, sich die Zahl der Erwerbstätigen seit dem um mehr als ein Drittel vermehrte! Das sind keine „irgendwie beschäftigten" Arbeitslosen, sondern das ist eine Zahl, die die bei den Krankenkassen ver sicherten Angestellten und Arbeiter wiedergibt, — eine Zahl also, an der sich nicht drehen und deuteln läßt! Daß seit dem September des Vorjahres „nur" 1,7 Millionen Arbeitslose wieder in den Arbeitsprozeß hineingeführt werden konnten, — nun, auch darauf hin zielt ein Wort des Führers, das er neulich mit bitterer Äetonuna aus- k sprechen mußte: „Wir waren schon viel weiter, wenn uns das Ausland nicht so viele Steine auf den Weg werfen würde." So müssen wir das innere Wollen und äußere Werken um so schärfer und — selbstloser in den Dienst des neuen Ausbaues unserer Volksgemeinschaft stellen. Aber nicht mehr aus Zwang, sondern aus innerem Erkennen und Wissen. „Der Staat" ist für uns jetzt nicht mehr das Raubtier, das uns einen Teil des von uns Er arbeiteten entreißen will, und gegen das man sich dahe. aus allen Kräften oder mit List und Tücke wehrt. Und „der- Fiskus" ist nicht mehr die Presse, von der der Staatsbürger wie eine Zitrone ausgequetscht wird! Die neue Einkommensteuer legt dem Ledigen die doppelte Steuerlast auf wie dem Verheirateten oder gar dem mit Kindern gesegneten Familienvater. Das heißt nichts anderes als auch dem Unsympathischsten, was es auf Erden gibt, dem Steuerzahlen nämlich, einen verständlichen Sinn und Zweck zu geben. Turmhoch, fast unfaßbar über dem Erkennen und Wissen des einzelnen, der meist nur die eigenen, vom engen Umkreis beschränkten Aufgaben sieht, stehen die Pflichten des Staates, dieses organisierten Aufbaues der ganzen Nation. Das Wort „S t eu e r m o r a l" hat im national sozialistischen Staat daher einen ganz anderen, einen höheren Sinn erhalten über den Begriff der bloßen „Steuer-Ehrlichkeit" hinaus. Steuermoral — das bedeutet jetzt eine sittliche Verpflichtung, eine innere Bindung zu einem Staat, der in der Erfüllung seiner Aufgaben, der in der Hilfeleistung auch für den letzten seiner Volksgenossen nicht mehr ein lästiges „Jch-darf-leider-nicht-anders" sieht, sondern eben die Erfüllung und Leistung einer sittlichen, d. h. also aus seinem Wesen erwachsenden Pflicht. Ein liberalistisches Zeitalter schrieb dem Staat nur die Rolle eines „Nachtwächters" zu, — und der hatte dann höchstens auch die Pflicht, die Leichen jener hinaus zubringen, die im ungeregelten Kampf ums Dasein sich verschuldet oder unverschuldet als zu, schwach erwiesen halten. Heute aber heißt es z. B. „Deine Hand dem Handwerk!", — wäre so etwas in der Zeit des Libe ralismus möglich gewesen? Damals durfte das Hand werk mitsamt dem ganzen Mittelstand schlankweg zum Leusel gehen, wenn sie im Kampf ums Dasein als Teile des deutschen Polkes in Not und Bedrängnis einfach im Stiche gelassen wurden! Und wenn jetzt die Einkommensteuer- tabelle einem jeden nicht bloß zeigt, wieviel er an Steuer zu bezahlen, sondern daß er, namentlich der Ledige, eine nicht leichte Steuer zu tragen hat, so soll er wissen, daß er diese Last auf sich zu nehmen hat, weil der neue deutsche Staat bei seinem inneren Auf- und Ausbau eben nicht nur deutsche nationale, sondern auch — viel leicht noch mehr — deutsche sozialistische Aufgaben erfüllen muß, wenn er nicht sein Wesen verleugnen will. Wer über die Steuerlast stöhnt, der mag daran denken, daß dieser Zweck des nationalsozialistischen Staates viel härtere Ansorderungen als früher an den einzelnen stellen muß, weil dieser einzelne nichts ist ohne die Gemeinschaft, ohne den Staat, er selbst nur in diesem Staat feine Daseinsberechtigung besitzt und seinen Daseinszweck er füllen kann. Ohne diesen „inneren Ausbau" des einzelnen wäre es unmöglich, auch den des ganzen Volkes zu er reichen. Dr. Pr.. Oiplomatenempfänge im Heichspräsidenienhaus. Die Vertreter Sowjetrutzlands, Südafrikas und Kubas beim Führer. Der Führer und Reichskanzler empfing den neu- ernannten sowjetrussischen Botschafter, Jakob Sacharje- witz Suritz, zur Entgegennahme seines Beglaubigungs schreibens. Der Empfang fand im Hause des Reichspräsi denten statt. Danach empfing der Führer und Reichskanzler den neuernannten Gesandten der Union von Südafrika, Dr. S. F. N. Gie, sowie den neuernannten kuba nischen Gesandten, Dr. Aurelio Fernandez Concheso, zur Entgegennahme ihrer Beglaubigungsschreiben. Die Vereinfachung der Einkommensteuer. Wieviel habe ich zu zahlen? Dem neuen Gesetz über die Einkommensteuer sind zwei Tabellen beigcfügt worden; die eine von ihnen zeigt die Steuersätze der veranlagten Einkommen st euer, die andere enthält die L o h n st e u e r s ä tz e. Diese ist ge gliedert nach dem Monatseinkommen, jene nach den Jahreseinkünften des zur Einkommensteuerveranlagung Verpflichteten. Und schließlich zergliedern sich beide Tabellen nach dem Familienstand. Das Wichtigste an diesem neuen Einkommensteuer gesetz ist nun, daß es neben dieser Neichseinkommen- steuer keinerlei Zuschläge irgendwelcher Art und irgendwelcher Zweckbestimmung mehr gibt. Es fallen also die bisherige „Ehestandshilfe der Ledigen" ebenso weg — wovon übrigens ein Blick in die Steucrtabellen selbst sch >n unterrichtet — wie die Arbeitslosenhilfe fort. Diese früheren „Einkom mensteuerzuschläge" sind hineingesetzt worden in die neue „Einkommensteuertabelle". Es bleiben aber doch noch zwei „Steuerzuschläge", die allerdings mit dem Reichs- siskus nichts zu tun haben: das sind die Kirchen- und die B ü r g erst eu er. An und für sich würde man nun aus der Einkommen- bzw. Lohnsteuertabelle ohne weiteres ablesen können, wie viel Steuer man zu bezahlen hat. Denn diese Tabelle gilt in ihrer ganzen Einfachheit für die Besteuerung des wirk lichen Einkommens; der Steuerzahler kann also dabei nicht etwa das „steuerfreie Einkommen" ab ziehen, sondern die Berücksichtigung dieses Einkommens teiles ist bei der Aufstellung der Steuertabelle bereits be rücksichtigt. Dagegen sind bei der Feststellung des wirk lichen Einkommens wi-e bisher die sogenannten „Wer- bungskosten und Sonderausgaben", also „Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhal tung der Einnahmen", wie es im neuen Gesetz heißt, abzusehen. Dazu gehören z. B. Beiträge zu Berufsständen und sonstigen Verufsverbänden, Fahrkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, ein Betrag von fünfzig Mark pro Monat für jede Hausgehilfin, die Steuern für öffentlich-rechtliche Körperschaften, Versicherungen, Bausparkassen u. a. m. Was also nach Absetzung dieser „Wer bung s k o st e n und S o n d e r a u s g a b en", für die es natürlich eine obere vom Gesetz festgelegte Grenze gibt, dann noch an Einkommen vorhanden ist, — das eben ist jenes Einkommen, von dem man nun laut Tabelle die Einkommen- bzw. Lohnsteuer zu bezahlen hat. Ehrenstandartenführer Hellvoigt -st. Ein alter Kämpfer der nationalsozialistischen Bewegung, der SA.-Mann Walter Hellvoigt, ist jetzt den Verletzungen erlegen, die ihm Kommunisten im Jahre 1930 zugefügt hatten. Er war einer der frühesten Mit kämpfer Adolf Hitlers, und wurde wenige Stunden vor seinem Hinscheiden zum Ehrenstandartenführer der Standarte Horst-Wessel ernannt. ver Iori suk »oksnknsri Koman von Kurt blartl -Alo Loobts vordoüalten. — dlaobäruok verboten »6 LopMgbt VoriaZ „bleues lieben Na^r Ematn »Offenliegendere Dinge?" Max Jobst sah sie überrascht an. Auch Egon Gerdahlen fragte. „Ww meinst Du das, Sigrit?" »Nun, z. B. würde ich den Spuren c .... üruno Dauer nachgehen." »Bruno Bauer?" Frau Gerdahlen staunte. „Aber was hat denn dieser Mensch mit der Ermordung Onkel Joachims zu tun? Bruno Bauer hat seinen Onkel Otto Müller ermordet. Aber sonst?" „Dielleicht ist er auch der Mörder Onkel Joachims!" »Er?" Egon Gerdahlen lächelte leis. „Das ist aber schon eine gewagte Hypothese, Sigrit. Ich wäre froh, wenn jener Mensch auch diesen Mord begangen hätte. Dann wäre ja Albert sogleich befreit. — Aber seht einmal an, es besteht doch so gar kein Zusammenhang zwi schen beiden Verbrechen." Sigrit beharrte. „Vielleicht doch!" Max Jobst fragte eifrig. „Und welchen Zusammenhang meinen Sie?" Eie sah ihn kühl, abweisend an. „Das sollten Sie feststellen. Sie sind doch Detektiv." Frau Gerdahlen fragte: „Ja, aber du mußt doch durch irgend etwas zu dieser Schlußfolgerung angeregt worden fein, Sigrit. Willst du uns darüber garnichts sagen? Gab es irgendwie Ursache, die dich auf diesen Gedanken brachte?" „Ja und nein, Tante. — Mir kam es zunächst auch Unmöglich vor, diese beiden Verbrechen miteinander zu ver binden, aber schließlich sage ich mir jetzt immer öfter, daß der Herr Kriminalinspektor Stein vielleicht nicht so unrecht hoben kann." UM „Der Herr Kriminalinspektor?" Sie sagten es alle drei. „Ja, Herr Kriminalinspektor Stein, der den Mord an Otto festgestellt hat." Max Jobst runzelte die Stirn. „Ach, Stein! — Na, der hat sich schon ost genug geirrt!" Egon Gerdahlen staunte immer noch. „Aber wann hat er denn mit dir gesprochen, Sigrit?" „Ich war gestern bei ihm." „Du warst bei ihm?" ^0." Frau Gerdahlen schien erregt. „So, und uns hast du bis heute morgen nichts davon ge sagt?" Wirklich, das finde ich sehr wenig rücksichtsvoll von dir, Sigrit! Ich denke doch, wir kämpfen hier Hand in Hand um Alberts Unschuld. Ich habe jetzt sogar einen Detektiv herausbestellt, weil mir die Kriminalpolizei zu lässig arbeitet. — Und du handelst hinter unseren Rücken. — Das verstehe ich nun wahrhaftig nicht!" „Ich habe ja gar nicht gehandelt." „Na, ich denke doch!" „Ich war nur bei ihm und bat ihn, sich Alberts anzu nehmen." Egon Gerdahlen seufzte. „Da hast du eine Dummheit gemacht, Sigrit!" „Wieso?" „Du weißt doch, wir wissen es alle, daß das Gericht unbedingt an Alberts Schuld glaubt. Also wird auch dieser Kriminalinspektor nicht anders denken! — Nun warst du bei ihm und hast ihn vielleicht gebeten und gebeten, und er wird sich jetzt sagen: Die kommt nur, weil sie Albert Ger dahlen für schuldig hält, und die Angst treibt sie zu mir! — Das hättest du wirklich nicht tun sollen!" Max Jobst pflichtete ihm bei. „Sehr richtig! Wenn Kriminalinspektor Stein sich des Angeklagten Herrn Gerdahlen annehmen soll, dann wird kaum etwas Rechtes dabei herauskommen. Der tunkt ihn höchstens noch tiefer ins Verderben. Kriminalinspektor Stein ist rücksichtslos. Der kennt kein Erbarmen! Und überhaupt," — er blickte beleidigt drein — „dann kann ich ja meine Aufgabe hier auf Hohenfried als beendet ansehen und gehen!" Frau Gerdahlen bat. „Aber Herr Jobst, Sie werden Ihre Tätigkeit hier doch nicht einstellen! Siehst du, Sigrit, das hast du an gerichtet!" Das junge Mädchen kämpfte mit Tränen. „Aber Tante! — In meiner Herzensangst —" „Na ja, Sigrit, ist kann dich selbstverständlich verstehen. Wir sind hier aus Hohenfried jetzt eben alle sehr nervös geworden. — Aber nicht wahr, du sprichst dich von jetzt ah stets erst mit uns aus, ehe du wieder solch einen Schritt unternimmst." „Ja, Tante." Max Jobst knurrte verdrießlich. „Ich möchte doch aber auch von Fräulein Sundborg hören-, ob ihr an meiner weiteren Tätigkeit hier gelegen ist." Sigrit seufzte. „Mir ist ja alles recht. Wenn Sie nur wirklich Erfolg hätten!" „Erfolg? Den werde ich schon haben. Da verlassen Sie sich darauf!" Sigrit erhob sich. „Wir wollen es hoffen! — Tante, ich will ein wenig in den Park gehen." Frau Gerdahlen nickte ihr wieder freundlich zu. „Ja, geh, Sigrit, und versuche, ruhiger zu werden!" Nasch eilte das junge Mädchen aus dem Zimmer. Erst als der tiefe Schatten der hohen Bäume des Hohen- srieder Parkes sie umgab, atmete Sigrit auf. Nur allein sein! — Denken dürfen, denken und immer wieder denken! — Wege suchen, Hilse suchen! — Hatte sie wirklich falsch gehandelt, als sie bei dem Kriminalinspektor war? — O, er war wohl schroff. Gnade gab es bei dem nicht. — Aber sie suchte doch auch keine Gnade! Sie brauchte doch gar keine Gnade! — Nur Albert sollte er befreien! —- Und wenn sie sich selbst opfern mußte — alles, alles, — nur Albert erlösen! — Sie hörte Schritte hinter sich. — Dort kam Egon Keine Ruhe! — Was wollte er von ihr? — Egon Gerdahlen hatte sie erreicht. (Fortsetzuns folgt.)