Volltext Seite (XML)
zu ermäßigen, oder gänzlich außer Kraft zu fttzen. Abg. Flügge spricht § seine Ueberzeugung aus, daß der Kanzler den Schutzzoll ausheben werde, sobald er dem Volke Nachtheil bringe. Daß die Landwirthschaft gegen wärtig Noth leide, gebe Jeder zu, eiu Versuch mit Zöllen müsse ge macht werden und dabei werde am meisten der Arbeiter gewinnen. Ter Antrag des Abg. Schorlemer auf Erhöhung des Roggenzolles aus 3 M. wurde mit 192 gegen 1dl Stimmen, die Erhöhung des Weizenzolles auf 3 M. wurde mit 229 gegen 113 Stimmen angenommen. Die mit der Ausarbeitung eines Börsenstenerentwurfs be traute Subkommission hat einen Entwurf ausgearbeitet, will ihn aber noch einer zweiten Lesung unterziehen. Dem Vernehmen nach schlägt der Entwurf eine Steuer von V.« pro Mille und bei Geschäften mit dem Auslande '/z„ pro Mille vor. Der Schiußnotenzwaug soll durch die vorgeschriebene Benutzung von Stempelbogen ersolgen. Die Postsparkassenkommission des Reichstages hat in zweiter Lesung die Vorlage abgelehnt, dagegen folgende Resolution angenom men: „Die verbündeten Regierungen aufzusordern, dem Reichstage einen Gesetzentwurf vorzulcgen, welcher durch Mitwirkung ver Post verwaltungen bei Annahme, Unterbringung und Rückzahlung von Spar geldern die Vermehrung und Verbesserung der Spargelegenhelten und deren Verbreitung über das Reichsgebiet bewirkt." Die Arbeiterschutzgesetzkommission des Reichstages hat unter Widerspruch der Linken beschlossen, dem tz 105 u Alinea 5 der Gewerbeordnung für das deutsche Reich folgende Fassung zu geben: „In Verkaufsstellen aller Art dürfen Handlungsgehilfen und Lehrlinge im Ganzen und zu gleicher Zeit an Sonn- und Festtagen nur fünf Stunden beschäftigt werden." Die Petitionskommission des Reichstags bcricth über eine Petition des Strumpfwirkers Müller aus Glauchau i. S., welcher wegen schweren Diebstahls zu 2^ Jahren Zuchthaus verurtheilt, 21^ Monate dieser Strafzeit abgesessen hat, um dann, da seine Schuld losigkeit bezüglich des ihm zur Last gelegten Verbrechens sich ergab, aus der Haft entlassen zu werden. Laut Beschluß der II. sächsischen Kammer sollte er mit 750 M. entschädigt werden , doch lehnte die erste Kammer des Landes die Zahlung dieser Entschädigungssumme ab. In der Kommission beantragten die „freisinnigen" und sozialde mokratischen Mitglieder Ueberweisung der Beschwerde des Müller an das Plenum als Material zur Berathung des bekannten Lenzmann'schen Antrages wegen Entschädigung unschuldig Vernrtheilter. Dieser An trag wurde mit 8 gegen 8 Stimmen in der Kommission abgelehnt. Man beschloß vielmehr Uebergang zur Tagesordnung, da das Reich über einen Fond für derlei Entjchädigungszweckc nicht verfüge. Das Testament des Herzogs von Braunschweig wurde am 27. Januar in London Namens des Herzogs von Cumberland be stätigt. Das in England angelegte Personalvermögen des verstorbenen Herzogs beläuft sich auf über 3,200,000 Mark. Unglaublich scheint es, daß im Duell zwischen den Lieutenants v. Wille und v. Gotzow in Köln 12 mal, nach andern Nachrichten sogar 27 mal die Kugeln gewechselt worden sind, bis Wille eine Leiche war, und die Veranlassung? Eine verwechselte Mütze! In der Schweiz scheint man nun auch die Geduld gegenüber den Anarchisten eingebüßt zu haben. Der Berner „Bund" stellt den ungeberdigen Gasten, welche den Dank für das ihnen gewährte Asyl mit Schimpfworten und Drohungen abstalten, eine Massenausweisung in Sicht. Der „Bund" schreibt: „Wenn die von den Blättern letzter Tage gebrachten Nachrichten, daß in verschiedenen Städten der Schweiz förmlich organisirte Anarchsitenvanden bestehen, durch die polizeilichen Ermittelungen bestätigt werden, so dürfte der Bundesrath nicht säumen, von den ihm durch die Bundesverfassung verliehenen Befugnissen vollen Gebrauch zu machen. Eine allgemeine Ausweisung aller fremden Anarchisten und Behandlung abfälliger einheimischer nach Maßgabe der bestehenden Gesetzgebung müsse wohl als zutreffendes Mittel er achtet werden, um die Ruhe der Eidgenossenschaft nach Außen und Innen zu sichern." Nachdem England mit der deutschen Kolonialpvlitik und ihren Ersolgen wenigstens äußerlich sich versöhnt hat, beginnen fran zösische Stimmen zu protestiren. Der der französischen Regierung nahestehende „Temps" bringt einen Brief, in welchem gesagt wird: „Die von dem Kommandanten der deutschen Korvette „Ariadne" an verschiedenen Punkten zwischen dem Rio Pongo und Dubreka abge schlossenen Verträge haben im Senegal die lebhafteste Bewegung her vorgerufen. Die von Deutschland erhobenen Ansprüche sind durchaus unbegründet. Die in Taboria, an der Mündung des Rw Pongo, aufgepflanzte deutsche Fahne befindet sich beispielsweise in Kanonen schußweite von dem französischen Posten von Boffa. Das gesammte Terram, von welchem Deutschland Besitz ergriffen habe, gehört in Folge der mit den Königen von Rio Pongo, Bramaga und Dubreka von Frankreich abgeschlossenen Verträge unter der Oberhoheit des letz teren. Der Kommandant der Ariadne hat nur mit den den gedachten Königen unterstehenden Chess verhandelt." Auch die französischen Beklemmungen werden vorübergehen, wahrscheinlich ohne daß sich daS Kabinet Ferry sich von denselben berührt zeigt. Während über die deutschen Besitzergreifungen in der Südsee seitens der Korvette „Elisabeth" und des Kanonenbootes „Hyäne" jetzt interessante detaillirte Berichte veröffentlicht werden, kommt vom Kongo die Kunde, daß Deutschland auch dort festen Fuß gefaßt hat. Pre mierlieutenant Schultze, der Führer der deutschen Kongo-Expedition, meldet, daß er in Noki am südlichen Kongo-User die deutsche Flagge aufgehißt und daselbst für Deutschland durch Verträge mit den Häupt lingen der dortigen Gegend wie mit der afrikanischen Gesellschaft ein nicht unbedeutendes Stück Land erworben habe. In London fand am 16. d. M. Kabinetsrath statt. Der Pre mier Gladstone hat an die ministerielle Partei im Unterhause ein Schreiben gerichtet, in welchem es heißt, daß sofort nach dem Zu sammentritte des Parlaments am 19. d.M. Dinge von sehr großer Wichtigkeit dessen Aufmerkiamkeit in Anspruch nehmen würden. Wir kennen diese Dinge, der Mahdi kennt sie auch. General Wolseley hat telegraphisch einen ausführlichen Bericht eines Augenzeugen aus Khartum gemeldet. Nach demselben drangen die Aufständischen am 26. v. M. bei Tagesanbruch in Khartum ein; Gordon wurde durch eine Salve der Aufständischen erschossen, als er sich nach dem öster reichischen Konsulat begab. Der österreichische Konsul wurde in seiner Wohnung getödtet, der griechische Konsul wurde gesangen genommen. Den Dy namitbolden geht's sehr wider Willen wie großen Herren, die inkognito reisen: die Depeschen fliegen ihnen voraus, sogar über's Meer. Einer, der dieser Tage aus Amerika zu Schiffe in Hamburg ankam, war sehr überrascht, von der Polizei zuvorkommend empfangen und mit dem nächsten Schiffe nach London transportirt zu werden. England hatte seinen Steckbrief geliefert und seine Ausliefe rung verlangt. Zwei andere sind nach Frankfurt gebracht worden. In Gibraltar ist am 16. Februar ein kleines Pulvermagazin explodirr. Es wurden 9 Soldaten und 8 Civilisten getödtet. Durch eine Schneelawine sind drei Viertel der Stadt Utah in Nordamerika zerstört worden, wobei 16 Personen ums Leben kamen. Vaterländisches. — In vielen Familien wird jetzt die ernste Frage erörtert: Was soll aus dem Jungen nach der Konfirmation werden? Es sind nur noch wenige Wochen bis zu dem Tage, an welchem das Kind auS dem Elternhause in das Leben eintreten soll, um zu lernen, selbst den schweren Kampf mit dem Leben aufzunehmen. Leben ist arbeiten; verständiges arbeiten mit dem nöthigen Wissen gepaart geben heute allein ein Gewähr für sichere Zukunft, wenn auch nicht für schnelles Reichwerden, worauf sich so Vieler Gedanken lenken. Unsere heutige Zeit verspricht dem Arbeitsfreudigen stets ein Fortkommen, und wenn auch nicht Jeder ein großes Ziel erreichen kann, die Achtung seiner Mitbürger kann ein Jeder gewinnen und die muß er zu gewinnen suchen. Diese Achtung knüpft sich aber nicht mehr an Aeußerlichkeiten, der rechte Mann am rechten Platze findet überall Anerkennung; daß die Söhne etwas Tüchtiges, für ihr Leben Brauchbares lernen, darauf kommt es heute vor Allein an, mit dem bequemen Dahinschlcndern und dem Warten auf die gebratenen Tauben ist es längst nichts mehr, j Eltern, deren Söhne zu Ostern konfirmirt werden sollen, mögen daher ja die Frage der künftigen Berufswahl ernst und gewissenhaft erwögen und sich vor allem hüten, auS Eitelkeit und falscher Ehrsucht einen Beruf zu wählen, dem der junge Mann vielleicht nicht gewachsen ist. In den seltensten Fällen hat der Knabe selbst ein Urtheil, seine erwach senen Angehörigen müssen daher für ihn denken und prüfen. Ein Mißgriff rächt sich oft schwer und Zeit seines Lebens wird der in falsche Bahnen Gelenkte mit Unlust und Widerwillen zu kämpfen haben. — Am 14. Februar d. I. waren es 50 Jahre, daß den Einwoh nern Dresdens und feiner Umgegend der erste Anblick eines Elbdampfschiffes zu thcil wurde. — Für das im Monat Juli in Dresden stattfindende große deutsche Turnerfest ist das Programm bereits festgestellt. Dasselbe nennt für Sonnabend, den 18. Juli, Empfang der Turner, Konzert in der Festhalle; Sonntag früh Schwimmen, dann Festzug, Freiübungen rc. Die folgenden Tage Montag (an welchem auch das Turnen der Sachsen geschieht), Dienstag und Mittwoch sind fast ausschließlich dem Turnen gewidmet. Für Donnerstag sind Turnfahrten, Abschiedsfeste auf der Brühlschen Terasse, Feuerwerk auf der Elbe und festliche Be leuchtung der Brücken rc. vorgesehen und Freitag, den 24. Juli, bis Sonntag, den 26., finden Volksbelustigungen auf dem Festplatze statt. Gelegentlich dieses Festes soll dem Ur. mock. Götz in Lindenau bei Leipzig und Ur. Georgi in Eßlingen in Württemberg, welche sich beide um das deutsche Turnweien hoch verdient gemacht haben, eine verdiente Auszeichnung durch Ueberreichung ihrer Marmorbüsten er- wiesen werden. — Zur Warnung für manchen Wirth wird aus Riesa berichtet: In der am 11. d. M. im hiesigen königl. Amtsgerichte abgehaltenen öffentlichen Schöffengerichlssitzung, zu welcher sich eine große Menge Zuhörer eingefunden hatte, wurden, da die Beweisaufnahme die Schuld der Angeklagten bestätigte, die hiesigen Gasthofsbesitzer H. Brennecke (Sächsischer Hof), R. Wolf (Deutsches Haus) und O. Wehle (Wettiner Hof) wegen Gestattung von Glücksspielen und Getreidehändler Nietner wegen Veranstaltung solcher mit ansehnlichen Geldstrafen (Brennecke 400 M., Wolf 150 M., Wehte 100 M. und Nietner 60 M.) belegt. Die Verhandlung entrollte ein trübes Bild davon, in welch' hohem Grade dem unseligen, Wohlstand und Familienglück zerrüttenden Laster gefröhnt worden war. — Der Aufruf des Dresdner Kegelklubs „Die Sandhosen" (Hotel Annenhof, Annenstraße 23) zu einer vom 6. bis 8. Juni o. zu Dres den stattfindenden Versammlung von deutschen Kegelklubs hat in den betreffenden Kreisen einen derartigen Anklang gefunden, daß sich bereits 27 Klubs mit über 300 Mitgliedern innerhalb der ersten 4 Wochen gemeldet haben. Weitere baldgef. Anmeldungen nimmt der obgenannte Klub entgegen und wirb später ein ausführliches Programm zum Versandt kommen. — Dippoldiswalde. Im Dorfe Löwenhain waren einem Dienstknechte 40 M. abhanden gekommen, und lenkte sich der Verdacht, dieselben zu haben, auf die Kleinmagd in dem betreffenden Gute. Dieselbe schlief mit der Großmagd in einem Bett und am Sonnabend fand man letztere früh erdrosselt vor. Unter dem Kopfkissen lag ein Zettel, in welchem sie bittet, den Verdacht von der Kleinmagd abzu lenken, da sie die Thäterin sei und sich deswegen das Leben genom men habe. Da nun die Schrift auf dem Zettel durchaus nicht mit der Handschrift der Tobten stimmt, die Kleinmagd aber an dem Mor gen sich durch ein zerkratztes Gesicht auffällig machte, liegt der schreck liche Verdacht sehr nahe, daß letztere den Diebstahl begangen, und sich auch noch durch eine Mordthat belastet hat. Sie wurde deswegen ins Amtsgericht Lauenstein eingeliefert. — Tie bevorstehende Leipziger Ostermesse beginnt offiziell am 20. April und endigt am 9. Mai. Der Großhandel kann in der bisher üblichen Welse bereits in der zum Auspacken bestimmten Vor woche vom 13. April an betrieben werden. — Am Dienstag Morgen drang der Strumpfwirkergeselle Eichler in Oschatz in ein Waschhaus ein und brachte der dort in Arbeit be findlichen Waschfrau Mohn durch Messerstiche verschiedene Verwun dungen bei. Eine am Abend zuvor gehabte Meinungsdifferenz zwischen Beiden scheint die Veranlassung zu diesem Ueberfalle gewesen zu sein. Der Attentäter befindet sich in polizeilichem Gewahrsam. — Ein Akt der Rohheit, wie derselbe kaum schlimmer gedacht werden kann, spielte sich am Sonntag früh in Glauchau ab. Als nämlich der Webergeselle H. im Begriff war, nach seiner Wohnung zurückzukehren, wurde derselbe von einer Anzahl direkt aus der Kneipe kommender jungen Leute angerempelt und mit Schlägen traktirt, sodaß derselbe nach kurzer Zeit mit Blnt überströmt auf der Straße liegen blieb. Der Aermste soll außer einer Anzahl Verletzungen am Kopfe und Gesicht am rechten Vorderarm einen ziemlich tiefen Messerstich, welcher Ueberzieher und Rock durchdrungen, erhalten haben. Den energischen Maßnahmen der Polizei ist es gelungen, 3 aus Schlesien stammende Webergesellen als der That dringend verdächtig festzunehmen. — Ein Zwickauer Einwohner machte die trübe Erfahrung, daß seine Ehefrau von einem vorgeschützten Ausgange nicht zurückkehrte und daß die volle Geldkasse geleert war. Eine gleich unangenehme Erfahrung machte andererseits eine Ehefrau bezüglich ihres Gatten. Nach den von beiden Seiten angestellten Recherchen gelangte man zu der Ueberzeugung, daß die Vermißten gemeinsam sich aus dem Staube gemacht hatten.