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chkn später aus den Federn erhebt als andere Menschenkinder, sintemal der Abendverdienst für die Bedürfnisse des Morgens sicher ausreicht. Mit dem nervus i-enuin, der gefüllten Goldbörse in der Tasche, schlendert spater der große Künstler auf einigen Straßen oder der Promenade umher, den Lebensplan für den Tag entwerfend. Wo er sich nur zeigt, bleiben die Vorübergehenden stehen, in anstarrender Bewunderung dem Manne des Jahrhunderts den Zoll ihrer Verehrung darzu bringen, und Einer zischelt dem Andern den Na men des Gefeierten in das Ohr. So schritt einst Casar durch die Straßen des stolzen Rom, an die Siege in Gallien oder Britannien denkend, jeder Zoll an ihm ein Gott; aber nicht reicheren Ruh mes voll ist sein Leben als das des dramatischen Künstlers im neunzehnten Jahrhundert, der an je dem Spielabend einen glänzenden Sieg erringt, während dieses Glück dem ersten Consul der Welt stadt weit kürzer zugcmessen wurde. So schreitet der stolze moderne Eroberer, der Herzen nämlich, weiter durch die Straßen der Stadt, dessen Be wohner mindestens zum dritten oder vierten Theile zu seinen Füßen liegen und verzückten Blickes mit angehaltcnem Athcm nach der Bühne hinauf star ren, sobald er auf den Bretern sich zeigt. Der Gentleman und der reiche Geschäftsmann fühlen sich beglückt durch seinen Umgang, daher geben sie ihm kostbare Feste, deren König er ist, und wetteifern zu Ehren des Gastes in Entfaltung des raffinirtestcn Luxus und möglichster Pracht, denn der moderne Macenas scheut kein Opfer, wenn es gilt, als Beschützer der Künste und Wissenschaften sich zu zeigen. In den Kunsthandlungen und Bilderläden hängt das wohlgetroffene Portrait des gefeierten Künstlers, um reißenden Absatz zu fin den, und das woblthuende Gefühl befriedigter Eigenliebe auf dem Antlitze, verschmäht er selbst es nicht, beim Vorübcrgchcn an den Schaufenstern einen Blick nach seinem zweiten Ich unter Glas und Rahmen zu werfen, während er leise vor sich hinmurmelt: „Ich danke dir, Gott, daß ich nicht bin Dieser oder Jener, der da arbeiten muß im Schweiße seines Angesichts und das harte Lager verlassen, wenn der Tag graut und am Abend einige lumpige Groschen verdient hat, während ich vom Ruhme lebe und den Goldfüchsen, die mir fast ungezählt in die Tasche fliegen. Darum lasse mich bleiben der Abgott des Publikums und noch lange, lange nicht sterben, den Tod auf den Bre tern ausgenommen." — Und also schwinden dem Vergötterten die Tage dahin in Freude und Herr lichkeit, und die Fama verkündet mit weithin schal lenden Posaunenstößen des Künstlers Ruhm in alle Himmelsgegenden. Die vcrehrlichen Theater- directionen Europa's aber wetteifern unter sich in glänzenden Anerbietungen zu Gastspielen, um den allbekannten Mimen oder Sänger auf einige Zeit zu gewinnen. Jeder Monolog, jeder Triller wird mit Gold ausgewogen. Dafür reiten die gastiren- den Künstler dem Publikum ihre alten Parade pferde vor, das heißt: sie treten in Stücken auf, deren Haupt- und Glanzrollen sie schon so oft dargrstellt, daß von einer eigentlichen Geistcsan- strengung wohl nicht die Rede sein kann. Einige Proben und die Paar Stunden, welche die Auf führung der Stücke erfordert abgerechnet, braucht der Gast in keiner Weise geistig oder körperlich thätig zu sein. Dasselbe, was wir nun von dem männlichen Theile der Schauspieler von großem Rufe gesagt haben, gilt auch, und zwar in noch erhöhtem Grade, von dem weiblichen Theile. Die Bewunderung, welche man den Talenten drama tischer Künstlerinnen, namentlich von Seiten der Männer zollt, droht oft nachgerade in Vergötte rung, in eine an Aberwitz grenzende Exaltation übcrzugehcn, an welcher natürlich das Weib auch seinen Tbeil hat. Auch ihnen fließen die Tage dahin wie Milch und Honig, und wenn je einmal ein bittrer Beigeschmack der würzigen Kost sich beigesellt, so haben die Schönen das Gericht sich selbst verdorben und die Schuld keinen An dern bcizumessen. (Fortsetzung folgt.) Die explodirende Baumwolle^ eine der bedeutungsvollsten Erfindungen der Neu zeit, scheint dazu bestimmt zu sein in vielleicht nicht langer Zeit gänzlich an die Stelle des Schieß pulvers zu treten. Man hat bereits an den verschiedensten Orten Deutschlands Versuche damit angestellt und stets die günstigsten Ergebnisse er halten. Wir sind nicht Chemiker und müssen uns daher aller Bemerkungen über die Zubereitung des Baumwollstoffs und die explodirende Umwand lung desselben enthalten, was uns um so leichter wird, als diese Zeilen nicht für Chemiker von Pro fession bestimmt sind und wir uns vorgenommen haben, nur einige Worte den merkwürdigen und überraschenden Erfolgen des chemischen Präpa rats zu widmen. Zuvor theilen wir folgenden Bericht der deutschen Allgemeinen Zeitung au§ Leipzig vom 13. d. M. mit: „Gestern Nachmit tag wurden im hiesigen Schützenhausc und, wie zu bemerken, bei sehr nassem Wetter, wiederholte Versuche über die Wirkung der explodircnden Baumwolle, welche im chemischen Laboratorium der Universität nach dem Verfahren des I1v. Kopp bereitet war, aus Gewehren verschiedenen Kalibers im Beisein von Sachkundigen angestcllt. Militairge- wehre gaben, mit 40 Gran dieser Baumwolle ge laden, einen sehr scharfen Schuß auf 100 Schritt; geringere Ladungen von 14 und 20 Gran erwie- *) Obschon Lieser Artikel Ler Druckerei mehre Wochen zum Abdruck Vorgelegen, s» konnte er Loch aus Mangel an Platz erst jetzt Aufnahme finden. Der Setzer.