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Tharandt, Aasen, Aiebenlehn md die Umgegenden. Amtsblatt für die Königl. Amshanptmaunschast zu Meißen, das Köniq!. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdrusi. 45. Krscheixt wöchentlich zweimal, Dienstags and Freitags. — Abonnementpreis vierteljährlich 1 Llark. Einzelne Nummern 10 Psg. — 'Inserate werden Montax! und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Nr. Z3 Freitag, den 13. Februar 1885 DageSgefchichte. Im Reichstage wurde am 6. Februar über Ermäßigung der Gerichtskosten verhandelt. Der Antragsteller Payer hob hervor, daß die Nothwendigkeit allseitig anerkannt sei, daß die Ermäßigung ohne Schädigung der Anwälte erfolgen könne bei Pnvatklagen, bei den Reisekosten, im Konkursverfahren, im Mahnverfahren und AUmen- ! tationsklagen. Die Abg. Hartmann und Brünings stimmen Namens der konservnt. und ual'vn.-iiberulen Parteien zu; Abg. Horwitz glaub!, daß nur in einzelnen Sätzen eine Ermäßigung stattfiuden könne; Abg. Bock erklärt, daß der geringe Manu bei dem jetzigen Verfahren und der jetzigen Höhe der Kosten sein Recht nicht erlangen könne. Der Antrag Payers wird fast einstimmig angenommen. Die Reichsreqierung Hal ein neues Weißbuch über die deutschen - Interessen in der Südsee veiöffentlich!, welche oie Annexionen auf Neu-Guinea und den deutsch-samoanischen Staatsvertrag belrifft. Es geht hieraus hervor, daß England, trotz der ihm bekannten Absichten Deutschlands auf die Nvrdostküste von Neu-Guinea und trotzdem, daß das Kabinet Gladstone erklärt hatte, das britische Protektorat auf den südlichen Theil von Nen-Guinea zu beschränken, gesonnen ist, auch die Nordostküste dieser Insel zu annektiren. Wird diese Annexion wirklich durchgesührt, dann würde sich eine beoenkliche Kollision der deutschen und der englischen Interessen in der Südsee ergeben; es ist indessen wahrscheinlich, daß die englische Regierung auch in dieser Angelegenheit zul tzt den Rückzug antreten wird, zumal ihm jetzt die egyptischen Ver legenheiten über den Kopf zusammenschlagen. Zur auswärtigen Lage wird der „Köln. Ztg." aus Berlin ge schrieben: Wenn man nicht wüßte, daß sowohl Kaiser Wilhelm wie Fürst Bismarck als ihre letzte Lebensaufgabe die Erhaltung des Friedens anseheu, so könnte man wirklich anfangen, an Pulver zu denken. Begegnen uns die Engländer über See mit ihrer hergebrachten gehässigen Neidschaft und wiegeln sie die Eingeborenen gegen unsere Kaufleute auf, so suchen sie auch diplomatisch eine Gruppirung um sich zu bilden, die ihnen gegen Deutschland ein gewisses Gewicht ver schaffen könnte. Vor der Hand ist blos Italien dem Lockrufe gefolgt in der Hoffnung, dabei eine billige Beute zu machen. England hat ihm bereitwilligst einige Länderstrecken geschenkt; allerdings solche, die nicht England gehören, sondern dem Sultan, und die es sich erst holen muß. Das dürfte aber am letzten Ende nicht so leicht sein, als es scheint, da der Sultan schwerlich Lust und sicher keinen Grund hat, aus Liebe zu England seine Flagge von den Küsten des rothen Meeres wegzunehmen. Mag die italienische Politik seit 1866 glücklich gewesen sein, ruhmvoll ist sie im Gegensatz zu der Zeit vorher nicht gewesen und die Beständigkeit wie die Tapferkeit haben sie nicht ausgezeichnet. Auch jetzt schon scheint den Italienern bei ihrem englischen Bündnisse etwas bange zu werden, da sie es bereits leugnen, ehe es noch recht in Kraft getreten war. Vielleicht kommen sie wieder zum Kaiserbünd- niß zurück, wenn Fürst Bismarck ihnen auch nicht, wie Herr Gladstone, ein paar türkische Provinzen versprechen kann. Für uns hat das ita lienisch-englische Verhältniß auf Unkosten des Sultans den großen Gewinn, daß es das französisch-deutsche Einvernehmen naturgemäß stärkt. Was England und Italien am Mittelmeer und am rothen Meere erstreben, ist ja zuletzt die Schwächung der Stellung Frankreichs, in welche letzteres gutmillhig wohl nicht willigen wird. Deutsche Abnehmer amerikanischer Verzehrsartikel können gar nicht oft genug daran erinnert werden, daß jenseits des Ozeans die scham loseste Levensmittelverfälschung betrieben wird, so schamlos und in solchem Umfange, daß, was in Amerika viel sagen will, allgemein der Ruf nach gesetzlichem Einschreiten gegen das in jeder Hinsicht verderb liche Unwesen erhoben wird. Der englische Konsul in Philadelphia, Mr. C'-ipperton, berichtete unlängst seiner Regierung, daß fast alle zur menschlichen Nahrung dienenden Gegenstände auf alle mögliche Art verfälscht werden. Das gilt insonderheit von den Artikeln des Maffenkonsums als Mehl, Brot, Butter, Käse, Milch, Kaffee, Bier; ferner von Essig, Pfeffer, Senf und anderen Gewürzen. Selbst Arz neien und Droguen entgehen dem allgemeinen Verhängniß nicht. Daß nicht nur der transatlandische Konsum-nt, sondern auch Europa an einer Aenderung dieser Zustände interessitt ist, möge der Umstand dar- thun, daß allein an „Butler" und „Käse", wenn diese ehrlichen Namen auf das mixtum oompnsitum der Fälscher Anwendung finden können, monatlich für mehr als eine M llwn Dollars nach Europa verschifft wird. Aus Böhmen, 8. Februar. Bekanntlich ist durch die Berggesetz novelle vom 24. Juni 1883 für den Bergbau der Normalarbeits tag, die Sonu- und Feiertagsruhe eingeführt worden. Nach kaum sechsmouatlicher Wirksamkeit dieses Gesetzes haben die Bergarbeiter der Becgdirektion zu Pribram ar. das Ackerbauministerium eine Pe tition eingereicht, in welcher dieselben um Aufhebung der genannten Vorschriften bitten, welche von ganz abnormen Schädigungen der Ar beiterschaft begleitet sind, da ihnen das Verbot des Verfahrens von Ueberschichten untersagt und daraus eine wesentliche Verminderung ihrer Einnahmen erwachsen ist. Der Bericht, den das Ackerbauministe- rium über diese Petition von der Bergdirektion Pribram eingefordert hat, bestätigt nicht nur diese Beschwerden der Arbeiter, sondern kon- statirt gleichzeitig ein durch die Vorschriften der Berggesetznovelle ent standenes Mindererträgniß von 300,000 fl. Ist denn bei den Belgiern ebenso wie bei den Franzosen eine Schraube los und ledig? Vor den Geschworenen in Brüssel stand em Mann Boulogne, der seine ungetreue Frau mit Messerstichen ge- tödtet hatte. Nach einer Berathung von 10 Minuten sprachen die Geschwor.ueu den „sympathischen" Mörder unter Hellem Jubel des Publikums frei. Ein anderer Ehemann hatte mit seiner Frau, „welche zu sehr den Priestern anhing und an allen kirchlichen Festlichkeiten theilnahm", in Uneinigkeit gelebt; sie hatten sich getrennt, der Mann aber wollte, daß seine Frau wieder zu ihm käme; sie weigerte sich wegen schlechter Behandlung; da schoß er sie mit Revolverschüffen nieder und zerfleischte sie mit Messerstichen. Nach kurzer Berathung sprachen die Geschworenen auch diesen Mann frei, „da er in sichtlicher Erregung gehandelt, also nicht ganz zurechnungsfähig gewesen sei". Nun brach der Beifall der Zuhörer aus, und der Freigesprochene, noch mehr aber der Pertheidiger Janson, wurden mit Jubel aus dem Ge richtssaale geleitet. Es fehlte nicht viel daran, man hätte Janson die Pferde ausgespannt. Europa hat sich noch nicht von: Staunen erholt, daß sich Italien emanzipirt hat und sich am Rothen Meer zu thun macht. Während es seither im politischen Gefolge von Deutschland, Oesterreich und Rußland marschirte und sich dabei sicher und wohl befand, hat es Plötzlich eine Schwenkung gemacht und sich den Engländern angeschlossen. Die Engländer sollen um das förmliche Bündniß mit Italien werben und verlangen, daß es mit englischen Truppen gemeinschaftlich den Mahdi bekämpfe. Welchen Kampspreis Italien erhält, das ist noch die Streitfrage; man nennt Marokko und anderes Land. Den Paar tausend Italienern, die Massaua rc. besetzt haben, sollen etwa 15,000 Mann weitere Gruppen folgen; Massaua und Suakim sollen nur die Stützpunkte für den Krieg werden. Der Sultan protestirt energisch und nicht ohne Sympathie der andern Mächte, namentlich Frankreichs. Denken die Italiener an den Krimkrieg, in welchem sie die Bundesge nossen Napoleons wurden, dessen mächtige Freundschaft damit erkauften und viel Glück damit hatten? Bald wird alles klarer werden. Es werden zu viele Großfürsten! Der Kaiser von Rußland hat einen Ukas zur Abänderung der kaiserlichen Hausordnung erlassen. Darnach sollen die Abkommen eines Kaisers nur bis zum Enkel noch den Titel Großfürsten und Großfürstinnen führen; die Urenkel sollen einfache Fürsten resp. Fürstinnen sein. , Die Seinepräfektur in Paris hat eine Statistik der nicht vermie- theten Wohnungen ausnehmen lassen. Nach derselben stehen von über 400,000 Wohnungen gegenwärtig 18,500 leer, darunter viele in Neugebauten Häusern. Bei 4000 dieser leerstehenden Wohnungen beträgt der Miethpreis weniger als 4000 Franks. Wolseley, der englische Obergeneral in Egypten, hat Befehl er halten, den Feldzug im Sudan um jeden Preis fortzusetzen bis zur Unterdrückung des Aufstandes. Dazu gehört aber großer Nachschub Won englischen Truppen und Ausrüstung jeder Art. Der Mahdi ist siegreich und viele seither den Engländern befreundete Stämme haben sich dem Mahdi angeschlossen. Ob General Gordon bei der Erstürmung von Khartum gefallen oder gefangen oder masiakrirt worden ist, weiß noch Niemand. Wahrscheinlich ist's, daß ihn der Mahdi geschont hat, um ihn als Geisel zu behalten und von den Engländern mit Eseln voll Gold und anderen werthvollen Zugeständnissen anslösen zu lassen. England ist voll Bestürzung und getröstet sich des einzigen Freundes in der Noth, der Italiener. Ueber den Fall Khartums und das Schicksal Gordon's wird jetzt folgende Version für die wahrscheinlichste gehalten: Die Aufstän dischen seien durch den Verrath zweier Paschas, welche früher einmal von General Gordon bestraft worden waren, in die Stadt eingelassen worden. Der Befehlshaber der drei Dampfer, welche in Khartum blieben, hätte des Mahdi Truppen bis an das Hauptthor der Stadt gebracht und sie dort nach Einbruch der Nacht eingelassen. Darauf habe sich Gordon mit dem griechischen Konsul Nicola, 50 Griechen und 250 lreugebliebenen Soldaten in die katholische Kirche oder in em anderes Gebäude zurückgezogen, und sei dann im Kampfe gegen die übermächtigen Aufständischen mit dem Degen in der Faust gefallen. London. Ein Telegramm der „Daily News" aus Gakdul vom 8. d. M. meldet: Aus Khartum entkommene Eingeborne bestätigen, daß der General Gordon getödtet wurde, als er aus dem Hause trat, um die treugebllebenen Truppen zu sammeln; letztere wurden sämmtlich niedergemacht. Bei dem mehrere Stunden dauernden Gemetzel wurden selbst Frauen und Kinder nicht verschont, die Notablen Khartums außer zweier verrätherischer Paschas getödtet. Der „Bürger" Most scheint n. n auch den Amerikanern recht un bequem zu werden. Verschiedene einflußreiche Organe der Unionsstaaten fordern die Entfernung einer Person, die nachgerade ein Geschäft mache, Unfrieden zu säen und die Herrschaft des Dolches und Dynamites in die Sozialpolitik einzuführen, wie dies von dem Genannten mit solch' unglaublicher rethorischer Frechheit thatsäckflich geschieht. Veranlassung zu dieser Stellungnahme gab eine neuerliche Rede Mvst's, deren Phrasen an Wahnsinn streiften, da kurzweg die Vernichtung go"- Gesellschaftsklassen gefordert wurde.