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Durch die Schmidt'sche Erwerbung dieser Provinz von 400 bis 500 deutsche Quadratmeilen gewinnt die Erwerbung von Chutu erst ihren vollen Werth. Vaterländisches. Wilsdruff. Der in hiesiger Stadt neugegründete „Gemeinnützige Verein" hielt vorigen Donnerstag seine erste Versammlung im Saale zum goldnen Löwen ab. Es war dem Verein gelungen, für diesen Abend Herrn Pastor vr. Schönberg in Weistropp für einen Vor trag zu gewinnen. Das höchst zeitgemäße Thema „Unsere Colonieen", welches sich der geehrte Herr gewählt, hatte die Mitglieder in ihrer Mehrheit vereinigt, auch mehrere Gäste waren durch Mitglieder ein geführt worden. In fast 1 Vs stündiger freier Rede entrollte der ge ehrte Redner seinen Hörern ein Bild von der frühesten Weltgeschichte bis zur Gegenwart, schilderte alle die großen Völker und Män ner, welche theils mit den größten Opfern und unter den schwierigsten Verhältnissen Colonieen erworben, in welcher Weise dieselben aus genützt worden seien und wie solche Erwerbungen oft infolge falscher Ausnützung zum Ruin der größten Völker beigetragen. Seitdem nun das geinigte Deutschland mächtig und groß geworden, sei es geradezu zum Bedürfniß geworden, daß es Colonieen erwerbe, ja es müsse solche haben; dies habe der große Staatsmann Fürst Bismarck auch längst eingesehen und deshalb gehe derselbe mit aller Energie vor, Colonieen aufzusuchen und zu erwerben, aber in anderem Sinne, wie viele ältere Völker; bei Fürst Bismarck gelte es vor Allem, den deutschen Schiffen dauernde Hafenstationen zu sichern und dem deutschen Handel neue Absatzgebiete zu verschaffen. — Es hätte eine andere Feder dazu gehört, als die unsrige, um den geschichtlich und wissen schaftlich höchst interessanten Vortrag des hochgeschätzten Redners nur einigermaßen wiedergeben zu können. Rauschender Beifall erscholl, nachdem Herr Pastor Or. Schönberg seinen Vortrag beendet, der Vor sitzende dankte in herzlichen Worten und die Versammlung durch Er heben von den Plätzen. Der Vorsitzende sprach noch die Hoffnung aus, den geehrten Herrn Pastor 0r. Schönberg recht bald wieder in diesem Vereine begrüßen zu dürfen, was derselbe zur Freude Aller für nächstes Jahr in Aussicht stellte. — Wir können diesen kurzen Bericht nicht schließen, ohne wiederholt den Wunsch auszusprechen, daß sich recht viele Herren von hier und Umgegend finden möchten, welche durch gemeinnützige Vorträge sich um die Volksbildung gewiß Verdienste erwerben würden. — Im prächtig geschmückten Saale des Hotel Adler feierte am gestrigen Sonntag der hiesige Militärverein sein 22. Stiftungs fest durch Concert und Ball; in den Zwischenpausen des ausge zeichnet ausgeführten Concerts wurden Toaste ausgebracht auf Se. Maj. König Albert, auf den ruhmgekrönten Heldenkaiser Wilhelm, auf den Verein, den Vorstand, die Gäste, auf das Comilee, die Frauen und auf den Vereinskafsirer. An dem hierauf beginnenden Ball be- theiligte sich Jung und Alt, so daß der schöne, große Saal die vielen antretenden Paare kaum zu fassen vermochte, trotzdem aber vermochte dies die heitere Stimmung und die Tanzlust nicht zu beeinträchtigen, denn die Tanzlust währte bis in die frühen Morgenstunden hinein. — Wie uns mitgetheilt wird, ist die bekannte Weinhandlung Oswald Nier, ^ux oavss äs brause, Berlin, der hier durch Herrn Eduard Wehner vertreten ist, auf der Ausstellung zu Neumarkt durch Zuerkennung eines Ehren-Diploms für ihre dort ausgestellten reinen gesunden Naturweine ausgezeichnet worden. Es ist dies binnen Kurzem die zweite Auszeichnung, die der Firma zu Theil geworden, da derselben im vorigen Monat auf der Brieger Ausstellung die bronzene Medaille zuerkannt worden ist. — Piskowitz b. Taubenheim. Montag, den5. October, wurde das Michalis-Quartal der ländlichen Schuhmacher-Innung abgehalten, welchem der Herr Amtshauplmann v. Bosse aus Meißen zur größten Genugthuung sämmtlicher anwesenden Mitglieder beiwohnte. Nachdem von Seiten des Vorstandes Aufnahmen und Lossprechung erfolgt wa ren und sich Amtshauptmann v. Bosse über die Einrichtungen der Innung überzeugt, besichtigte derselbe die im Billardzimmer von 61 Mitgliedern aufgestellten Meisterstücke, worüber er seine Zufriedenheit kund gab und den Wunsch aussprach, daß fernerhin zur Hebung des Handwerks auch eine Ausstellung von Lehrlingsarbeiten arrangirt werden möchte. Mit der Wahl von drei Mitgliedern zur Prüfungs deputation zur Prüfung der Meisterstücke schloß die Quartalsver sammlung. — Chemnitz, 7. Okt. Das heute verkündete Urtheil in dem Socialistenproceß lautete auf vollständige Freisprechung der Angeklagten. Die Kosten werden auf die Staatskassen übertragen. — Infolge einer von Chemnitzer städtischen Beamten ausgegangenen Anregung bereitet jetzt der Verein sächsischer Gemeindebeamten von Neuem eine Petition an Regierung und Stände vor zur Erlang ung gesetzlicher Bestimmungen über die Pensionsberechtigung der Ge meindebeamten in mittleren und kleinen Städten und in Landgemein den. Zur Gewinnung der nöthigen Unterlagen über Zahl der Beam ten, Dienstalter und Familienstand derselben, sowie über die Steuer kraft rc. der Gemeinden sind Formulare an 299 sächsische Gemeinden, welche mehr als 1500 Einwohner haben, ausgesendet worden, von denen bis jetzt über 160 ausgefüllt zurückgelangt sind. Hoffentlich sind die Bemühungen des Vereins, welcher gleiche Petitionen schon früher wiederholt, jedoch vergeblich eingebracht hat, diesmal von Er folg gekrönt. Herr und Knecht. Kriminal-Erzählung von Ludwig Habicht. (Fortsetzung und Schluß.) Der Knecht schien gar nicht das Näherkommen seines Herrn zu bemerken; er hielt ruhig den Pflug in der linken Hand, während er mit der rechten die Peitsche schwang und mit einem kräftigen Anruf die Pferde zum raschen Gehen antrieb, die jetzt schon die Rain erreicht hatten, auf dem Hastbach stand, der einige Schritte zurücktreten mußte, um nicht unter die Pferde zu kommen. „Hast Du mich denn nicht gesehen, daß Du mich umfahren mußt!" schrie er deshalb zornig. „Warum geht Ihr nicht aus dem Wege!" schallte es hinter dem Pfluge hervor, und der Knecht würdigte seinen Herrn keinen Blickes. „Weißt Du nicht, wen Du vor Dir hast?" rief Hastbach erbit tert und richtete sich dabei stolz in die Höhe. Erst jetzt schien der Knecht ihn zu bemerken; seine kleinen, runden Augen schweiften gleichgültig über den vor ihm stehenden Mann hin weg, dann nickte er mit dem Kopfe: „Weiß schon!" und „hü, Hotterum", wollte er sein Gespann wieder umkehren lassen und auf den Acker treiben; aber Hastbach, außer sich vor Wuth fiel ihm in den Arm: ' „Nein, Du scheinst es eben nicht zu wissen, daß ich Dein Herr i bin und daß Du mir Respekt schuldig bist." Der Knecht grinste vergnüglich vor sich hin, ohne jedoch zu ant- Worten hieb er auf die Pferde ein, als wolle er sich in seiner Arbeit nicht stören lassen. „Ich bin Dein Herr und Du thust, als ob Du mich nicht siehst, sagst mir nicht einmal guten Tag! Wenn Du Dir noch einmal solche Unverschämtheiten zu schulden kommen läßt, werde ich Dich entlassen." Jetzt stieß der Knecht ein kurzes, höhnisches Lachen aus: „Ihr habt mich nicht gemiethet, Ihr könnt mich auch nicht fortschicken", sagte er ruhig. „Das werde ich Dir beweisen!" rief Hastbach zornglühend, der immer wehr die Besinnung verlor. „Auf der Stelle lässest Du Alles liegen und packst Dich fort", und er wollte nach der Peitsche greifen und sich des Gespannes bemächtigen; aber der Knecht trat jetzt einen Schritt zurück, hielt die Peitsche hinter seinen Rücken und sagte fest und ruhig: * „Laß mich in Frieden, sonst wird's nicht gut." „Ich werde Dir zeigen, daß ich Dein Herr bin und Dir den Rücken bläuen, wenn Du nicht gutwillig gehst'," und er bemühte sich von Neuem, in den Besitz der Peitsche zu kommen. Nun schien auch der Knecht sein bäuerisches Pflegma einzubüßen: „Versuch's!" murrte er trotzig; ein solch'versoffener Kerl, wie Du, soll mir nur nahe kommen", und er hob dabei drohend die Peitsche. Hastbach stieß einen Wuthschrei aus und stürzte wie ein Wahn sinniger auf den Knecht, der aber seines Angriffs schon gewärtig war und ihn so kräftig von sich stieß, daß der ohnehin geschwächte Mann zur Erde fiel. „Und wenn Euch der Buckel juckt, dann versucht's noch einmal!" rief lachend der Knecht und schwenkte drohend die Peitsche, und dann trieb er, als sei gar nichts geschehen, die Pferde auf den Acker zurück, um seine Pflugarbeit fortzusetzen. Der ehemalige Musikant erhob sich langsam; seine Glieder schmerz ten ihm von dem Falle; aber noch einen brennenden Schmerz empfand er über die tiefe Demüthigung, die er durch seinen eigenen Knecht er fahren hatte. Wie gern hätte er ihn für diese unerhörte Unverschämt heit gezüchtigt, aber er fühlte sich dem starken Burschen nicht gewach sen, der ihn seine ganze ungebrochene Kraft der Jugend batte fühlen lassen. Er muß dennoch fort aus dem Hause", murmelte Hastbach vor sich hin, und den Kopf voll finsterer Gedanken, trat er den Heimweg an. Er traf seine Frau und sagte ihr sogleich in höchster Aufregung, was zwischen ihm und dem Knecht vorgefallen sei und er schloß fei nen Bericht mit den Worten: „Du mußt ihn auf der Stelle fortjagen! Das verlange ich von Dir."« Seine Frau hatte ihm zugehört, ohne ihn mit einem Worte zu unterbrechen. „Fällt mir nicht ein," sagte sie ruhig, als er jetzt geendet. Er starrte sie ganz bestürzt an: „Hast Du nicht gehört, was ich Dir gesagt und wie sich der freche Bursche benommen hat?! „Ja wohl", war ihre Antwort: „Aber ich kann August nicht fortschicken, wie es Dir beliebt. Ein tüchtiger Knecht ist heut zu Tage nicht so leicht gefunden." „So ist er Dir wohl mehr werth, als Dein eigener Mann?" fragte Fritz und seine Augen erhielten einen lauernden Ausdruck. Die Fran zuckte gleichmüthig mit den Achseln und antwortete nicht. „So rücke doch mit der Sprache heraus!" rief Hastbach heftig, „sag' doch ehrlich, daß Dir der hübsche Bursche besser gefällt, als Dein Mann! -" Christiane stieß ein bitteres Lachen aus. „Was ist da zu gefal len?! Du bist den ganzen Tag im Wirthshans, da muß ich wenig stens einen Menschen haben, auf den ich mich verlassen kann." Fritz fühlte wohl die Wahrheit dieses Vorwurfes und entgegnete etwas kleinlauter: „Ich werde von jetzt ab zu Hause bleiben, nur schaff' mir den Menschen fort, der mich so gröblich beleidigt hat." Auf diese Brücke tret' ich nicht", entgegnete sie ruhig. „Du willst also meinen Wunsch nicht erfüllen?" „Stein!" „Und warum nicht?" „Weil Du Dein Versprechen doch nicht hältst", entgegnete die Frau, und als sie es müde, eine so niierquickliche Unterhaltung wei ter zu führen, verließ sie rasch die Stube. Hastbach starrte ihr ganz betroffen nach, dann stürzte er fort, ins Wirtyshaus, um seinen grenzenlosen Aerger in Schnaps und Bier zu ertränken. Als er stark berauscht den Heimweg antrat, war es schon ziemlich dunkel. Langsam schwankte er über den Hof, da gewahrte er in der Stallthür den Knecht. Er wollte auf ihn zu stürzen, aber ein letzter Rest von Bewußtsein hielt ihn davon zurück. In seinem Zustande war er vollends dem starken Burschen nicht gewachsen. Trotz seines Rausches gewahrte er, wie die kleinen, runden Augen des Menschen zornig funkelten und so machte er einen Umweg, um in das Haus zu kommen. Als Fritz die anwesende Magd nach seiner Frau fragte, er hielt er den Bescheid, sie sei zu Verwandten gegangen und käme heute nicht mehr zurück. Das Mädchen stellte dann das Abendessen auf den Tisch und verließ nach einem kurzen „Gute Nacht" die Stube. Schon wollte Hastbach sichs bequem machen nnd den Speisen zusprechen, da schoß ihm Plötzlich ein Gedanke durch das Hirn und machte ihn völlig nüchtern. Die unheimlich funkelnden Augen des Knechtes tauchten vor ihm auf und er murmelte vor sich hin: „Es ist richtig. Sie ist wieder ausgegangen — ganz wie damals — und jetzt kommt die Reihe an mich." Ein kalter Schauer packte ihn und er sah sich nach allen Sei ten ängstlich um. — Knarrte da nicht eine Thüre. Es waren Mägde, die sich zur Ruhe legten. Sie schliefen zu entfernt und zu fest, sie hörten einen Hülferuf nicht. — Horch! da knarrte die Treppe. — Ge wiß kam jetzt der Knecht, um ihn zu ermorden und um hier Herr zu werden. Seiner Sinne nicht mehr mächtig, eilte Hastbach an das Fenster, ließ es auf und stürzte sich hinaus. Mit einem verzweifelten Schrei brach er zusammen. Er war mit dem Kopf an einen Mauervorsprung aufgeschlagen und hatte sich schwer verletzt. Der Dorfwächter war zufällig in der Nähe; er hatte eine Ge stalt aus dem Fenster springen sehen und eilte herbei. Als er Hast bach erkannte, dachte er sogleich, der Mann sei in der Trunkenheit hinausgestürzt und nun sagte er ziemlich kühl: „Was habt Ihr da gemacht? Ich werde Euch aufhelfen, damit Ihr wieder ins Haus kommt —" „Nein, nein, nicht ins Haus", wehrte der Unglückliche ab, „er will mich ermorden! Seht, da lauert er schon auf mich, und er zeigte in Fieberphantasieen nach dem Fenster. „Ach, Unsinn, ich sehe nichts", erwiederte der Wächter, der nun