Volltext Seite (XML)
WM ß-MW WrM, Wo, ZÄrckh« M die WWodeil. ArnLsbLccLL für die Kgl. Knüshauptmannschaft zu Weißen, das Kgl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. Erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags. - Abonnementpreis vierteljährlich 1 Mark. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Nr. 82. Dienstag, den 13. October 1883. und Kommenden Freitag, den 16. October d. I., Vormittags 10 Uhr, gelangen im Armenhause allhier folgende Gegenstände, als: 1 Sopha, 3 Tische, I Kleid'erschrank, 1 Kommode, Betten, Strohsäcke, Hand-, Bett- und Tischtücher, sowie Kleidungsstücke u. d. m. gegen sofortige Baarzahlung zur Versteigerung. Wilsdruff, am 12. October 1885. Matthes, Gerichtsvollzieher. Bekanntmachung. Der diesjährige hiesige Herbstjahrmarkt wird Donnerstag, den 15. Freitag, den 16. Oktober abgehalten. Wilsdruff, am 26. September 1885. Der Stadtrath. Ficker, Brgmstr. DageSgeschichte. Wie die „Volkszeitung" bemerkt, bekundet der soeben pro 1884 erstattete Jahresbericht der auf Selbsthülfe gegründeten deutschen Er werbs-und Wirthschaftsgenossenschaften wiederum einen Fort schritt des Genossenschaftswesens, nicht nur in Bezug auf die innere Entwickelung desselben, sondern auch hinsichtlich der äußeren Ansdeh- nung. Während der Jahresbericht pro 1883 insgesammt 3688 Ge nossenschaften aufwies, verzeichnet der Bericht pro 1884 deren 3822, nämlich 1965 Kreditgenossenschaften, 1146 Genossenschaften in einzelnen Gewerbszweigen, 678 Konsumvereine und 33 Baugenossenschaften. Die Gesammtzahl der im deutschen Reiche bestehenden Genossenschaften nach dem System von Schulze-Delitzsch wird somit, da das vom Ge nossenschaftsanwalt gegebene Verzeichniß nicht absolut erschöpfend ist, auf mindestens 3900 veranschlagt werden können, ihre Mitgliederzahl aus t,500,000, ihre geschäftlichen Leistungen (Umsatz) auf 3000 Mill. Mark und das Betriebskapital auf 800 Mill. Mark. Von letzteren sind 3M Mill. Mark eigenes und 500 Mill. Mark fremdes Kapital. Einen freundlichen Nachklang zur Eisenacher Generalversammlung des Gustav-Adolf-Vereins darf mau darin erkennen, daß dem Cen tralvorstand die Summe von 15,000 Mark als Spende zu Vereins zwecken aus Deutz, und zwar namenlos gesendet wurde. In Berlin hat länger als eine Woche hindurch ein Prozeß gespielt, dem von vornherein eine sensationelle Bedeutung gegeben wurde. Der dem Greisenalter nahe Maler Prof. Graef war des Mein eids, der Verleitung dazu und mehrfacher Sittlichkeitsvergehen ange klagt, und mit ihm saßen auf der Anklagebank eine Frau Rother und zwei Töchter, ebenfalls des Meineids, bezüglich der Verleitung dazu und schwerer Kuppelei angeschuldigt. Der Inhalt der schon früher bekannt gewordenen Anklageschrift ließ mit aller Bestimmtheit darauf schließen, daß während der mehrtägigen Verhandlungen Verhältnisse und Vorgänge zur Sprache gebracht und erörtert werden würden und müßten, deren allgemeines Bekanntwerden in ihren peinlich wirkenden Einzelheiten sicher und gewiß der Pflege sittlichen Lebens nicht förder lich, wohl aber das gerade Gegentheil zu bewirken geeignet ist. Der Verlauf der Verhandlungen hat diese Voraussetzung in vollem Maße bestätigt; es sind Dinge zur Sprache gebracht wurden, zu deren Wei terverbreitung wir nach den von uns in dieser Richtung stets festge haltenen Grundsätzen gerade im Interesse der Sittlichkeit uns nicht hätten entschließen können, und wir glauben im Sinne aller unserer Leser zu handeln, wenn wir die Mittheilung der Einzelheiten solcher Sensationsprozesse anderen Zeitungen überlassen. Zur Sache selbst sei bemerkt, daß der Berliner Schwurgerichtshof Mittwoch Nacht das Nichtschuldig gegen die Angeklagten ausgesprochen hat und nach län gerer Haft in Freiheit gesetzt worden sind. Nach einem Telegramm aus Warschau ist der Direktor der Ab- theilung der Polnischen Bank in Wloclaweck, Namens Krzeczkowski, nach Entwendung von 80,OM Rubel am 5. d. M. flüchtig geworden und wird steckbrieflich verfolgt. Derselbe befindet sich im Besitze eines Passes auf den Namen Boleslaw Grombczewski und hat sich wahr scheinlich seinen Schnurbart abrasiren lassen. Das gestohlene Geld war in 4 Packeten, jedes zu 20,000 Rubel, verpackt. Gute Nachrichten aus Konstantinopel! Der Sultan ist vernünftig gewesen. Er hat auf den Rath der Botschafter die Union der beiden Bulgarien gutgeheißen und die Personalunion unter dem Fürsten Alexander sanktionirt. Das ist ein großer Schritt nach vorwärts; mit den Griechen nnd Serben wird man ja nun auch noch fertig werden. Bulgarien bleibt also in Zukunft vereinigt. Fürst Alexander an dessen Spitze und die Oberhoheitsrechte der Pforte blei ben ebenfalls gewahrt. Damit kann Europa zufrieden sein. 50 Jahre Königin! Am 27. Juni des nächsten Jahres wird Königin Victoria von England, wenn sie es erlebt, ihr 50jähriges Regierungsjubiläum begehen. Schon jetzt werden, um diesen Tag fest lich zu begehen, große Vorbereitungen getroffen. Aus England ist die wichtigste Nachricht aus voriger Woche diejenige von der am 1. November erfolgenden Auflösung des Par laments. Voraussichtlich werden bald nach diesem Termin die Neu wahlen für das Parlament ausgeschrieben, welche diesmal, wie bekannt, dadurch eine besondere Bedeutung erlangen, daß sich an ihnen infolge der Ausdehnung des Wahlgesetzes 2 Millionen neuer Wähler bethei gen. Zu welcher Partei sich diese schlagen werden, ob zu den Con- servativen, zu den Liberalen, zu den Homerulers, vermag niemand zu sagen. Das Wahrscheinlichste ist, daß sich eine ganz neue Parteibil- duvg im englischen Parlamente ergeben wird, mit Anklängen etwa an die deutsche Socialdemokratie. Mit einer solchen Partei muß dann auch in England jede Regierung rechnen, ganz gleich, ob dieselbe einen konservativen oder einen liberalen Charakter tragen oder wie sonst auch noch geartet sein wird. Ein Monstreprozeß, der in den Gerichtsannalen Epoche machen wird, spielt sich seit zwei Monaten vor dem außerordentlichen Gericht in Caltagirone auf Sizilien ab. Die Zahl der Angeklagten beträgt dreihundert, die verschiedener Mordthaten, Straßenraubes und einer unendlichen Anzahl von Diebstählen mit dem erschwerenden Umstand einer Verbindung zu einer Verbrechergesellschaft beschuldigt sind. Um diesen Prozeß durchzuführen, mußte eine Kirche zum Gerichtssaal um gewandelt, die Garnison um ein Bataillon Infanterie verstärkt und über 100 Sicherheitswachen dahin geschickt werden. 80 Zeugen wer den verhört, 35 Advokaten Plaidiren und die Zahl der den Geschwo renen zu stellenden Fragen beträgt 7,467, zu deren Beantwortung we nigstens fünf bis sechs Tage erforderlich sein werden. Der Präsident hat zu diesem Behufe ein eigenes Lokal mit Belten, Küche, Speisesaal und den erforderlichen Aufwärtern, Köchen und Küchenjungen Herrich ten lassen. Nach langer Pause kommt aus dem Sudan wieder eine schwer wiegende Nachricht. Dieselbe besagt, daß das infolge eines Vertrags mit England zum Entsätze Kassalas gesandte abyssinische Heer einen großen Sieg über die Sudanrebellen davongetragen hat, die von Os man Digma befehligt waren. Die Aufständischen sollen 30M Tobte und Verwundete — unter ersteren Osman Digma selbst — auf dem Schlachtfelde gelassen haben, doch soll auch der abyssinische Verlust schwer sein. Bestätigt sich diese Nachricht, so würde die sudanische Rebellion nunmehr einen Schlag empfangen haben, der für sie der Anfang vom Ende ist. Ob indessen das siegreiche Eingreifen der Abessinier den chaotischen Zuständen im Sudan ein Ende machen wird, ist fraglich. Ein schreckliches Unglück ist, wie den „Times" aus Philadel phia telegraphirt wird, am 4. Oktober dem Zirkus Robinson zuge stoßen, als derselbe auf der Nord-Pacific-Bahn fuhr. Der Train hatte zwei Abtheilungen und bei St. Paul in Minnesota angelangt, löste sich die vordere Abtheilung von der Lokomotive los und die Waggons rollten den Abhang zurück, wo sie mit der zweiten Abthei lung zusammenstießen, deren Lokomotive drei Schlafwagen zertrümmerte, in denen sich hundert Personen befanden. Fünf wurden getödtet und dreißig schwer verwundet. Auch in Sansibar wird nicht alles so heiß gegessen wie aufge tragen. Gewaltig heiß wurde es dem Sultan, als er die Mäuler der deutschen Schiffskanonen auf sich und seine Residenz gerichtet sah, er bat um Pardon und lud die 40 Offiziere der deutschen Flotte zum Versöhnungsmahle ein. Sie kamen alle, wurden vom Sultan mit Händeschütteln empfangen und zum Mahle geführt. Durch 30 kost bare, wenn auch oft unbekannte Gänge, jeder von mehreren Schüsseln, mußten sie sich durcharbeiten und schieden als gute Freunde. Zum Abschied wurde Jedem das Taschentuch mit kostbarem Rosenöl begossen, dessen Geruch noch lange nachhält. Und inzwischen erwarb Lieutenant Schmidt die Landschaft Usaramo durch Vertrag für die Deutsch-Ost afrikanische Gesellschaft. Damit ist die wichtige Küstenlandschaft süd lich von Usagara ebenfalls deutsch und der ganze Lauf des Rufidji im Besitz der Gesellschaft. Der vorzügliche Hafen Daressalam, der beste der gejammten Ostküste Zentral-Afrikas, gehört zu dieser Landschaft. Es wird zn untersuchen sein, in wie weit der Sultan von Sansibar an einen oder den anderen Küstenpunkt von Usaramo Anrechte hat.