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Der Diener entfernte sich, kehrte aber sogleich mit einer inzwischen ! abgegebenen Depesche zurück. Dieselbe kam von Duprat und lautete: s „Unglückliche Nachrichten von unserm Hause ü; M. Auf dem Wege dorthin; kehre sobald als möglich zurück. Wollte das letztnächllge i Vergnügen damit nicht beeinträchtigen. Das klang beruhigend, und doch schien jetzt Etwolds Unruhe ihren z höchsten Grad erreichen zu wollen. Er starrte wie vernichtet auf das Burtt. ! „Von M.", murmelte er, „und hier die Polizei. Sie dürfen ! nur in die Keller hinabsteiaen, um zu finden —" Er brach kurz ab, als nach leisem Pochen die unverschlossene Außenthür sich öffnete und die Gestalt des rothen Mathies, des nach feinen rothen Haaren so benannten Privatkutschers Etwolds, sich her- rinschob. „Was wollt Ihr hier noch?" herrschte der Kommerzienrath ihn an. „Ich wähnte Euch schon aus dem Hause. Habt Ihr Euren vol- lenZLohn an der Kasse nicht ausbezahlt erhalten?" „Habe denselben noch gar nicht erhoben", sprach der sommerspros sige lange Mensch, dessen unsympathisches Aeußere noch durch ein Paar grünlich schillernde Augen erhöht wurde, mit verlegenem Lächeln; „und wenn es dem Herrn gefiele, möchte ich es auch jetzt lieber un terlassen." „Jetzt? Warum?" fragte kalt ablehnend Etwold. „Ihr wart ja ehedem ganz einverstanden mit Eurer Entlassung für den heutigen Tag." „Ja das war vor dem Morde," sprach, noch immer verlegen, der rothe Mathies. Etwold blickte erstaunt empor. „Vor dem Morde?" wiederholte er. „Was hat denn das mit Eurer Entlassung zu thun?" „O, sehr viel", entgegnete schon kühner der Rothe, „sehr, sehr viel." „Was mich doch aber nichts angeht," polterte der Kommerzien rath, „so wenig wie die ganze dumme Geschichte da draußen. Ich habe dem Menschen ja nie mit Augen gesehen." „Nein — Sie nicht — allerdings," sprach zögernd der Kutscher. „Sie vielleicht?" fragte Etwold scharf. Der rothe Mathies nickte. Der Kommerzienrath schmieg betrof fen. Er war unwillkürlich einen Schritt zurückgetreten. „Sie — Sie kennen den Menschen?" stammelte er. „O, und ich weiß, wer ihn noch viel besser kennt," tönte es mit leisem Lachen zurück. Etwold blickte auf seinen entlassenen Kutscher als wenn er an dessen Verstände zweifle. „Das interessirt mich doch noch weniger," sagte er. „Macht Eure Mittheilungen nur an den Kommissar, der Euch recht dankbar dafür sein wird. Ich dagegen empfinde Eure Gegenwart momentan als eine Last, umsomehr als Ihr Beziehungen zu einem Verbrechen zuge steht, welches —" Mit Verlaub, Herr Rath," fiel ihm der Andere gereizt in's Wort, „Meine Beziehungen zu diesem Verbrechen sind solche, daß Sie mir nur Vorthetl aber einer gewissen, Ihnen sehr nahestehenden Person Gefahr für Leib und Leben bringen können." Etwold wechselte die Farbe. „Mathies," hauchte er kaum ver nehmbar, „wie meint Ihr das?" „Wie es gesprochen ist, so meine ich es," sagte zuversichtlich der Andere. „Erstens einmal widerstrebt es mir, in einem Augenblicke fortzugehen, wo ein so schwerer Verdacht auf unserm Hause lastet. Und wenn man nun gar noch erfährt, daß ich nach Amerika gehen will — zwar nur weil man dort über das Vorurtheil gegen rothe Haare und grüne Augen hinaus ist, das die ganze alte Welt und leider auch solche kluge Herren wie Sie beherrscht, — wird man sagen: „Es ist richtig; den rothen Mathies müssen wir steckbrieflich verfolgen las sen. Der hat sich am Tag der Entdeckung des Mordes unsichtbar gemacht, und wird seine Gründe dafür haben, die, da er rothe Haare hat, sicher keine guten sind." Denn rothe Haare wachsen ja nach Ihrer Ansicht aus keinem guten Grunde." Etwold schüttelte mißbilligend den Kopf. „Das sind seltsame Reden, die Ihr da führt," sagte er; „sie könnten Euch, wenn ich es wollte; in's Verderben bringen. Ein Mensch mit reinem Gewissen kommt auf solche Gedanken gar nicht. Und was Eure Entlassung aus meinen Diensten betrifft, so wißt Ihr so gut wie ich, daß dieselbe nicht erfolgt ist wegen Eurer rothen Haare die mich gar nichts ange hen, sondern wegen Eurer offen bekannten anarchistischen Grundsätze. 8Venn Ihr dieselben noch für Euch behieltet, hätte ich nichts dagegen. Aber Ihr sucht mein großes Haus- und Fabrikpersonal für Eure ge waltsamen Umsturzideen zu gewinnen, und das darf und werde ich nicht dulden." Mathies zuckte die Achseln. „Heutzutage, Herr Kommerzienrath," sprach er, „hat jeder Mensch nicht nur das Recht, sondern auch die Verpflichtung, seine politische Ueberzeugung zu haben. Na, und daß man der hin und wieder ein mal Ausdruck giebt, ist wohl nur selbstverständlich. Sie thun's ja auch, und zumal jetzt, wo die Wahlen bevorstehen." „Aber Alles mit einem Unterschiede, mein Bester," entgegnete der Kommerzienrath indignirt. „Freilich," spöttelte Mathies, „Maskenbälle kann unser einer nicht geben, um Stimmen zu angeln, und man hat ja auch kein Fab rikpersonal, dem man seine Meinung aufzwingen —" „Ihr werdet unverschämt!" brauste Etwold auf. „Was wollt Ihr überhaupt noch hier? Nehmt Euer Geld und — beglückt Ame rika mit Euren Ideen. Ich fürchte nur, Ihr werdet unter den Hellen Köpfen im Aankeelande auch keinen fruchtbaren Boden dafür finden. Guten Morgen!" Der entrüstete Chef wandte sich »ach der inneren Komptoirthür, da Jener nicht gehen zu wollen schien. Aber Mathies vertrat ihm den Weg. „Sie kennen nur einen Grund, warum ich heute nicht entlassen sein will," zischelte er. „Ich sagte ihnen aber schon, ich habe noch einen zweiten." „Ich will gar keinen kennen," rief nun wüthend der Kommerzien rath. „Packt Euch hinaus, oder ich rufe meine Leute, um Euch hinaus werfen zu lassen." „Oho!" entgegnete Mathies. „Liebt Ihr Euer eigen Fleisch und Blut so wenig? Statt jeder Antwort streckte Elwold seine Hand nach dem K'in- gelzuge aus. „Ich meine Ihre Tochter," fügte Mathies rasch hinzu. Etwolds Arm blieb in der Schwebe. „Meine Tochter?" fragte er mit ungläubigem Staunen. „Ihr müßt wirklich Euren Verstand verloren haben. Was wollt Ihr dem, nun wieder von meiner Tochter?" „Sie ist der zweite Grund, warum ich am Tage der Entdeckung des Mordes aus Ihrem Hause nicht scheiden möchte." bcn nun auf ich „Meine Tochter?!" „Jawohl, «Ihre Tochter, Fräulein Klara. Denn Niemand weiß besser als sie, wer der Ermordete gewesen." Der Kommerzienrath war einen Augenblick sprachlos. Er konnte nur den Kopf schütteln und den Mann anstaunen, der ihm so uner- Hörle Dinge sagte. „So so," sagte er endlich; als wenn er nun dahinter gekommen. „Wart Ihr nicht einer von denen, die vorhin mit draußen waren bei der Leiche?" Mathies nickte. „Und da hörtet Ihr," fuhr Etwold in höhnischem Tone fort, „daß meine Tochter verhört werden sollte — vielleicht weil sie mit einem Aufschrei, wie es so Mädchenart ist, bei deni Tobten niederstürzte. Halt, dachtet Ihr, jene Menschen sehen überall Gespenster, und auf wen sie einmal ihren Verdacht geworfen, den lassen sie nicht mehr locker, bis sie irgend ein Geständniß von ihm erpreßtIhaben.UJchl eine glaubhafte Lüge, um das rasch erwachte Vorurtheil gegen meiue Tochter zu stärken, und ihr hattet das beste Zwangsmittel gegen nna> in Händen. Aber wie wenig kanntet Ihr mich da! Ich bin leicht eingeschüchlert; auch unter so außerordentlichen Umständen E Geht Eurer Wege, sage ich, und erzählt Euer Märchen an den KB' nussar oder an den superklugen Herrn Assessor Soltmann, der ja olM' hin schon die Verwegenheit hatte, die Vernehmung meiner Tochter s» verlangen. Sie werden es Euch Dank wissen, von mir habt Ihr m' nerlei Rücksicht weiter zu gewärtigen." „Es ist gut," sagte Mathies, „ich kann ja auch gehen, wenn sic es denn durchaus wollen. Ich bemerke nur noch, daß ich nichts weiter berichten werde, als was ich mit meinem Eide erhärten kann, wen iw es mit meinen eigenen Augen gesehen habe." - Die Worte waren zu ernst und eindringlich gesprochen, ms ""v sie auf Etwold nicht doch einen beunruhigenden Eindruck gemacht h' sollten. „Gesehen! Gesehen!" fuhr er auf. „Was bildet Ihr Euch bei ein, gesehen zu haben?" .. „Gar keine Einbildung," erwiderte Mathies. „Hören L>ie eno w mit Ihrem Zeit raubenden Widersprechen. Es ist nur wenig, w - gesehen habe, aber in diesem besonderen Falle genug, um o)' Tochter — des Mordes verdächtig zu machen." ... Der Kommerzienrath erstickte nur mit Mühe einen lauten AlMW '' in welchem Schmerz, Wuth und sittliche Empörung sich mischten- „Ihr seid bestochen, Kerl," rief er mit gedämpfter Stimme r Anderen zu. „Niedrigste Rachsuchi giebt Euch das ein, und die P gier spornt Euch weiler. Von irgend einer Seite, denkt Ihr, wuß Vortheil kommen." H „Ich könnte Sie füglich Ihrem Schicksal überlassen, undam Mann," grollte Mathies; „aber dennoch will ich es nichl ungew thun. Wollen Sie mich nun hören oder nicht?" Etwold nagte wüthend an seiner Unterlippe und schwieg. „Also hören Sie," begann Mathies mit einem triumph>ce»de> - cheln auf seinem häßlichen Gesicht. „Es war gestern Nacht der Uhr habe ich nicht gesehen, aber es mochte kurz vor Mutti . sein — als es mich antneb, auch einmal einen Blick in y" bunte Leben und Treiben zu werfen, den letzten vor meinem ßMß- aus Ihrem an glänzenden Festen so reichen Hause. Vielleicht, daß ' einer ungewissen Zukunft entgegen gehend, so etwas nie wiebel z hcn bekam. Ich machte es aber nach meiner bescheidenen Stellung bescheiden und stieg unkostümirt über die Wendeltreppe hinauf, wo denn endlich vor die Glasthür des Wintergartens kam. Da w'A schon etwas zu sehen bekommen, dachte ich. Aber prosit Vie dW . Dunkel war es darin, bis auf das bischen Licht, welches dec w durch das Glasdach und die daran stoßenden Palmenkronen hem" Und beim Scheine desselben sah ich ein einsames Menschenst""^ nicht in bester Stimmung, im Gegenlheil, sogar in der allersäMM^ Sie waren in einem heftigen Wortwechsel begriffen, wie ste e . dem Theater machen, ehe sie einander todt stechen. Und m" w" .' daß ich gerade da an eine solche Scene denken mußte. Im z lange nichts verstehen. Aber auf einmal ruft er überlaut: „U" sollen Ihnen die Gerichte beweisen!" Damit rennt er fort un die Thür zu, an der ich lausche. Sie stößt einen Schrei au» folgt ihm. „Steh da," ruft sie, ich folge Dir auf die Straße. (Fortsetzung folgt.) ' Vermischtes. sie * Aus Amerika wird neuerdings eine Geschichte erzay"- „ stark an eine Erzählung Marc Twain's erinnert. Eine Zeitung n eine Gesellschaft etwas unsanft berührt. Die Redaktion wird m anonymen Schreiben aufgefordert, davon abzustehen, wenn iw etwas Unangenehmes begegnen solle. Natürlich fährt das Bla> t die Gesellschaft scharf anzugreifen. Kaum war der zweite Arn' schienen, als ein untersetzter, schnauzbärtiger Kerl mit einer Ar in die Redaktionsstube trat und den ruhig arbeitenden Redacter' „Sind Sie der Chefredacteur?" — Dieser ahnt, daß er den der anonymen Aufforderung vor sich habe und antwortet ruyrg'^ ist soeben ausgegangen; wenn Sie indessen warten und die^Z Ak mit Zeitungslesen vertreiben wollen, so will ich ihn holen.' Ar Mann mit der Keule setzt sich und fängt an, Zeitungen zu lesen- Redacter geht hinaus und trifft auf der Straße einen gleich!""" ^in dächtigen, knittelbewaffneten Menschen, der ihn ebenfalls naM Chefredacter fragt. — „O, den treffen Sie drin in der Stube" liest gerade die Zeitungen." Der Mann mit dem Knittel und fällt wie wüthend über den Keulenmann her; der setzt ivec-! lich zur Wehre und sie schlagen einander halb todt. Schließt , den sie ohne Widerstand auf die Polizei gebracht. ,mDs, *Die leidige Gepflogenheit eines Theiles des reisenden P"" ^»e den Anordnungen der Eisenbahnverwaltung und deren Beaww' ,,ch Folge zu leisten oder sich denselben sogar zu widersetzen, ^^pfck auf dem Bahnhof in Plaue (Schwarzburg-Sondershausen) em gefordert. Kurz vor Abfahrt des Nachmsttagszuges nach ^„es befand sich ein Mitreisender, ein Kellner, noch auf der Platts"^ ha? Wagens 4. Klaffe, was einen Schaffner veranlaßte, den Innere des Wagens zu verweisen. Er ging auch bis zur E»^fjch thüre zurück, kam aber sogleich, nachdem inzwischen der Sch"! entfernt und der Zug sich in Bewegung gesetzt hatte, mit < nein Bierseidel wieder vor, um seinen zahlreich auf dem P"' sb' wesenden Bekannten noch einmal zuzutrinken. Hierbei Ms gM unglücklich von der Plattform zwischen den Wagen, daß d>e über ihn weggingen. Der Unglückliche, der sofort getödm hinterläßt eine Familie von 9 Kindern. . * Bei einer Feuersbrunst auf dem Gute Gultzow bet sind 80 Milchkühe verbrannt.