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WM MÄnff ThmM, N«D, Meilkhi Md die LMM». Amtsblatt für die Kgl. Kmtsl-auptmamMüfL zu Meißen, das Kgl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. Erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags. — Abonnementpreis vierteljährlich 1 Mark. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Nr. 94. Dienstng, deu 24. November 1885. DageSgeschichte. Berlin. In der Thronrede, mit welcher der Reichstag am Donnerstag eröffnet wurde, heißt es, daß durch die vergleichsweise Beilegung der Karolinenfrage in Folge der Vermittelung des Papstes entsprechende freundschaftliche Beziehungen zwischen Deutschland und Spanien in Kurzem zu erwarten seien. Die Thronrede hebt ferner die friedlichen und freundschaftlichen Beziehungen Deutschlands zu allen Mächten hervor. Se. Maj. der Kaiser hoffe zuversichtlich, daß die Kämpfe in den Balkanstaaten den Frieden der europäischen Mächte nicht stören werden und es werde den Mächten, welche den Berliner Vertrag unterzeichneten, auch gelingen, den Verträgen Achtung, sowie die Selbstständigkeit gedachter Volksstämme zu sichern. Der Kaiser ist von dem Vertrauen beseelt, daß Gottes reicher Segen auch künftig nicht den Bestrebungen der Deutschen Politik zur Erhaltung des euro päischen Friedens fehle. Aus den Erörterungen, welche an die Rede geknüpft worden, durch die der Reichstag eröffnet wurde, entnehmen wir folgende charakte ristische Stellen: Die ultramontane „Germania" schließt einen von ihr gebrachten ersten Artikel: „Kommen wir von den auswärtigen Dingen zu den in der Rede behandelten Fragen innerer Politik, so sehen wir hier an der Spitze in einer so nüchternen, mit keiner der früher ge wohnten mildernden, erklärenden und beruhigenden Versicherungen be gleiteten Weise eine neue bedeutende Steigerung der Reichsaus gaben angekündigt, daß man in der That nicht mehr zweifeln kann, die Reichsregierung glaubt eine stetige bedeutende Steigerung der Aus gaben allmählig zu einem normalen Zustande gemacht zu haben, der kaum noch eines weiteren Wortes bedarf. Die ganzen Neubewilligungen genügen also nicht einmal zur Deckung der Steigerung von zwei Jahren! An die Einzelstaaten und Gemeinden aber kann kein Heller abgegeben Werden, im Gegentheil müßten für das Reich selbst erst noch rund zwölf Millionen neu bewilligt werden, sollcen nicht von Neuem die Einzelstaaten höher an das Reich zahlen. Und nun lese man, wie urgemüthllch und ruhig eine solche das Volk ruinirende Finanzwirth- schaft zu Anfang der heutigen Eröffnungsreüe vorgetragen wird! Das muß endlich — ein Ende nehmen." — In voller Harmonie damit schließt die „Freisinnige Zeitung" ihre Erörterung: „Die gegenwärtig maßgebende Finanzpolitik Hal immer nur die Steigerung der Einnahmen und die Vermehrung der Steuerlast im Auge, ohne gleichzeitige Steuer erleichterungen damit zu verbinden. Steuervermehrung, nicht Steuer reform! ist die Parole dieser Finanzpolitik." — Die ebenfalls frei sinnige „Vossische Zeitung" äußert: „Daß die Eröffnungsrede weder deS Sozialistengesetzes, noch des Militärgesetzes erwähnt, für welche beiden wichtigen Fragen das Centrum die Schlüssel der Lösung in seinen Händen hält, haben wir bereits hervorgehoben. Ob die Gründe für dies Schweigen nur taktischer Natur sind, wird sich im weiteren Verlaufe der Session bald zeigen. Auch die auf die Postsparkassen bezügliche Vorlage, gegen welche sich die Opposition des Centrums richtete, ist in der Eröffnungsrede nicht wiedergekehrt. Von Seiten der Regierung ist nach Möglichkeit vermieden, der ausschlaggebenden Partei des Hauses von Anbeginn schon Barrikaden zu bauen. Daß die Zeichen auf heiße und erbitterte Kämpfe deuten, kann Niemand entgehen, und wenn die ultramontane Kampflust noch einer Auffrisch ung bedürfte, so fände sie dieselbe an dem in die Eröffnungsrede sinnig eingeflochtenen Dank gegen — „Seine Heiligkeit den Papst." — Der nationalliberale „Hannover'sche Courier" sagt: „Die öffent liche Meinung in Deutschland, die an Stelle des Parlaments selbst die kaiserlichen Ansprachen zu beantworten berufen ist, dürfte selten in so übereinstimmender Weise sich dahin zusammenfassen können, daß diese Thronrede den inneren wie den äußeren Frieden zu schützen und zu erhalten geeignet sei. Möge dem der Verlauf der Session ent sprechen. Statt der Aktionen, auf welche sich dieser oder jener Par teigedanke vorbereitet zu haben scheint, will das Wohl des Volkes und die Sicherheit des Reiches vielmehr — ehrliche Arbeit." — Das strengkonservative „Deutsche Tageblatt" führt aus: „Die Opposition wird also durch die Thronrede nunmehr eingeladen, ihre Kraft zur Erhöhung der Sicherheit des Reiches durch finanzpolitische Maßregeln zu zeigen. Wenn sie auch jetzt Nein sagen sollte, würde der Beweis, daß sie nicht aus steuerpolitischen, sondern aus Nebeugründen sich bis her der Mitarbeit an der Ausbildung des indirekten Steuersystems entzogen habe — erbracht sein. Noch einmal, die Rede athmet den Frieden nach außen wie nach innen. Wehe Denen, die wider diesen Geist sich aufbäumen und die wohlthätigen Wirkungen desselben zu vereiteln wagen möchten." Die Sozialisten brachten im Reichstag den Antrag ein, den Reichs kanzler zu ersuchen, eine internationale Konferenz wegen Einführung eines zehnstündigen Normalarbeitstages, wie Abschaffung der Frauen arbeit und der Kinderarbeit, zu berufen und in Deutschland eine En quete behufs Feststellung der Lohnverhältnisse der Lohnarbeiter zu veranlassen. Der Antrag der Polen wegen der Ausweisungen aus Preußen wird von dem Centrum und den Sozialisten unterstützt. Von erwähnenswerthen Begebenheiten im Reiche ist noch die Rede hervorzuheben, welche der Statthalter Fürst Hohenlohe, anläß lich seines Besuches in Metz auf dem am Dienstag im „Europäischen Hose" stattgefundenen Galadiner gehalten hat. Fürst Hohenlohe wies darauf hin, wie sein Amtsvorgänger, Freiherr v. Manteuffel, einmal gesagt habe, er begreife, daß Elsaß-Lothringen seine Zusammengehörig, leit mit Frankreich noch nicht vergessen könne: Er, Fürst Hohenlohe, gehe noch weiter und sage, er begreife, daß die Bewohner Elsaß-Loth- ringens, als ihr Land vor zwei Jahrhunderten von Deutschland ab getrennt und mit Frankreich vereinigt wurde, diese Aenderung nicht sehr schmerzlich empfanden, denn Deutschland sei damals ein zerrissenes Land gewesen, während Frankreich schon zu jener Zeit beinahe auf der Höhe seiner heutigen Entwickelung gestanden habe. Heute sei aber aus dem zerrissenen Deutschland ein mächtiges Reich geworden, das auch die Macht besitze, das Wiedergewonnene festzuhalten und seine Angehörigen zu schützen, ihnen die Bedingungen geistigen und mate riellen Gedeihens zu bieten. Damit schwinde ein Motiv mehr, das die Bewohner Elsaß-Lothringens auf Frankreich blicken lasse und er, der Statthalter, gebe sich darum der Hoffnung hin, daß die Trennung von Frankreich kein Unglück, die Wiedervereinigung mit Deutschland die Gewähr für eine glückliche Zukunft sei. Schließlich trank Fürst Hohenlohe auf das Wohl des Landes und der Stadt Metz. — Es ist dies die erste große offizielle Kundgebung des neuen Statthalters und sie wird sicherlich nicht verfehlen, in allen Kreisen der reichsländischen Bevölkerung den günstigsten Eindruck zu machen. Das Königgrätz der österreichischen Justiz nennt man in deutschen Volkskreisen den Urrheilsspruch von Königinhof in Sachen der Vergewaltigung der deutschen Turner durch die Czechen. Ein empfindlicherer Schlag ist durch die Justiz noch nie dem Deutschthum in Oesterreich zugefügt worden. Zum erstenmal wurde einem Lieb lingsbegriff der Czechen, der sogen, „krovoog-oa" (Provokation) statt gegeben. Die Czechen sehen seit Jahren in der deutschen Sprache, im deutschen Lied, in den deutschen Farben eine Provocation d. h. eine Herausforderung; bei den ungebildeten Massen gilt die Thatsache allein, daß Millionen Deutscher im heiligen Wenzelsreiche leben, als die ungeheuerste Herausforderung, und in der Begründung des rich terlichen Urtheils in Koniginhof wider die deutschen Turner wurde die Berechtigung des czechischen Volkes, sich durch die Anwesenheit Deut scher und durch großdeutsche Farben herausgefordert zu fühlen, aus- drücklich anerkannt, ja aus diesem Grund wurden die überfallenen und mißhandelten Deutschen weit härter gestraft als deren Angreifer. Ein Lob für den Fürsten Bismark aus Rom, das ist eine Sel tenheit! Doch ertheilt es der „Moniteur de Rome," das offizielle päpstliche Organ, und zwar spricht dasselbe sich anerkennend über „das sehr versöhnliche Vorgehen" unseres Reichskanzler in der Karolinen frage aus. Die Sache soll jetzt soweit gediehen sein, daß nur noch erübrigt, der Vermittelungsakte eine endgültige Form zu geben. Der Text der Akte wird etwa diesen Gedankengang haben: Spanien hat seit Jahrhunderten fast gar keinen Souveränetäts-Akt auf den Karoli nen vollzogen; es kann aber nicht geleugnet werden, daß sowohl die Wissenschaft als die allgemeine politische Anschauung Spanien ein mo ralisches Besitzrecht auf die Karolinen zusprechen. Anderseits steht fest, daß Deutschland ohne jedwedes Zuthun seitens Spaniens durch Be gründung von Faktoreien auf den Karolinen dieselben der Kultur ge wonnen und eine Interesse hatte, sein Werk vor den wilden Stämmen zu schützen. Was es daher gethan, ist unzweifelhaft in redlicher Ab sicht geschehen. Nach Klarstellung dieses Punktes bittet der Papst die Parteien, sich auf den Standpunkt der Billigkeit zu stellen und schlägt ihnen vor, die Anerkennung der spanischen Souveränetät seitens Deutsch lands, die Gewährung des Rechtes an Deutschland, Kohlenstationen zu errichten, und der vollsten Handelsfreiheit mit der gesammten Karoli nen-Gruppe. Die Lage auf der Balkanhalbinsel ist heute einigermaßen ver ändert. Dem Vordringen der Serben ist von den Bulgaren bei Sliv- nitza Halt geboten! sie wurden zurückgeworfen und auf eine Strecke von fünf Kilometern verfolgt. Trotzdem glaubt man nirgends, daß die Bulgaren einen nachdrücklichen Vortheil errungen haben, und zwar um so weniger, als die Türkei den Bescheid nach Sofia hat gelangen lassen, daß sie vorderhand ihr-m Vasallen Alexander nicht beispringen werde. Doch hat der türkische Geschäftsträger dem serbischen König erklärt, daß die Pforte gegen den Einfall der Serben in türkisches Ge biet Protest erhebe. Ebenso wenig wie die Pforte kommt die Konfe renz zu einem Entschluß. Man wünscht, daß der Battenberger Ost- Rumelien räume und sich den weiteren Beschlüssen der Mächte füge. Die Serben haben im Norden bereits 2000 Bulgaren zu Gefangenen gemacht; die bulgarische Armee bei Widdin ist vernichtet; in Bresnik, das die Serben jetzt besetzt halten, erbeuteten sie 8 Geschütze. Die Morava-Division marschirt bereits aus Sofia los, auch sind die bei Jsvoi auf dem Wege nach Sofia gelegenen Schanzen bereits in den Händen der Serben. Der bulgarische Commandant Phillipow fiel, das Archiv und die Kriegskasse erbeuteten die Serben. Sofia, 20. Nov. Nach der Mittheilung welche der Fürst der Regierung über die Kämpfe bei Slivnitza zugehen ließ, wurden die Serben auf der ganzen Lime verfolgt und gezwungen, sich auf die Anhöhe links vom Dragomapaß zurückzuziehen. Die nach dem Paß führende Chaussee befindet sich in den Händen der Bulgaren. Bei einem Gefechte in der Amgegend von Golonbovtzi wurde eineserbische Truppenabtheilung, welche den linken Fjügel der bulgarischen Position bei Slivnitza angreifen wollte, vollständig geschlagen.