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245 bestimmten Kompaßstriche, der auf uns zuzuhalten scheine, folge. Auch habe die Cholera in der russischen Armee am Kaukasus bereits furchtbar gewüthet, und es sei wahrscheinlich, daß die Krank heit durch den steten und lebhaften Berkehr zwi schen dem kaukasischen Heere und dem übrigen Rußland sehr schnell tiefer in dasselbe und folglich bald uns näher werde gebracht werden. — Wer möchte es bestimmen, wie fern oder wie nahe uns der Würgengel in Jahresfrist oder in noch kürzerer Zeit sein werde? Die Zeit der Chvlera- präservativmänner, der Cholerawalzer und Cho leraschnäpse liegt kaum länger als anderthalb De- cennien hinter uns, und wir erinnern uns Alle ganz lebhaft der Tage der bangen Erwartung und der Zeitungsberichte, welche die traurigen Er gebnisse der in den größern Städten, wo die Seuche wüthete, abgchaltencn täglichen Lodten- schau enthielten. Noch ist der gefürchtete Gast sehr weit entfernt von unsern Grenzen, indessen schaden kann es immerhin nichts, wenn man ihm einmal von fern ins düstere Antlitz schaut. Se. Majestät der König von Preußen hat, wie es in den Zeitungen zu lesen bedeutsame Gnadenbewilligungen gemacht, wodurch alle Lehrerstcllcn unter 100 Thlr. auf diesen Belauf gebracht werden sollen. — Warum als einen Gnadenakt bezeichnen, was gewiß nur der Er guß einer moralischen Nöthigung, das Nachgeben an eine liefbegründete Forderung wgr? Wo Gnade ist, da ist kein Recht, und unsere Volkslehrer, wir dächten die hätten ein heiliges Recht für sich, das nur zu lange auf Anerkennung warten mußte. Der Leipziger Hauptverein der G u st a v - A d o l p h- Stiftung hat an alle Mitglieder desselben eine Aufforderung ergehen lassen, Lie mit Hinweis auf die Nvtk fremder Gemeinden um so dringender zu den Sammlungen auffordert, da kein Geld mehr in der Casse sei. Hunderte von Bitten seien cin- gelausen, und „es möchte uns bange werden," sagt der Verein, ,,ob wir genug helfen konnten." Zwar wachse die Zahl Derer, die mit ihm zusam- menarbciteten; es haben sich neue Hauptvereine gebildet (in Gera, Antwerpen und Brüssel), zwar sind neue Zweigvereine entstanden (in Falkenstein und Schlettau), aber die Sammlungen thun auch sehr noth, damit jedes Jahr ein Stück der Arbeit zu vollenden sei. Dem Aufrufe sind ein paar Schreiben aus ungarischen Gemeinden beigegcbcn, das eine aus der Gemeinde Lentschau im nörd lichen Theile Ungarns, der im vorigen Jahre 504 Thlr. geschickt wurden; das andere ein Bitt- schreiben aus der Gemeinde Nagyr-Kikinda, das die große Noth der Gemeinde klagt. — Bon den ungefähr 890,000 Einwohnern des Leipziger Haupt« Vereins haben 80,000 Menschen jedes Geschlechts, Atters und Standes ihre Beiträge gegeben, und es wurden überhaupt im vorigen Jahre 60,000 Thlr. zusammengcbracht. In einem Bicrhause zu Leipzig passirtejüngst Folgendes: Zwei Leute stöberten dachsarlig eine Anzahl Zeitungsblättcr durch. Weshalb? Der Wirth, der seinen Schutzpatron Gambrinus an Weisheit noch übertraf, halte ihnen nämlich alles Ernstes versichert: „daß Ronge zum Papst er wählt worden sei und daß es schwarz auf weiß in den Zeitungen bereits gestanden habe, wie man ihm, milgetheilt." — Es muß auch dumme Leute geben in der Welt und in — Leipzig! Vater unser der Blumen. (Ei ngcsen det.) Es blühen viel Blümlein so wonnig und hold Im wundersüß prangenden Garten, Auf mächtiger Alpe, da glühet ihr Gold, Sie schimmern im Thale, die zarten; Ein lieblicher Engel schwebt über der Au, Er tränket die Blumen mit himmlischem Ldau Und pfleget derselben so freundlich. Wer säte die Blümlein mit liebender Hand? Wer malte des Schmelzes Gestalten? Wer hat den beschützenden Engel gesandt Und lehret den Kelch, sich entfallen? Du Vater des Lebens im Blumcngesild, Du Vater im Himmel, so freundlich und mild, Geheiliget werde dein Name! Wohl weit in der Tiefen Geheimnisse dringt Der Mensch, um sie kühn zu ergründen. Doch nimmer dem forschenden Geiste gelingt, Des Blüthenreichs Grenze zu finden; Denn welken die irdischen Blumen auch gleich, Es blühet und grünet ein himmlisches Reich, Dein Reich, o Nater es komme! Horch, horch! wie der Sturmwind so fürchter lich braust, Nickt wehrt ihm der schützende Engel, Wie grausam durch zartes Gewebe er saust Und knicket die wankenden Stengel. Du Nater, du winkest dem stürmenden Nord, Er brauset daher auf dein mächtiges Wort, Dein Wille geschehe auf Erden. Mit purpurner Seide die Lilien du Des Feldes bekleidest auf's Neue, Die Biene fliegt emsig den blühenden zu, Daß köstlicher Kost sic sich freue: Der Blumen du kleidest, das Bicnlein erquickst, Den Menschen mit höheren Gaben beglückst, Da- tägliche Brod gib uns heute. O duftende Blüthen, die Unschuld sie spricht Mit Macht aus dem farbigen Spiele; Doch trübet die Sünde des Menschen Gesicht, Ersticket der Liebe Gefühl«;