Volltext Seite (XML)
Tharandt, Nasen, Jiebentehn vnd die Umgegenden. Amtsblatt siir die Königl. Aultshauptmamlschast zu Meißen, das Köniql. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdrusi. *,schei»t wöchentlich zweimal, DienStagS und Freitags. — Abonnementpreis vierteljährlich 1 Mark. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Inserate werden N»nt«»s und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Nr. 14. Dienstag, den 17. Februar 1W5, Auf dem die Firma LNuai-ll Wollner in Wilsdruff betreffenden Fol. 22 des Handelsregisters für den hiesigen Amtsbezirk ist heute verlautbart worden, daß der zeitherige Mitinhaber Eduard Wehner ausgeschieden und nunmehr Herr Leonis V^slim«!» in Wilsdruff alleiniger Inhaber der Firma ist. Königliches Amtsgericht Wilsdruff, am 13. Februar 1885. vr. Gangloff. Dage-gefchichte. Eine für die künftige Gestaltung und Entwickelung der wirthschaft- lichen Verhältnisse Deutschlands hochbedeutsame Frage bildete in vo riger Woche den Hauptgegenstand der Reichstagsverhandlungen: Die von der Reichsregierung in der Zolltarifnovelle beantragte Erhöhu g der Korn» und Getreidezölle und weiter der Jndustriezölle. Nachdem dieses Thema bereits wochenlang Gegenstand der öffentlichen Diskussion gewesen, wobei sehr entgegenstehende Ansichten über die in Rede stehende Maßregel zu Tage gefördert wurden, gelangte sie am Dienstag auch im Parlamente zur Berathung und Besprechung, welches durch die Generaldiskussion über die Zolltarisnovclle drei volle Tage in Anspruch genommen wurde. Schon der erste Berhandlungstag ergab, daß die Vorlage im Reichstage auf eine Mehrheit rechnen kann, die sich aus dem Centrum — oder wenigstens dem überwiegenden Theile desselben — den beiden konservativen Fraktionen und der einen Hälfte der Nationalliberalen zusammensetzt, auch die Elsässer sind der Vorlage günstig gestimmt, da Abg. Grad (Colmar) in der Mittwochssitzung erklärte, daß das Elsaß, als industrielles Land, lieber die Nachtheilc des Getreidezolles tragen, als auf die Vortheile des Zolltarifs ver zichten wolle. Den rothen Faden, der sich durch die ganzen Debatten zog, bildete die Behauptung, daß die Vorlage nur dem Großgrundbe sitze zu Gute kommen, welche Behauptung von den Gegnern der Vor lage ebenso eifrig gefeiert, als von den Freunden der letzteren ange griffen wurde. Am ersten Verhandlungstage griff auch der Reichskanzler in die Diskussion ein, um ebenfalls die Vorlage gegen den ihr von der Linken gemachten Vorwurf, daß sie nur das Interesse der Groß grundbesitzer fördere, in Schutz zu nehmen. Die Arbeiterschutzgesetzkommission des Reichstages nahm in der letzten Abstimmung den ß 1 des konservativen Antrags in folgender Fassung an: „Die Gewerbtreibenden können die Arbeiter zum Ar beiten an Sonn- und Festtagen nicht verpflichten. Sie dürfen dieselben an Sonn- und Festtagen nicht beschäftigen in Fabriken, Werkstätten und bei Bauten." Auf kirchenpolitischem Gebiete wird ein neuer Feldzug des Centrums angekündigt. Dasselbe will bei der bevorstehenden Berathung des Kultusbudgets im preußischen Abgeordnetenhause seine alten Anträge auf Straflosigkeit des Messelesens und Sakramentespendens, sowie auf Aufhebung des Sperrgesetzes wiederum einbringcn. ES wird also wohl wieder einmal zu einer „frischen fröhlichen" Kulturkampfdebatte kommen, welche sich um so interessanter gestalten dürfte, als das Centrum hierbei natürlich als Oppositionspartei auftritl, während es bei den Zolltarifdebatten im Reichstage der Regierung seine — man kann nicht anders sagen als sachliche — Unterstützung lieh. Herr Windthorst ist eben ein geborener Taktiker und weiß die eigenthümliche Stellung, welche das Centrum nun einmal in unserem parlamentarischen Leben einnimmt, in trefflichster Weise auszunützen. Ein Mißverständniß bezüglich der Ehrengabe des deutschen Volkes zum 70. Geburtstage des Fürsten Bismarck scheint weit ver breitet zu sein und vielleicht von Gegnern genährt zu werden. Diese Ehrengabe wird zwar, ihm und uns zu Ehren, den Namen Bismarcks tragen, sie hat aber nicht die Bestimmung, ihn „reicher zu machen", um es rund herauszusagen, oder ihm eine „Dotation" zuzuwenden, sie ist vielmehr zu einer dauernden und gemeinnützigen Stiftung be stimmt, die möglichst dem ganzen Volke und Reiche zu gute kommt. Bismarck ist es überlassen, welche Stiftung er errichten will und Nie mand wird zweifeln, daß dieser Mann, der den weitesten und sichersten Blick für das hat, was dem Reiche frommt, auch für die Verwendung dieser Ehrengabe, die seinen Namen in Gegenwart und Zukunft trägt, das Beste treffen wird. In Graz und Reichenberg können wir nächstens von neuen Hochverrathsprozessen hören. Die dortigen Deutschen wollen sich an der Bismarckspende betheiligen und die deutschgesinnten Blätter motiviren dies dadurch, daß der Kanzler Deutschland einig, selbstständig, groß gemacht hat. Da aber das Jahr 1866 in diesem Vorgänge eine sehr wesentliche Rolle spielt, so mag ein czechischer Staatsanwalt an den Bismarckspendern seine Kunst versuchen. Wie groß muß die Zahl der Anarchisten sein, da fast täglich Anarchisten verhaftet werden! Im Dorfe Lubokai bei Reichenberg sind vor einigen Tagen wieder zwei aus Wien ausgewiesene Anarchisten von der Gendarmerie verhaftet worden. Man fand bei ihnen Re volver, StiletS, Dynamit, eine Druckpresse une Druckschriften. Der eine legte den Revolver auf den Gendarm an, dieser schlug ihm die Waffe aus der Hand. Aus Warschau dringt ein merkwürdiger Nachklang der Drei- kaffer-Zusammenkunft in Skierniewice in die Oeffentlichkeit. Der Polizeimeister von Warschau fordert in den Warschauer Blättern zu angestrengten Nachforschungen nach einem Polizeioffizier Namens Schtscherba auf, welcher in Skierniewice die Wache bei der Dreikaiser- Zusammenkunft hatte und spurlos verschwunden ist. Nach den letzten Nachrichten aus dem Sudan ist denn nicht mehr zu zweifeln, daß Gordon, der „Held von Khartum", wie er mit Reü i bezeichnet wird, bei der Einnahme der Stadt durch die Truppen des Mahdi gefallen ist, nicht in ehrlichem Kampfe, sondern unter dem Dolch eines Sudanesen wurde seinem vielbewegten, thatenreichen, in seinen einzelnen Phasen an das Wunderbare grenzenden Leben ein jähes Ende bereitet. Verrath hatte der sonst so furchtlose Manu selbst in der letzten Zeit gefürchtet, denn am 14. Dezember empfing einer seiner Freunde in Kairo folgende Zeilen von Gordon: „Leben Sie wohl! Sie werden von mir keine Nachrichten mehr erhalten. Ich fürchte, daß es in der Garnison Verräther giebt und Alles wird gegen Weihnachten zu Ende sein." Diese Zeilen sollen General Wolseley veranlaßt haben, den Vorstoß nach Metemmeh zu beschleunigen. Auch sonst fehlt es nicht an Anzeichen dafür, daß Gordon bei seiner Abreise aus England nach dem Sudan an eine Rückkehr nicht geglaubt hat. Im Juli veröffentlichte die „Forteightly Review" eine „Botschaft des Generals Gordon", welche Visionen und Gedanken über daS Jenseits enthielt, aber weiter kein Interesse geboten hätte, wenn der Herausgeber der „Botschaft", ein Freund Gordon's, nicht hinzugefügt hätte, daß der Abreisende ihm sein „Testament" hinterlassen habe, „mit der festen Ueberzeugung, daß er lebend nie wieder zurückkehren werde". Diese Prophezeihungen des merkwürdigen Mannes scheinen nun in Erfüllung gegangen zu sein. Charles George Gordon hatte gerade sein 52. Lebens jahr vollendet, als ihn der Tod ereilte. Auf die erste Erregung, welche in London die Nachricht von dem Tode Gordon's hervorgerufen, ist bereits die Reaktion nachge folgt. Von radikaler Seite ertönen Vorwürfe, man solle sich durch die Chauvinisten nicht zu einem Rachekrieg aufhetzen lassen. Das ra dikale Parlamentsmitglied John Morley meinte in einer Rede zu Glasgow, wenn General Gordon und Oberst Stewart beide todt seien, brauche man sie nicht mehr zu befreien und habe den besten Grund, den Sudan sofort zu räumen, ohne daß dadurch die britischen Waffen entehrt würden. Mr. Goschen warnte kürzlich unter Hinweis auf die „Feindseligkeiten" des Fürsten Bismarck gegen England und auf Rußlands verdächtiges Auftreten nahe der Nordwestgrenze Ost indiens vor weitaussehenden Unternehmungen im Sudan. „Wir kön nen" so rief er, „wohl kaum unsere Stellung in Indien befestigen, wenn wir Truppen aus jenem Lande zum Zwecke eines unklugen Racheieldzuges, dem noch unweisere Eroberungen am Aequator folgen dürften, ziehen. Alle diese möglichen Wirren sollten uns entschlossen machen, unseren rechten Arm nicht durch Unternehmungen zu lähmen, welche Niemand in der Sprache politischer Weisheit und politischer Berechnung erklären könnte." Die wirthschaftliche Lage Spaniens bietet, gleich jener der meisten übrigen Kulturstaaten, gegenwärtig ein recht unerquickliches Bild. Sowohl in der Hauptstadt, als in den Provinzen herrscht eine hochgradige industrielle Krise, durch welche viele Tausende von Arbeitern in ihren Existenzbedingungen schwer bedroht werden. Allein in Kata lonien sind zur Zeit mehr als 40,000 Arbeiter beschäftigungslos. In Madrid kam es am 7. Februar zu einer öffentlichen Kundgebung, an welcher sich zwar nur etwa 500 Arbeiter vetheiligten, welche aber den noch einen so gewaltigen Eindruck machte, daß schon am Sonntag den 8. d. der Ministerrath zusammentrat und sich mit dem Gouverneur, sowie dem Oberbürgermeister von Madrid dahin verständigte, daß den öffentlichen Arbeiten thunlichste Ausdehnung gegeben werden soll, um so vielen gezwungen feiernden Händen Arbeit und Verdienst zu- zuführcn. Viel mag zu diesem Beschlusse die Erkenntniß von dem allgemeinen Ernst der Lage beigetragen haben. Eine kürzlich vorge nommene Enquete der Madrider Arbeiterverhältnisse hat ergeben, daß die sozialistischen und anarchistischen Tendenzen an Terrain gewonnen haben und als eine Folge der von den geheimen Gesellschaften betrie benen Propaganda anzusehen sind. Diese Gesellschaften besitzen eine nach Stadttheilen und Ardeitsbetrieben begrenzte Organisation, haben ihre eigenen Preßorgane und in den letzten Jahren mehrere Kongresse, namentlich in Valencia, Madrid und Sevilla, gehalten. Die geheimen spanischen Gesellschaften sind von den Ideen der Internationale erfüllt, welche letztere für sich wiederum zahlreiche Verzweigungen in der ka tatonischen Arbeiterbevölkerung besitzt. Mag es nun auch übertrieben sein, wenn man in Spanien eine neue Auflage des agrarischen Geheim bundes der „Schwarzen Hand" besorgt, so fordert gleichwohl die be drängte Situation der dortigen VolkSwirthschaft die Staatsmänner und Parteien gleichmäßig zur Ergreifung sozialreformatorischer Maß regeln in dringendster Weise auf.