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Einen in der ganzen Welt giebts doch, der den Anarchisten Reinsdorfs und feine That preist und verherrlicht — und dieser Eine ist leider ein Deutscher, der berüchtigte Most drüben in Amerika, in welchem jeder Tropfen Blut sich in Gift und Galle verwandelt hat. In einer großen Versammlung feierte er Reinsdorfs, nannte ihn zärt lich den Vater der Anarchie und rühmte, daß er die „Ehre und das Vergnügen" gehabt habe, ihn persönlich zu kennen. „Welcher „Knall effect" wäre es gewesen, wenn die Mine aus dem Niederwald aufge flogen und der Kaiser, der Kronprinz und alle die Männer um ihn in die Luft geflogen wären." „Ein großer Mann dieser Reinsdorfs, ein Mann der That, ein Markstein in der Geschichte, feine Rede vor Gericht war die beste Predigt, seine Parole kurz und bündig: Dem Verräther den Strick, dem Büttel den Dolch (s. Rumpff in Frankfurt), dem Pfaffen das Gift, dem Protzen die Kugel, dem Fürsten die Bombe."— Kann man den verbrecherischen Wahnsinn weiter treiben? In Frankreich und Belgien wird die Einsührung zum Theil sehr hoher Einfuhrzölle aus Getreide und Fleisch geplant. In Frankreich sind beantragt: für Weizen europäischen Ursprungs für 100 Kilo 3, für Mehl, Roggen und Gerste 2, für Hafer 1'/r Francs, für außereuropäische Erzeugnisse sür 100 Kilo Weizen 6 Fr. 50 Cent., für Mehl 10 Fr. 60 C„ für Roggen und Gerste 5 Fr. 60 C. und für Hafer 5 Fr. 20 C. Newyork, 19. Januar. Das Krankenhaus der Irrenanstalt in Kankakee (Illinois) ist niedergebrannt, wobei 17 Kranke umkamen. Vaterländisches — Se. Majestät der König hat geruht, der durch den Grafen Monts angeregten Sammlung für die Kalamitosen in Südspanien die Summe von 2400 M. zuzuweifen und durch das König!. Hofzahl amt auszahlen zu lassen. — Ein grausiger Anblick bot sich vor mehreren Tagen in einer Gefängnißzelle des Amtsgerichts Lauenstein. Ein darin gefangen gehaltener Tagelöhner hatte sich mittelst seines Leibriemens am glühend eisernen Ofen erhängt, sodaß sein Körper schrecklich verbrannt vorge funden wurde. — Durch Hereinbrechen von Gesteinsmaffen sind am Freitag in einem Steinbruche in der Nähe von Pirna 2 Menschenleben vernichtet worden. Der Pachter des Bruches und ein Steinbrecher wurden durch das niederstürzende Geröll sofort erschlagen. — Rabenau. Der hiesige Stadtgemeinderath hat beschlossen, daß alle hiesigen Gastwirthe in ihren Lokalen, bei Vermeidung einer Geldstrafe von 20 M., an leicht sichtbarer Stelle öffentlich bekannt zu machen haben, zu welchem Preis der ^1« Liter von jeder Sorte Bier verkauft wird. Diese Verordnung tritt bereits mit dem 25. Jan. d. I. in Kraft. — In der Fabrik von Heinrich Schönfeld in Crimmitzschau stellten ca. 50 Weber und Weberinnen die Arbeit ein. Den Grund zu diesem Streik bildet die Weigerung der Arbeiter, die von den dor tigen vereinigten Fabrikanten aufgestellten Bedingungen, deren haupt sächlichste in der Wiedereinführung der 14lägigen Kündigung besteht, zu unterschreiben. — Dieser Tage wurde an der Brücke, welche in der Nähe des Dorfes Saultitz bei Nossen über die Kctzerbach führt, ein älterer Mann mit stark zerfchlagenem Gesicht am Wasser liegend bewußtlos aufgefunden. Derselbe wurde in das nahe Dorf gebracht und ist dort trotz Herbeiziehung ärztlichen Beistands verstorben. Kurz vorher hatte der Unglückliche mit großer Anstrengung einen Handwagen auf eine ziemlich steile Höhe gefahren, war dann aber bald den Berg zurückge laufen, vermuthlich um durch einen Sturz ins Wasser seinem Leben ein Ende zu machen. Dem Vernehmen nach ist er ein Bötlchermeister aus Marbach gewesen, der öfters an Schwermuth litt. 1. Sitzung des Bezirksausschusses der Kgl. Amts Hauptmannschaft Meißen am 10. Januar I88ö. Der Vorsitzende, Amtshauptmann v. Bosse, theilte bei Eröffnung der Sitzung mit, daß das außengebliebene Ausschußmitglied, Gutsbesitzer Eckelmann in Höfgen, mit Krankheit entschuldigt fei. Mit Eintritt in die Tagesordnung gelangte 1. das Gesuch des Sachs. Thüring. Bezirks-Vereins im Deutschen Fleischervcr- band um Anordnung regelmäßiger Revisionen der Biehwaagen auf dem Lande, zum Vortrag. Begründet wird dieses Gesuch damit, daß vielfach beim Verkauf des Schlachtviehes auf dem Lande noch mit alten Gewichten, öfters auch mit Steinen und Eisenstücken als Gewicht gewogen werde, und daß die Waagen selbst häufig so alt und verrostet seien, daß Differenzen beim Viehverkauf unausbleiblich seien. Flei scher und Händler aber befänden sich nicht immer in der Lage, auf dem Rechtswege ihrem Schaden wieder beizukommen. Der Ausschuß fand jedoch mit Rücksicht einer seits darauf, daß Seiten der Ortsbehörden auf dem Lande von Zeit zu Zeit Revi sionen von Waagen und Gewichten stattfinden, anderseits, daß ja auch der Verkäufer Interesse daran hat, daß Waage und Gewichte in Ordnung sind und der Fleischer oder Händler sich gegebenen Falls hiervon überzeugen kann, keine Veranlassung, auf das Gesuch näher einzugehen, er ließ es vielmehr auf Vorschlag des Referenten hierbei bewenden. (Ref. Rittergutspachter Steiger-Löthain.) 2. Der aus den Ortschaften Zehren und Ickowitz bestehende Feuerlöschverband beabsichtigt eine neue Feuerlöschspritze anzuschaffen und hat zugleich eine neue Feuer löschordnung entworfen. Zur gutachtlichen Aeußerung über letztere ausgefordert, befand der Ausschuß, daß über dieselbe — da sie zur Zeit nur vom Gcmeinderath in Zehren berathen worden — auch der Gutsvorsteher des Vorwerkes Ickowitz und die Gemeinde Ickowitz Beschluß zu fassen habe und pflichtete im Uebrigen den vom Referenten gegen einzelne Bestimmungen des Regulativs gezogenen Erinnerungen allenthalben bei. (Ref. Bez.-Ass. Gilbert.) 3. Die Gemeinden Leippen mit Zubehör, Niederau und Fischergasse beabsichtigen, die Armenanlagen nach dem im Revidirten Statut des Armenversorgungsvereins im Amtsbezirke Meißen aufgestellten Modus zu erheben. Der Ausschuß mochte diesem Beschlusse zwar nicht entgegentreten, blieb aber bei seiner früheren bezüglich gleicher Beschlüsse geäußerten Ansicht stehen. (Ref. Stadtrath Kurtz.) 4. Der Gastwirth Saalbach in Daubnitz hat um Erweiterung der ihm zustehen den Befugniß zum öffentlichen Tanzhalten insoweit gebeten, daß ihm ein für allemal gestattet sei, in jedem Monate zweimal und zwar am ersten und dritten Sonntage Tanz zu halten. Da man aber ein Bedürsniß zu einer derartigen Abweichung von dem bestehenden Tanzregulative nicht zu erkennen vermochte, Seiten der Kgl. Amts- hauptmannschast dem Petenten auch schon zeither dann und wann zum Tanzhalten außerhalb der regulativmäßigen Tage auf Ansuchen Genehmigung ertheilt worden ist, so sah man, dem Votum des Referenten entsprechend, von einer Befürwortung des Gesuches ab. (Ref. Bürgermeister Pilz.) 5. Die Gastwirthe Wetzig in Polenz und Schüler in Röhrsdorf wollen, wie zeither, so auch für die Zukunft ihre Lokalitäten zur öffentlichen Veranstaltung von Singspielen, Gesangs- und deklamatorischen Vorträgen, Schaustellungen von Personen oder theatralischen Vorstellungen benutzen lassen. Gegen Genehmigung dieses Vor habens ging dem Ausschüsse kein Bedenken bei. (Ref. Bez-Ass. Gilbert) 6. Weiter sprach sich der Ausschuß auch sür Berücksichtigung des Gesuches des Kramer Ernst Friedrich Julius Donath in Neu-Coswig um Ertheilung der Konzession zum Branntweinkleinhandel um so unbedenklicher aus, als dieses Befugniß zeither schon von seinem Vorbesitzer ausgeübt wurde und die Gemeinde sich unter Bestätig ung des Vorhandenseins diessallsigen Bedürfnisses sür das Gesuch verwendet hat. (Ref. Ziegeleihesitzer Rudolph.) 7. Rücksichtlich des Dispensationsgesuches des Gutsbesitzers Geisel in Riemsdorf, die Abtrennung und Veräußerung des Wohngebäudes von seinem Reichenbacher Gute betreffend, befand der Ausschuß das Gehör der Gemeinde Reichenbach noch für er forderlich, wogegen er die Dispensationsertheilung zu der vom Gutsbesitzer Oskar Lehmann in Mohlis beabsichtigten Zergliederung seiner dortigen Häuslernahrung mit Rücksicht auf die Geringfügigkeit des Objektes ohne weiteren Vorbehalt aussprach. (Res. Bez.-Ass. Gilbert.) 8. Genehmigung fanden ferner die Gesuche des Gastwirth Apitz in Eulitz um Konzession zum Beherhergen und Ausspannen und des Kalkwerksbesitzer Schmutzler in Burkhardtswalde wegen Uebertragung der bereits dem Vorbesitzer seines Kalk werks unter gewissen Beschränkungen zugestandenen Schantbefugniß, da in beiden Fällen die Gemeinderäthe die Konzessionsertheilung befürwortet haben. (Res. Amts- Hauptmann v. Bosse, resp. Bez.-Ass. Gilbert.) 9. Gegen die vom Gemeindebczirke Leippen mit Zubehör beschlossene veränderte Aufbringung der Gemeindeanlagen (ä Steuereinheit f/, Pf., je 300 M. Einkommen 10 Pf. und Haushaltung L Lo Hs.) fand der Ausschuß unter der Voraussetzung nichts zu erinnern, daß dieser Beschluß nach Maßgabe von H 22 der Revid. Landgem.-Ord- nung der zweimaligen Berathung unterlegen habe. Eventuell würde dieser Vorschrift noch zu genügen sein. (Ref. Amtshauptmann.) 10. Danach machte der Vorsitzende über den dem nächsten Bezirkstage vorzule genden Bezirkshaushaltplan per 1886 unter Angabe der einzelnen Position Mitthei- lung. Der Ausschuß erklärte sich mit den bezüglichen Vorschlägen einverstanden und nahm hierbei mit besonderer Befriedigung davon Kenntniß, daß sich der Zuschuß für die Vezirksanstalt Bohnitzsch auf 1200 M. (gegen 2000 M. im Vorjahre) abgemmdert hat. Darüber, ob und resp. nach welcher Höhe oder Rate die vom letzten Bezirks tage sür das Straßenprojekt Reinsberg-Siebenlehn verwilligte Summe einzustellen sei und eventuell welche Vorschläge man dem Bezirkstage über Deckung des sich dann ergebenden Defizits zu machen habe, bleibt die Entschließung noch Vorbehalten. (Res. Amtshauptmann.) Schließlich sei aus der über die Thätigkeit des Bezirksausschusses im verflosse nen Jahre aufgestellten Uebersicht noch erwähnt, daß in den stattgefundenen 10 Sitz ungen überhaupt 530 Gegenstände verhandelt wurden. Darunter befanden sich 5 Gesuche um Genehmigung gewerblicher Anlagen nach 8 16 ff. der Neichsgewerbeord- nung, 42 Gesuche um Konzession zum Gast- und Schankgewerbe resp. Kleinhandel mit Branntwein und selbsterzeugtem Spiritus, 11 Anträge auf Genehmigung der Einziehung oder Verlegung öffentlicher Wege, 23 Dispensationsgesuche wegen Grund stücksdismembration, 32 Angelegenheiten nach der Revid. Landgem -Ordnung, 18 Ae- zirksangelegenheiten und 399 verschiedene andere Sachen. Mit der Erörterung und dem Referate waren in 91 Fällen die Bezirksausschußmitglieder beauftragt, während in den übrigen Angelegenheiten das Referat dem Amtshauptmann und dem Bezirks- assessor zufiel. (Meißn. Tgbl.) Die Grafen von Dürrenstein. Original-Roman von Emilie Heinrichs. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Regina war acht Jahre alt gewesen, als der Vater ihr diese neue Mutter aus Westindien mitgebrachr. Sie war bis dahin in einem Institut erzogen worden, wo sie sich sehr glücklich gefühlt und nicht die mindeste Neigung empfunden hatte, ihr stilles Äsyi zu verlassen. Die neue Mutter erregte dem Kinde eine unüberwindliche Furcht, wes« halb der Baron die kleine Regina noch gern im Institut ließ, wogegen seine Gemahlin auch nichts einzuwenden hatte, da ihr Kinder eben nicht besonders sympathisch waren. Die junge Baronin Einsiedel war sehr verwöhnt, sehr hochmüthig, ja, von einer erschreckenden Menschen verachtung erfüllt, welche ihre Erziehung nach westindischen Verhält nissen verschuldet hatte. Der Baron, welcher die allerdings eigenartig schöne Frau leiden schaftlich liebte, war vollständig blind gegen ihre großen Fehler und gab ihrer Neigung zur Verschwendung nur zu sehr nach. Er besaß ein großes Vermögen, während sie ihm nichts als die Schulden ihres Vaters, welcher kurz vor ihrer Verlobung gestorben war, als Mitgift bringen konnte. Man munkelte allerlei über den plötzlichen Tod des Gouverneurs; doch wagte Niemand die offene Behauptung eines Selbst mords, und so wurde die Geschichte vergessen und mit dem Grabscheit zugeschaufelt, zumal als der reiche Schwiegersohn sämmtliche Gläu biger befriedigt, was allerdings eine ziemlich bedenkliche Lücke in seinem Vermögen hinterließ. Das junge Paar kehrte nach Europa zurück und lebte von nun an fast immer auf Reisen, wie es die Frau Baronin so sehr liebte. Nur in Paris und Wien wurde zeitweilig ein längerer Aufenthalt genommen, um die großartigen als kostspieligen Genüsse dieser beiden Welt-Metropolen ganz auszukosten, — ein Leben, das auf die Dauer kein Krösus hätte ausführen können. Die Frau Baronin schien indessen gar kein Verständniß für den Werth des schnöden Geldes zu haben; sie berührte es kaum und über ließ dem zärtlichen Gemahl die Sorge für die Herbeischaffung der kolossalen Summen, welche ihre Liebhabereien und augenblicklichen Launen verschlangen. So mußte in wenigen Jahren der Zeitpunkt eintreten, wo der Baron seinen vollständigen Ruin vor Augen sah, ein Abgrund, den kein Kredit mehr zu überbrücken vermochte. Es war sicherlich der schrecklichste Augenblick seines Lebens ge wesen, als er der Gemahlin diese trostlose Aussicht hatte eröffnen müssen. Sie hatte zuerst durchaus nicht begreifen wollen, um was es sich handele, bis ihr nach und nach das volle Verständniß dafür aufgegangen, und eine Szene dadurch herbeigesührt worden war, die in ihrer Furchtbarkeit beispiellos gewesen. Diese Stunde hatte denn auch das Glück des armen, verblendeten Barons vernichtet und die abgöttische Liebe für seine Frau in Grauen und Furcht umgewandelt. Die rechtzeitige Hilfe eines weitläufigen Verwandten rettete ihm einen kleinen Bruchtheil seines Vermögens, mit welchem er sich in diese Residenz zurückzog, die kleine Villa miethete und auf die unentbehrlichste Dienerschaft beschränkt, still und einsam mit seiner kleinen Familie lebte. Selbstverständlich hatte Regina jetzt das Loos der Eltern theilen müssen, was sie, an klösterliche Einsamkeit gewöhnt, auch gern und freudig that. Der Vater, welcher alle Liebe seines Herzens jetzt der Tochter zugewandt, empfand mit stillem Gram, wie ihre wunderbare Schönheit einen andern Platz im Leben beanspruchen durfte und wie schwer er sich versündigt an seinem Kinde, das er vergessen hatte um einer Fremden willen, ja beraubt und betrogen um eine glänzende Zukunft, um alle Blüthen der Jugend. Bitter war die Reue des unglücklichen Mannes im Hinblick auf seine Frau, welche ihn so lange quälte und peinigte mit eingebildeten Leiden, bis eine wirkliche Krankheit sich einstellte und sie beständig an ihr Zimmer fesselte. Frau Lukrezia mochte die schöne Stieftochter nicht um sich haben; ihr Liebreiz, ihre Jugend erbitterten die eitle Dame, deren südliche Schönheit rasch verblüht war. So beschränkte sie sich auf die Gesellschaft ihrer alten Kammerfrau Margitta, welche sie aus Westindien mitgebracht und seit der zartesten Kindheit um sich gehabt hatte. Selbst den Gemahl dispensirte sie seit längerer Zeit von ihrer Gesellschaft, worüber derselbe nicht wenig froh zu sein schien. Viertes Kapitel. Die Geschichte -eS BaronS. Nachdem wir dem Leser einen Einblick in die Familienverhältnisse der Bewohner der Villa Einsiedel gewährt, betreten wir mit dem alten Pfarrer das Haus, dessen Flur und Treppen mit Teppichen belegt, den Anstrich der Vornehmheit tragen. Der alte, geschulte Diener weiß in seiner einfachen, aber sauberen Haus-Livree noch immer, was er dem Namen und Stand seines Gebieters schuldig ist, obwohl dieser selbst, wenn auch nie den echten Edelmann in Haltung und Betragen hintansetzend, doch wenig Werth auf äußere Repräsentation zu legen scheint. ,