Volltext Seite (XML)
Belgrad, 20. Nov. Nachrichten von dem Kriegsschauplätze zu folge behaupten die beiderseitigen Armeen nach dreitägigen verlust reichen Kämpfen ihre ursprünglichen Stellungen. Das „Journal de St. Petersbourg" bemerkt, daß, wenn König Milan daran festhielte, in Sofia einzuziehen, er diesen Erfolg theurer bezahlen würde, als er hoffe. Das Journal enthält sich für den Au genblick, die sich ergebenden praktischen Resultate zu untersuchen und hebt hervor, das Recht den Verträgen seitens der Balkanvölker Ach tung zu verschaffen, komme nur den Signalurmächten zu, wie dies in der Eröffnungsrede zum deutschen Reichstage ausgesprochen sei. Uebrigens entbehre die Fortsetzung des Feldzugs durch die Serben jetzt — nachdem Fürst Alexander sich entschlossen, Rumelien zu räu men—-jedenvernünftigen Grundes. Vaterländisches. — Dresden, 16. November. Prinz Friedrich August, der älteste Sohn des Prinzen Georg, vollendet am 25. Mai 1886 sein 21. Lebensjahr und wird mit diesem Tage nach der Verfassung volljährig. Von jenem Zeitpunkte an hat er Sitz und Stimme in der hohen I. Kammer und erhält als präsumtiver derernstiger Thronerbe, wie auch aus dem den Ständen vorgelegten Etat auf die neue Finanzperiode ersichtlich ist, einen eigenen Hofstaat. Die Apanage, welche ihm vom 1. Juni 1886 gezahlt werden soll, ist auf 60,000 M. pro Jahr fest gestellt. Die Genehmigung dieses Jahrgeldes durch die Kammern unterliegt keinem Zweifel; die hierbei in Frage kommende Bestimmung der Verfassungsurkunde steht in H 23, welcher lautet: „Die den der- maligen Gliedern des Königlichen Hauses ausgesetzten Apanagen, Wit- thümer und anderen vertragsmäßigen Gebührnisse, Hand- und Gar derobengelder, bleiben, unter Beobachtung der wegen der Secundoge- nitur bestehenden Bestimmungen, aus deren Lebenszeit unverändert und werden in das Budget ausgenommen. Ueber die künftig, unter An rechnung der Secundogenitur, zu gewährenden Apanagen, Witthümer, Heirathsgüter und andere dergleichen Gebührnisse ist mit den Ständen eine feststehende Bestimmung zu verabschieden, welcher nachmals in jedem einzelnen Falle nachzugehen ist, und welche in das Hausgesetz ausgenommen werden soll. Ohne Einwilligung der Stände können diese Gebührnisse nicht verändert und nie durch Ueberweisung von Grundstücken zur Benutzung gewährt werden. Die Entrichtung der selben erfolgt aus den Staatskassen, ohne Zurechnung auf die Civilliste." — Prinz Friedrich August wird vom I. Juni das am Taschenberg gelegene Prinzenpalais beziehen, welches während der letzten Monate bereits einer Renovation unterzogen worden ist. Nach Beendigung seiner Universitätsstudien tritt der Prinz Friedrich August in das Of fiziercorps des altberühmten jetzt in Großenhain garnisonirenden sächs. Reiter-Regiments (1. Husaren-Regiment Nr. 18) ein. — In der am Mittwoch abgehaltenen Sitzung des Landtages betonte Minister v. Könneritz nochmals, daß der Stand der Finanz verhältnisse äußerst günstig sei. Wenn auch der Ueberschuß nicht ganz dem Voranschläge entspreche, so käme er ihm doch so nahe, wie das bei einem zweijährigen Etat nur möglich sei. Er geht hierauf des Nähe ren auf die einzelnen Posten ein. Wesentliche Ueberschüsse haben die Staatseisenbahnen ergeben und zwar über den Etat 590,121,554 Mk., Bad Elster hat zwar ein Minus von 22,790 M., welche durch einen Neubau bedingt sind. Ein Minderergebniß ist ferner zu constatiren bei dem Steinkohlenwerk und zwar theils wegen Rückgang des Ver kaufspreises, diesen Minderergebnissen stehen Mehrergebnisse in der Forstverwaltung gegenüber, welche 1,610,733 M. über den Anschlag ergeben haben, was der aufopfernden Pflichttreue der Beamten zu ver danken wäre. Ferner hätte auch die königl. Porzellanmanufaklur ein Ergebniß über den Voranschlag ergeben, und zwar 191,565 M. Die Einkommensteuer betrage 25,596,608 Mark über den Anschlag, ihre Hebung ist sowohl der Hebung der Erwerbsverhältnisse, als auch der Vermehrung der Erwerbsfähigen zu verdanken. Die Zölle uud Ver brauchssteuern gaben fast dasselbe günstige Resultat, von dem Wachs thum des Volkswohlstandes liefert wohl auch einen Beweis, daß die Schlachtsteuer einen Ueberschuß von 788,000 M. geliefert hat. Indem sich der Minister nunmehr zu dem Etat der Zuschüsse wendet, erwähnt er zunächst die Verzinsung der Staatsschuld, welche 46,509,784 Mark betragen hat. Im Allgemeinen läßt sich hier fast überall ein Minder bedarf constatiren. Die Falschmünzer. Kriminal-Roman von Gustav Lössel. (Fortsetzung.) Nachdruck verboten „Nun und wenn, mein Kind," sagte Wilhelm ablehnend. „Ich habe mich an diesem Gegenstand schon müde geschrieben, und was Du mir noch mehr sagen kannst, darf ich für die Zeitung nicht verwerthen. Der Kommerzienrath könnte sich beleidigt fühlen und die Quelle er mitteln, aus der allein ich schöpfen konnte. Was dann folgte, brauche ich wohl nicht erst zu bemerken." „Für die Zeitung sollst Du auch nichts verwerthen," beharrte Ida, „aber für den Roman, den ich mir denke." Wilhelm schüttelte den Kopf. „Es gäbe ja einen ganz guten Anfang für einen Kriminalroman, der geheimnißvolle Mord in der Schwcdengasse," sagte er, „aber da hört denn auch gleich die Wahrheit auf, und die Phantasie tritt in Thätigkeit. Wo bleibt da Dein Roman aus dem Leben?" „Geduld, mein Freund!" lachte die ein ganz klein wenig ange heiterte Ida. „Du schreibst doch den Roman nicht auf einmal und die Geschichte wird sich noch weiter entwickeln." „Aber wann! Mit dem Verschwinden des rothen Mathies sind die Recherchen zu einem Stillstand gekommen. So lange er nicht aus seinem nassen Grabe aufsteht und sagt, wer seine Mitverschworene ge wesen, wird ein Mensch es nie erfahren; die Schuldige müßte sich denn selber stellen, was sie nach aller menschlicher Berechnung hübsch bleiben lassen wird." „Aber muß denn der rothe Mathies todt sein? Es kann ja nur so eine List von ihm gewesen sein — das umgestürzte Boot; um so mehr Hoffnung durfte er hegen, seinen Verfolgern zu entkommen." Soltmann und der junge Schriftsteller fuhren gleichzeitig halb von ihren Sitzen auf. Das war ein Gedanke! Das junge Mädchen sprach in der Weinlaune aus, woran selbst der Kriminalbeamte noch nicht gedacht hatte. „Sehr gut," nickte Wilhelm beifällig. „Das eröffnet der Erzäh lung aus dem Leben eine Hinterthür. Nun ist aber die Geschichte so glatt. Bei aller Geheimnißlhuerei kommen wir nicht über einen Raub mord hinaus und die Verbündete des rothen Mathies wird auch keine Gestalt sein, welche Verherrlichung in einem Roman verdient." „Verherrlicht soll sie auch nicht werden, und vorläufig hast Du mit ihr ja auch nichts zu thun." ,,Hm, hm, hm," murrte Wilhelm, es muß doch auch ein Bischen Romantik mit Hineinspielen und dann fehlen auch ein paar recht freund liche sympathische Figuren." „Romantik!" sagte Ida, an ihrem Glase nippend. „Auch die ist da. Du weißt, der Kommerzienrath hat auch einen Sohn." „Ja, und ein so liebenswürdiger Charakter wie sein Vater unlie- benswürdig ist. Diesen Mann bringt sein Hochmuth noch einmal zu Fall. Sein ganzes Streben geht nach Rang nach Titeln —" „Papperlapapp," sagte Ida, ihrem Geliebten den Mund zuhaltend. „Von ihm ist jetzt die Rede nicht. Dagegen kannst Du nicht leugnen, daß Eduard Etwold etwas sehr leichtsinnig ist." „Von schlechter Gesellschaft verführt." „In die er sich nicht hätte begeben sollen." „In die ihn der Herr Prokurist des Hauses nicht hätte einführen sollen. Mich erinnert dieser Mensch mit dem Marmorgesicht und den mitunter unheimlich blitzenden, sonst aber recht kaltenMugen an den Aetna, der auch in seinen oberen Regionen von Schnee und Eis um panzert ist." „Du kennst ihn?" „Ich kann ihn leider nicht ignoriren, seitdem Eduard mich einmal mit ihm bekannt gemacht. Ich halte ihn für einen bösen Charakter und großen Heuchler, der eine doppelte Rolle spielt. Erst den Sohn verführen und ihn dann in den Augen des Vaters degradiren, das scheint mir so eine Aufgabe für ihn." „Ob wahr oder nicht, ertheile ihm diese Rolle," erwiderte Ida lebhaft, „und Du hast einen neuen Charakter für Deinen Roman. Aber darum handelt es sich jetzt nicht. Du verlangst Romantik; sie findest Du eben in dem Sohn des Kommerzienraths." „Ach, Du meinst seine heimliche Liebesgeschichte mit der Tochter des weinseligen Nachtwächters König, die beim Theater ist?" „Ruhig, ruhig, das ist eine alte Geschichte — unter uns, denn Eduard Edwold ist Dein Freund und Hedwig König, übrigens auch ein sehr viel versprechendes Talent, meine Freundin; aber diese alte Geschichte, mein lieber Wilhelm, wird neu durch eine heimliche Begeg nung der beiden Liebenden. Und weißt Du wo —?" „In M.?" „Stein, hier." „Eduard wieder hier? Und sein Vater hatte ihn doch wegen seiner leichten Streiche nach M. verbannt?" „Wo er auch noch ist. Er war ja nur heimlich hier, wie Hedwig mir verrieth. Und kannst Du Dir denken, wo sie sich getroffen haben?" „Da ihr Vater mit dem Anbruch der Nacht das Haus verläßt, jedenfalls dort." „Fehlgeschossen! In seines Vaters Haus." „Nicht wahr." „Und doch. Ich habe es von Hedwig ganz ausführlich." „Aber das klingt ja ganz unglaubhaft." „Ist aber wahr und bringt gleich einen schönen Zug von Roman tik in Deinen Roman. Nun höre! Der Kommerzienrath gab doch neulich eine« Maskenball." „In der Mordnacht." „Es ist ja gleichgültig, wann. Und zu diesem erschienen auch — es war ein toller Einfall — Eduard und Hedwig maskirt. Und um nun jede Möglichkeit einer Entdeckung auszuschließen, steckte sich Eduard in Damenkleider — er ging als Polin —, während Hedwig einen Jäger darstellte. Du weißt, ihr ist das Verkleiden von der Bühne her geläufig, und sie versteht sich sehr gut zu benehmen." „Wie alle Damen vom Theater." „In ihres Vaters Haus kleideten sie sich heimlich an, und dort auch fand, natürlich vor der Demaskirung die Wiederverwandlung in ihre natürliche Erscheinung statt." „Und was hatte die ganze Kömödie für einen Zweck?" „Ein toller Streich, an denen Eduard fo reich ist, weiter nichts. Aber was machst Du denn für ein dummes Gesicht? Gefällt Dir das nicht?" „Nein, Ida," entgegnete Wilhelm, „die Geschichte gefällt mir ganz und gar nicht. Das junge Mädchen, das Du Deine Freundin nennst, scheint mir dieser Benennung nicht würdig zu sein." „Warum nicht?" „Weil — nun, findest Du es passend, daß Eduard und seine Braut in ihres Vaters Haus allein —" „Du vergißt, daß Hedwigs Mutter dabei war, die, wenn sie auch dem jungen Etwold sehr geneigt ist, sehr auf strenge Sittsamkeit hält. Immer wenn Hedwig spielt, begleitet sie sie nach dem Theater und holt sie nach der Vorstellung wieder ab." „Mag also hingehen, aber Deine Freundin verleitet Eduard zu Extravaganzen, zum Geldvergeuden. Auch sollte ihre Mutter anders denken, edler, und sagen: „Nein, Herr Etwold, Sie sind nicht für meine Tochter. Ohne Mitwissen Ihres Herrn Vaters —" „Also ohne Mitwissen meines Herrn Vaters", spottete Ida, „werde ich mir mit Ihnen, Herr Ebers, kein Rendezvous mehr geben. Nun, wie gefällt Dir das?" '„Du schlägst mich mit meinen eignen Waffen," lachte Ebers. „Um Gründe seid Ihr Weiber seit Evas Zeiten ja auch noch nie in Verlegenheit gewesen." Ida lachte. „Nun, und wenn Du noch ein Paar sympathische Gestalten haben willst," scherzte sie, nimm uns Beide mit unserem heimlichen Wünschen, Hoffen und Lieben, mit Deinem heißen Streben nach Höherem und Deiner Gefangenschaft in der Alltäglichkeit." „Und dann würde demnach der Roman, in dessen Mittelpunkt wir momentan stehen, noch während seiner Entwickelung von mir geschrie ben werden und gewissermaßen ein Roman im Roman sein. Höre, Ida, Deine Ideen sind wirklich gut; und daher auch wohl Dein Name, den Dir eine überschlaue Muhme in Vorahnung Deiner zukünftigen Bestimmung gegeben." „O, o, Wilhelm!" remonstrirte das junge Müdchen. Jener lachte. Damit war der Heiterkeit noch einmal die Bahn gebrochen, und bald nachher gingen die beiden jungen Leute in angenehmster Stim mung hinaus, dabei gewiß die Einrichtung der Wiener Cafos segnend, welche ihnen gestattete, auf dem Nachhausewege noch ein halbes Stünd chen „unter sich" zu sein. In Soltmanns Brust hatte der zweite Theil der Unterhandlung natürlich eine mächtige Wallung und Wandlung hervorgebracht. Er machte sich jetzt, als jene hinaus waren, mehrere Notizen. (Fortsetzung folgt.) Vermischtes. * Das Jahr 1886 erinnert an eine alte Prophezeihung. Der be rühmte Arzt Theophrasius, welcher im Jahr 1571 starb und der sich nach der Sitte der Zeit auch mit der Sterndeuterei abgab, prophezeite