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114 schaftlichc Bildung, vielleicht gegen die Ueberzeugung der Majorität, den Ausschlag gibt. Wenigstens wird es durch seine Bethciligung an den Debatten in vielen Fallen geschehen, daß manche tüchtige Landwirthe, denen erprobte Erfahrungen zur Seite stehen, die aber mit der Sprache nicht so gut um- zuspringcn wissen wie der Herr Präsident, sich des halb abhalten lassest ihre Meinung auszusprechen. Man wird bei einigermaßen lebhaften Sitzungen wiederholt die Wahrnehmung machen, daß zwei oder drei Personen in leisen, aber lebhaften Wvrlstrcit gerathen, denselben aber sofort fallen lassen und verstummen, wenn sie vom Vorsitzenden ersucht werden ihre Ansichten und Meinungen der Versamm lung zum Besten zu geben, weil sie sich mit der Sprache nicht fortzukommen getrauen. Eine je ge lehrtere Haltung nun der Vorsitzende durch die Art und Weise seines Präsidiums der Versammlung zu verleihen weiß, was bei einem nur der Wissenschaft lebenden Manne oft unwillkürlich geschehen mag, eine desto größere Zurückhaltung wird er bei dem kleinen Grundbesitzer, dem durch und durch nur^ praktisch gebildeten Landwirthe hervorbringen. Nach unserer Ueberzeugung müssen die Verhandlungen so gepflogen werden, daß auch der schlichte Landmann, zu Hause darum befragt, in kurzen Umrissen ein Bild von denselben zu geben vermag. Jede Sitzung muß so beschaffen sein, daß der kleinere Landwirth wenigstens um einige praktische Erfahrungen berei chert sie wieder verläßt und er nicht Ursache hat die Zeil und den Weg zu bereuen, weil er sich über den erlangten Nutzen ob des Besuchs der Vercins- sitzung keine Rechenschaft zu geben vermag. Dieses für ihn beklagcnswerthe Gcständniß wird er sich besonders dann machen, wenn eine Menge Eingänge vom Kreisvercine, dem Landeskylturrathe oder irgend welcher Behörde in der Sitzmlg zur Erledigung ge bracht werden mußten und dadurch ein großer, oft gar der größte Tbeil der Zeir in Anspruch genom men wurde. Da der Inhalt dieser sogenannten Eingänge der Landwirthschaft als solcher meist fern liegt, schadet die zeitraubende Erörterung derselben denUandwirkyschaftlichen Vereinen ganz ungemein. In der Regel fff schon eine schädliche Abspannung oder mindestens-eine Zerstreutheit bei Vielen cingclrctcn, wenn nach der endlichen Erledigung dieser Vorlagen die eigentlkche l'andwirthschaftlichc Sitzung beginnt. Es will uns überhaupt bedünken, als ob das land- wirthschaftliche Vereinswesen von Oben herab oft dadurch verkannt würde, daß man den Vereinen gegenüber die Stellung einer Behörde einnimmt, die mit Untergebenen verkehrt, wahrend doch die Vereine nur durch den freien Zusammentritt einer gewissen Anzahl Personen gebildet sind und augenblicklich aufhörcn solche zu sein, sobald die Mitglieder nickt mehr zusammen kommen zu wollen beschließen. Die Kreisvereine und der Landeskultur- rath hören in dem Augenblicke auf zu eMiren, in welchem die landwirthschaftlichen Vereine in Sacksen ihre Auflösung erklären, so gut beim Militair ohne Gemeine keine Offiziere denkbar sind. Ein anderer Grund, weshalb das landwirth- sckaftliche Vercinswesen in der hiesigen Gegend nicht mehr gedeihen mag, darf in dem Umstand erblickt werden, daß bei uns Klima und Bodenbeschaffen- hcit dem Landmann in die Hand arbeiten und ihn nicht in dem Grade als anderswo nölhigen auf Mittel zu sinnen der Natur zu Hülfe zu kom men. Wo man mehr künstliche Wege einschlagcn muß, dem Boden einen Ertrag abzuringen, sind auch die landwirthschaftlichen Vereine besuchter, wie z. B. in Königsbrück. Hier bei uns ist dies schon etwas Anderes und die Aeußerung eines LandwiclhS, der auf unsere Frage, warum er denn keinem land- wirthschaftlichen Vereine beilrcte, erwiderte, auf sei nen Feldern stehe das Getreide eben so schön als auf den angranzenden Fluren des Vorsitzenden des landwirthschaftlichen Vereines zu G., klingt denn doch sp ganz abgeschmackt nicht. Es wird wenig stens erklärlich, warum in der hiesigen Gegend manchen Leuten die Vortheile, welche die landwirlh- schafllichen Vereine zu gewähren vermögen, nicht so m die Augen springen, als anderswo, was sie ver- anlaßt im alten Schlendrian fort zu wirlhschaften und um Neuerungen und Verbesserungen sich wenig zu bekümmern. Ein weiterer Grund zur Mißstimmung und Verleitung der Sitzungen ist die zu strenge Auf rechterhaltung der parlamentarischen Form vvn Seiten des Präsidiums. Wir geben recht gern zu, daß ein Verein ohne einiges Formen wesen nicht bestehen kann und daß cs Sache des Vorsitzenden ist dasselbe aufrecht zu erhalten. Diese Formen dürfen sich aber nur auf das Allernvth- wendigste erstrecken und müssen so einfach als mög lich sein. Es darf nicht vergessen werden, daß Landwirthe, die zusammengekommen sind, um sich über die in ihr Fach und ihre Beschäftigung ein- schlagenden Gegenstände unter einander zu besprechen, keine Landtagsabgcordnetcn sind und daß das ein fache Zimmer, in welchem sie sich zu versammeln pflegen, kein Ständesaal ist. Dem schlichten Land- mann, der den ökonomischen Verein in seiner Gegend besucht, ist nichts mehr zuwider, als leeres Formen wesen, von dem er nicht einmal einen Begriff hat. Das Stellen von Anträgen und Unterantragen, das Unterstützen der Anträge, das Zurückzichen, das Ab geworfenwerden derselben u. d. m. sind dem echten Landwirth von altem Schrot und Korn böhmische Dörfer und nebenher ein Gräuel, weil ihm solch Formenwesen als Zcitverschwendung erscheint und der Gedanke sehr nahe liegt, daß inzwischen etwas viel Nützlicheres hätte verhandelt werden können. Das strenge Festhalten an Formen hat den land- wirthschafilicken Vereinen viel, außerordentlick viel geschadet. Wir haben Vcreinsmitglicder mit wahrer Entrüstung sich über die Zähigkeit aussprechen hören, mit welcher Einzelne in den Sitzungen sich an Formen anzuklammcrn pflegen und diese so uninter essant als möglich zu machen suchen, ja wir könnten Personen namhaft macken, die einzig und allein des ihnen unausstehlich gewordenen Formenwcsens wegen aus dem Vereine, dem sie angehörten, ausgeschiedcn sind. Daher rächen wir jedem Vereine auf das