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öffnete rasch die Thür, durch welche der Diener hinausgegangen war, er blickte ins Vorzimmer. Es war Niemand da. Nun schloß er ebenso behende die Thür und kehrte zu seiner Beschäftigung zurück. „Ich fragte nicht, ob Jemand da wäre, ich fragte nur, ob etwas vorgefallen sei," erklärte Duprat. „Wie? Kennen der Herr denn das schreckliche Ereigniß noch nicht, welches unser Haus —" Duprat winkte ihm zu schweigen. „Weiter nichts?" fragte er. „O, doch — einiges — Herr." „Wichtig?" „O ja, das heißt — für den Herrn Commerzienrath. Indessen — ich weiß nicht —" „Wen betrifft es denn?" „Fräulein Clara und —" „Noch Jemand?" „Den rothen Mathies." Ein spöttisches Lächeln umzuckte die Lippen des Prokuristen. „Eine seltsame Zusammenstellung" sagte er. „Maihies ist ohne Zweifel der Mörder des Fremden, so viel habe ich schon aus den Zeitungen ersehen. Aber was hat Fräulein Clara mit diesem Men schen gemein, daß Sie ihre Namen zusammen nennen?" Jonas zögerte noch, zu sagen, was zwischen Mathies und dem Commerzienrath vorgefallen war, zwar nicht, um diesen zu schonen, sondern weil er sich fürchtete, ein Geheimniß zu verrathen, welches seinem Herrn verhängnißvoll werden konnte. „Reden Sie ganz offen", ermuthigte ihn Duprat. „Sie wissen, welchen innigen Antheil ich an allem, was dieses Haus betrifft, nehme. Uebrigens können Sie mir auch nichts sagen, was ich auf einem an deren Wege nicht ebenso gut erfahren könnte." „Ganz sicher nicht", entgegnete Jonas, „und das ermuthigt mich auch jetzt zu sprechen. Aber wenn Herr Etwold erfahren sollte, daß ich —" „Unbesorgt", sagte Duprat versichernd. „Ich habe keine Veran- lasfung, Ihren Namen gegen den Commerzienrath zu erwähnen, es wäre denn in Verbindung mit einem Vorschlag zur Aufbesserung Ihrer bescheidenen Stellung. „O, Herr Duprat!" „Keinen Dank. Sie wissen, ich liebe das nicht. Ihr Gehalt ist klein, es muß erhöht werden. Das ist auch ohnedem selbstverständ lich. Und wenn sich einmal eine bessere Stelle bietet — Treue und Anhänglichkeit werden von mir stets belohnt werden. Jonas ergoß sich noch in sklavischen Dankeserzeugungen für das zu erwartende Gute, dann erzählte er mit geläufiger Zunge, was zwi schen ihm und dem rothen Mathies und dem Kommerzienrath gespro chen worden war. Duprat lauschte scheinbar theilnahmslos, denn er machte sich fort während hier und da zu schaffen, so daß Jonas sein Gesicht nicht ein mal zu sehen bekam. Nachdem dieser geendet, sagte er scherzend: Ein Ammenmärchen natürlich, das Niemand glauben kann und wird. Der Kerl wollte un serem guten Kommerzienrath bange machen, um ihn zu zwingen, ihn im Dienst zu behalten. Er hat wahrscheinlich zuerst gedacht: „Morde heute, denn morgen bist du nicht mehr da; als dann aber die Krimi nalbeamten kamen und die Sache eine ihm gefärlich scheinende Wen dung nahm, wollte er lieber bleiben, um erst gar keinen Verdacht ge gen sich aufkommen zu lassen. Ich hatte indessen dem Kommerzien rath schon genug von seinem schlechten Charakter aufgedeckt, um ihn unmöglich zu machen; das mochte er wissen, und so benutzte er meine Abwesenheit, um seine gut ersonnene Lüge anzubringen. Ich hätte nur da sein sollen — der Hallunke! Hoffentlich hat ihn das Wasser verschlungen. Ein christliches Grab wär der Kerl doch nicht werth. — Ist das alles, was Sie mir zu sagen haben?" Fortsetzung folgt. Vermischtes. * Eine interessante Verhandlung kam am Dienstag vor der Straf kammer in Erfurt zum Abschluß. Am Abend des 22.Februar d. I. bestieg aus reinem Uebermuthe der 20jährige Wagenschieber Wilhelm Feldhügel eine auf dem Güterbahnhof stehende, vom Lokomotivführer und Hilfsmaschinenheizer für nur wenige Augenblicke verlassene Ma schine. Feldhügel wollte probiren, wie diese sich in Bewegung setzte. Er suhr vor- und rückwärts, aber dann wollte das Anhalten ihm nicht gelingen. Plötzlich — F. hatte den Regulator gänzlich aufgerissen — jagte das Dampfroß mit Schnellzugsgeschwindigkeit davon. F. warf sich vor übergroßer Angst nieder und ließ alles über sich ergehen. Wer weiß, wie weit die entfesselte Maschine gerast wäre, wenn nicht ein Hemmniß eingetreten. Sie rannte nämlich auf zwei angebremste Güterwagen und zertrümmerte diese nebst ihrem Inhalt an Frachtgut. Feldhügel schlüpfte nach der Katastrophe unversehrt unter den Trüm mern hervor. Der an dem Material entstandene Schaden bezifferte sich auf gegen 1800 Mk. Auf Grund des Z 316 des R.-Str.-G.-B. wurde der „Locomotivführer wider Willen" zu 6 Monaten Gefängniß verurtheilt. * Ein Kind von einem Adler entführt und getödtet. Die„N.-A. A. P." berichtet: „Als am Mittwoch Abend eine Farmersfrau in der Nähe des Dorfes St. Vincent de Paul (Kanada), von ihrem zwei jährigen Kinde begleitet, ihr Geflügel fütterte, schoß plötzlich ein großer Adler herab, der das Kind erfaßte und davontrug. Das Kind schrie und streckte die Händchen nach der Mutter aus, die aber völlig macht los war. Sie schlug jedoch Lärm, worauf einige Nachbarn, mit Flinten bewaffnet, Jagd auf den Adler machten. Sie feuerten mehrere Schüsse ab, die jedoch lediglich zur Folge hatten, daß der Vogel seinen Flug beschleunigte. Schließlich ließ sich der Adler auf ein Scheunendach nieder, wo man ihn mehrmals mit dem Schnabel nach dem Kopfe des Kindes hacken sah. Seinen Verfolgern, die inzwischen nahe ge kommen waren, gelang es, den Vogel zu verscheuchen, aber das Kind fand man nur als Leiche. Der Adler hatte ein Loch in den Schädel des Kindes gehackt und einen Theil des Gehirns verzehrt." * Das Zeitungswesen in den Vereinigten Staaten hat seit den letzten 2b Jahren große Fortschritte gemacht. In 1860 gab es nur 5253 Zeitungen in de» Vereinigten Staaten oder eine für je 6000 Einwohner. Jetzt erscheinen daselbst 13,494 Zeitungen oder eine für je 3716 Personen. In 1884 überstieg in New-Jork die Zahl der Zeitungen die von 1883 um 124. In diesem Jahre übersteigt sie das Vorjahr um nur 24 und es erscheinen weniger Tagsszeitungen als in 1884. Im Laufe von 1885 wurden in den Vereinigten Staaten 2400 Zeitungen gegründet, von denen seitdem aber 1555 eingingen. Musikalisches. Das am vergangenen Donnerstag in den Räumen des Löwen veranstaltete Konzert war überaus reich besucht und verlief für alle Anwesenden höchst genußreich. Das Programm, wie die Ausführung sanden ungeteilten Beifall. Die Kapelle leistete im Verhältniß ganz Vorzügliches. Eröffnet wurde das Konzert mit dem Generals-Marsch aus „Prinz Methusalem" von Strauß; diese Pisce wurde mit Schwung gespielt. Es folgte die Ouvertüre zu „Stradella". Die gemüthliche Oper mit ihren reizenden Liedformen und der lebendigen Rhythmik muß jeden erfreuen. Es läßt sich bezüglich der Ausführung mit solchen jugendlichen Kräften nur Lobenswerthes sagen. Der reichlich gespen dete Applaus war daher als wohlverdient anzusehen. Recht gefallen hat der bewegte frische Traumwalzer aus dem Feldprediger. Ge schlossen wurde der erste Teil mit dem melodienreichen Finale aus Rossinis Tell. Der zweite Teil begann mit der gefälligen Ouvertüre; Die schöne Galatho, welche stets gern gehört wird. Erstmalig hörten wir in Wilsdruff eine Piece aus dem Trompeter von Säkkingen und zwar das höchst wirksame und ansprechende Tompeter-Solo: Werners Ab schiedslied: „Behüt dich Gott!" Mit Sicherheit wurde dasselbe ge blasen; kein Wunder, wenn stürmischer Beifall darauf losbrach. Es ist ein lobenswerthes Streben unsers Herrn Musikdirektors, uns in Wilsdruff mit den neuesten Opern und Operetten bekannt zu machen. In dem zarten Vorspiel zu „König Manfred" von Reinecke wurde einige Mal der Baß etwas unrein gespielt. Der übrige Teil des Konzerts wurde ausgefüllt durch Gesangs nummern und zwar durch eine Arie aus Stradella, gesungen von Frl. Hedwig Rockstroh, welche von früher noch in gutem Andenken stand und durch ihr künstlerisches Streben und Energie sich schnell in Gunst gesetzt hat. Daß sie keine Anfängerin, sondern auf einer höheren Stufe der Vervollkommnung angelangt ist, zeigte in der Arie die vor zügliche Tongebung. Die Intonation ließ nie an Reinheit zu wünschen übrig, und auch die Koloratur der tüchtigen Sängerin war zu bewun dern, namentlich in den Trillern. Die Aussprache war mustergiltig. Vorzüglich gelangen ihr die beiden Lieder der „Maria": „Wie stolz und stattlich geht es", und „Jetzt ist er hinaus in die weite Welt, hat keinen Abschied genommen" zu Anfang des letzten Aktes aus dem Trompeter. Der Komponist Neßler hat in dieser Oper seine Begabung für volksthümliche Opernmusik an den Tag gelegt; es harmoniert die Musik mit dem Stoff. Auch in diesen beiden Solis zeigte die Sängerin den Vollklang ihrer Stimme und den gemütvollen Vortrag. Sie ern tete deshalb großen Beifall, so daß sie zwei Lieder: „Mein Liebster ist ein Weber" von Hildach und „Das Mädchen an den Mond" von Dorn, zwei recht anmutige, neckische Stücke, zugab. Frl. Rockstroh erwies sich auch hierbei als eine wohlgeschulte, begabte Sängerin; sie wird in Wilsdruff stets willkommen sein. Zu bedauern ist, daß bei solchen Gelegenheiten kein besseres Klavier, dessen Klang den Wohllaut nicht so sehr vermissen läßt, zur Stelle ist. Das Konzert wurde mit einem wenig gefallenden Potpourri geschlossen. Nach so günstigem Anfang der Winterkonzerte werden dieselben jedenfalls wieder viel und gutes Publikum anziehen. Erwähnt sei noch, daß es gerechtes Befremden erregte, in einem hiesigen Konzert, gespielt von der Wilsdruffer Kapelle, Programme in Dresden gedruckt und mit Dresdner Firmen versehen, auszugeben. Theater. Wie aus dem Jnseratentheil ersichtlich, gelangt heute Dienstag die schon bei ihrer ersten Aufführung am Freitag mit so großem Beifall aufgenommene Posse „Der Bettelstudent von Berlin" nochmals zur Darstellung. Freunden eines gesunden Humors können wir diese übermüthige und doch höchst decente Posse sehr empfehlen, selbst der ärgste Hypochonder wird hierin seinen Weltschmerz auf einige Stunden vergessen. Und das ist auch ganz natürlich, wird uns doch an diesem Abend eine Medizin geboten, welche Aeskulap im Himmel verschrieben, die aber keine Apotheke auf Erden uns verab reichen kann: „Medizin zum Lachen!" Auf die Einzelleistungen der betreffenden Darsteller näher einzu gehen, gebricht es uns an Raum, doch sei erwähnt, daß Herr Direk tor Uhle in seinem urkomischen Genre wie immer an seinem Platze war und die Herren Nötel und Dietrich mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln das treffliche Ensemble vervollständigten. Fräul. Marie Uhle bekundete zum wiederholten Male in der trefflichen Wie dergabe der Berliner Soubrettenrolle die Vielseitigkeit ihres Talents und fand in Frau Piening (Frau Achteck) gebührende Unterstützung. Es verlohnt sich also wirklich der Mühe, diese obendrein noch mit reizenden Melodien ausgestattete Posse anzusehen, umsomehr da eine nochmalige Wiederholung des Stückes wegen deS nur noch kurzen Aufenthaltes der Gesellschaft nicht möglich ist. Wochenmarkt zu Wilsdruff, am 6. November. Eine Kanne Butter kostete 2 Mark 50 Pf. bis 2 Mark 60 Pf. Ferkel wurden eingebracht 154 Stück und verkauft L Paar 1b Mark - Pf bis 24 Mark — Pf. Meißen, 7. November. 1 Ferkel 5 Mk. — Pf. bis 12 Mk.—Pf Eingebracht 440 Stück. 1 Läufer 20 Mk. — Pf. bis Mk. 45 — Pf 1 Kilogramm Butter 2 Mk. 40 Pf. bis 2 Mk. 60 Pf. Dresden, 6. November. (Getreidepreise.) An der Börse: pro 1000 Kilogramm: Weizen, weiß 165—170 M., Weizen, braun 160—164 Mk., Korn 144—146 Mk., Gerste 145—155 Mk. Hafer 140-148 Mk. — Auf dem Markte: Hafer pro Hektoliter 7 Mk. — Pf. bis 8 Mk. 20 Pf. Kartoffeln 3 Mk. 80 Pf. bis 4 Mk. 20 Pf. Butter 1 Kilo- gramm 2 Mk. 60 Pf. bis 3 Mk. — Pf. Hen Pro Centner 3 Mk. 80 Pf. bis 4 Mk. 60 Pf. Stroh pro Schock 30—33 Mk. kaufen Ikooöoi- Mobtvi- L krsinor, Glashüttenwerk Deuben. Ein paar Arbeiter zum Pferden werden sofort gesucht. Näheres in der Exped. d. Bl. Zwei Semmel-Austrägerinnen werden sofort gesucht. Wo? sagt die Expedition d. Blattes. ist echt und das Präparat, durch welches die bekannten über raschenden Heilungen von Gicht und Rheumatismus erzielt worden sind. Dies altbewährte Hausmittel ist zum Preise von 50 Pfg. und 1 Mk. in den meisten Apotheken* vorräthig. Rechnungsforumlare hält vorräthig die Druckerei dieses Blattes.