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„Freilich können sie das," nickte der geistliche Herr, wehmüthig vor sich hinschauend; „ich selber habe der vom Sturm des Unglücks und der Leidenschaft geknickten und zerschmetterten Menschenblüthen gar viele schon gesehen und sie wieder aufzurichten versucht." „Diese hier lassen sich nicht wieder aufrichten," bemerkte Regina betrübt. „Nein, sie sind dem verheerenden Element zum Opfer gefallen, und kein Sonnenblick von oben vermag sie aus's Neue zu beleben. Der Tod spottet unserer Fürsorge und Pflege. Doch trauern Sie deshalb nicht, Baroneß! — dem ewigen Naturgesetz hätten Ihre Blumen nur allzubald sich fügen müssen; was der wilde Sturm verschont, ein einziger Nachtfrost hätte es unwiderruflich vernichtet. Anders ist es mit den Menschenblüthen. Wo der Sturm des Unglücks die junge Seele erfaßt und über sie dahinbraust, da müßte auch sie unbarmher zig zerstört werden, wenn der weise Schöpfer ihr nicht einen Stab gegeben hätte, an welchem sie hoffnungsgrün sich wieder ausrichten könnte, den rettenden Glauben an die göttliche Liebe und Gerechtigkeit. Doch wo der rasende Sturm wilder Leidenschaft die arme Menschen seele in seinen Wirbel zieht, da sehen wir Gottes Ebenbild geknickt und zerstört in den Schmutz der Erde versinken." „Vergebens suchen wir die entblätterte Menschenblüthe dem Lichte wieder zu gewinnen," setzte der Pfarrer seinen Erläuterungen hinzu. „Aber es gelingt Ihnen doch auch zuweilen, Herr Pfarrer?" fragte Regina leise. „Ja, dem Himmel sei Dank!" versetzte der Pfarrer mit aufleuch tendem Blick. „Ich darf mich glücklich genug Preisen, mehr als einer geknickten nnd verlornen Seele den Frieden mit Gott zurückgegeben, sie dem Lichte wiedergewonnen zu haben. Doch, sind Sie nicht ein wenig neugierig, meine liebe Baroneß, warum ich zu dieser ungewöhn lichen Stunde hierher gekommen bin?" setzte er lächelnd hinzu. — „Nein! — Nun denn — ist der Herr Vater zu sprechen?" „Er ist stets für Sie zu sprechen, Herr Pfarrer!" erwiderte Re gina, ihn besorgt anblickend. „Doch, werden Sie ihm nichts Schlim mes zu berichten haben?" „Nein, Kind, eine gute Nachricht; der Dampfer Neptun ist noch vor dem Ausbruch des schrecklichen Sturmes wohlbehalten in Triest eingetroffen." Regina erbleichte zu Schnee. „Der Neptun," bebte es von ihren Lippen. „Sie wissen, Hoch würden, wen der Vater damit erwartet?" „Ich weiß nur, daß der Herr Baron der Ankunft des Schiffes mit krankhafter Ungeduld entgegengesehen, da er einen theuren Freund nach langjähriger Abwesenheit wieder zu sehen hofft, ein Freund, von welchem das Schicksal seines Hauses abhängen soll." „O, Herr Pfarrer!" stammelte Regina mit einem Blick, in wel chem Todesangst sich aussprach, „ich fürchte mich vor diesem Freunde." „Sie werden sich seiner doch nicht erinnern können, meine theure Baroneß?" bemerkte der Pfarrer, mild tröstend ihre kalte Hand er greifend. „Der Graf ist ein volles Dezennium fortgewesen, und Sie waren damals doch kaum —" „Zehn Jahre alt," ergänzte Regina mit einem tiefen Athemzug, „so ist es, Hochwürden! Aber ich erinnere mich seiner sehr genau, als ob sein Bild mir in die Seele geätzt wäre. Es erfüllte mich schon als Kind mit Schauder, dieses Bild des wilden Dürrenstein. Und wenn Sie alles müßten, Herr Pfarrer! " „Still, meine Tochter!" unterbrach der Greis sie sanft, aber fest. „Ihr Vater hat sicherlich gewichtige Gründe gehabt, selbst mir, seinem Beichtiger, diese Familiengeschichte zu verschweigen; es würde sich des halb schlecht geziemen, in dieser Weise ein Vertrauen zu erlangen, das mir nur freiwillig von Ihrem Vater entgegengebracht werden kann. — Aber nun, meine theure Baroneß, möchte ich Sie bitten, Ihre Für sorge wieder den armen, zerzausten und geknickten Blüthen zuzuwenden, und Ihre Zukunft, Ihr Geschick getrost der Hand desjenigen anheim zugeben, welcher doch schließlich in seiner ewigen Weisheit alles für uns zum Besten lenkt." Der alte, würdige Herr drückte ihr die Hand, strich dann wie segnend über das blonde, lockige Haar, und schritt langsam dem Hause zu. Regina blickte ihm zerstreut nach. Die junge Dame verdiente ihren Namen in der That; es war eine königliche Erscheinung, hoch und schlank, ein wunderbares Ebenmaß der Formen, mit einem Kops von idealer Schönheit. Vornehm und edel, stolz und gebietend, war sie doch zugleich von einer hinreichenden Kindlichkeit und Güte, welche den Grundton ihres Wesens bildeten. Sie war des Vaters einziges Glück und der vergötterte Liebling der Dienerschaft. Ihre Mutter hatte sie nie gekannt; sie war ihr in zartester Kindheit durch den Tod entrissen — und die Stiefmutter! — (Forts, folgt.) Vermischtes. * Beim Schlittschuhlaufen ertrunken. Zwei Berliner Studenten hatten am 7. d. M., Nachmittags, ihre in der Neuen Schönhauser straße gelegene Wohnung verlassen, anscheinend in der Absicht, Schlitt schuh zu laufen. Da dieselben weder an demselben, noch am folgen den Tage nach ihrer Wohnung zurückkehrten, so wurde bei der Po- lizei Anzeige von ihrem Verschwinden gemacht, und die polizeilichen Nachforschungen haben herausgestcllt, daß beide junge Leute ertrunken sind. Sie hatten sich auf den bei Zehlendorf im Grunewald belege nen See „Krumme Lanke" begeben, um da Schlittschuh zn laufen (die im Grunewald befindlichen kleinen Seen werden von Schlittschuhläufern deshalb mit Vorliebe aufgesucht, weil diese stillen Gewässer am ra schesten durch Kälte eine Eisdecke erhalten und lange bewahren), und beide sind auch auf dem Eise gesehen worden. Beim Laufen sind sie aber in eine offene oder mit einer zu dünnen Eisschicht bedeckte Stelle gerathen und ertrunken. Die Leiche des Einen wurde am folgenden Tage und die des Anderen erst am 11. d. gefunden. * Drei Menschen verbrannt. In der Nacht vom vorvorigen Sonnabend auf Sonntag gegen 11 Uhr brannten in Kamnitzleiten (Böhmen) drei Häuser ab, wobei leider auch drei Menschen, eine Mutter mit zwei Kindern (Knaben im Alter von 6 und 8 Jahren) den Flammen zum Opfer fielen. Ihre Schlafkammer hatte sich un mittelbar unter dem Strohdach des ebenerdigen Hauses befunden. Der Familienvater, welcher sich beim Ausbruch des Feuers in einem Nachbarhause befand, kam eben noch zurecht, nm aus den Flammen heraus die letzten Hülferufe von Weib und Kindern zu vernehmen. Seine Schwiegereltern, die ebenerdig ihre Schlafstätte hatten, konnten eben nur zur Noth durch einen Sprung durchs Fenster ihr nacktes Leben retten. * Schiffsverlust. Die Gcsammtzahl der im Jahre 1884 ver zeichneten totalen Schiffsverluste beläuft sich auf 1589 und beträgt sonach 411 weniger als im Jahre 1883, in welchem 2000 Schiffe total verloren gingen. Die englische Flotte ist an den Verlusten des Jahres 1884 mit 776 Schiffen betheiligt. Dabei gingen an Menschen leben verloren im Jahre 1884 3000, im Jahre 1883 4200. Der Minoerverlust an Schiffen während des Jahres 1884 ist als eine Folge des im Ganzen weniger stürmischen Wetters anzusehen. Auffallend aber ist die große Anzahl derjenigen Schiffe, welche durch Zusammen stöße verloren gingen; dieselbe beträgt nahezu 200 und zwar hatte die Zahl der auf diese Weise veranlaßten Unfälle schon in den Vor jahren eine stetige Steigerung erfahren. * Gute Hoffnung für die Winzer. Weingärtner schenken der aus vielfacher Erfahrung abgeleiteten Wetterregel, die in der Stel lung der Wandelsterne untereinander und zu den festen Sternbildern sich ergiebt, gern Glauben. Sie wollen aus diesem Zusammentreffen einen Einfluß auf die Quantität und Qualität des Weines erkennen. Da gebe es denn, wie man dem „Schw. M." mittheilt, eine Prophe zeiung, di? dahin lautet: „Es ist männichlich bekannt, daß, so in einem Jahre auf einen Monat zwei Vollmonde kommen, das Jahr eine große Menge Weines zu erwarten hat. Auch hat es sich schon vielmal be währet, daß, wenn solches am Himmel geschiehct, die Traubenstöcke Mühe haben, die Menge zu tragen. Je früher im Jahre aber die zwei Vollmonde in einem Monat zusammenkommen, desto länger dauert ihr Einfluß und desto voller werden die Kübel; am allerbesten ist eS daher, wenn schon der Januar diese seltene Himmelserscheinung bringt. Das gesegnetste Weinjahr im kommenden Jahrhundert wird dessentwegen das Jahr 1885 sein, unsere Kindeskivder sollen sich freuen allewege. Denn in diesem Jahre regieret die Göttin der Fruchtbarkeit, und was in unserem ganzen sasouio nicht passiret ist, dort wird schon im ersten Monat, im Januar (am 1. und 30. Jannar), der Mond zweimal voll werden. Deßwegen werden dort Fässer und Standen überlaufen, und Jedermann soll sich mühen, seine Fäßchen leer zu trinken, daß er den neuen aufheben kann; er wird auch sehr gut werden, darum, daß die Kopulation der zwei Vollmondgescheine das ganze Jahr hindurch wirket." Möge wahr werden, was hier so anschaulich beschrieben ist. Außer dem Januar wird auch der März 1885, ebenfalls am 1. und 30., zweimaligen Vollmond haben. * Eine unglückliche Hühnerangenoperation hat in Berlin abermals einen beklagenswerthen Unfall znr Folge gehabt. Ein Kauf mann ließ sich vor einiger Zeit von einem Heilgehilfen ein Hühner auge beseitigen. Die Operation muß wohl etwas ungeschickt ausge führt worden sein, denn bereits nach kurzer Zeit machte sich eine Ent zündung des Fußes bemerkbar, so daß von einem hinzugerufenen Arzte eine Amputation der Zehe vorgenommen werden mußte. Da sich der Zustand des Patienten verschlimmerte, so mußte der Erkrankte nach dem katholischen Krankenhause überführt werden, wo eine Amputation des linken Fußes bis zum Knie vorgenommen werden mußte. * Wegen Unterschlagung von Depots im Betrage von 10,000 Gulden ist in Wien am 12. Januar der Bankier Theodor Noderer verhaftet worden. Das Lampcrl'sche Hcilpflastcr benimmt ans der Stelle Schmerzen und Hitze aller Beulen und Eiterungen. Vortrefflich anzuwenden bei Bräune, ür W Husten, Reißen, Kreuz- und Gelenkschmerz, verhütet wildes Fleisch und Entzündungen. Tausendfach bewährt bei er- frorenen Gliedern, bösen Fingern und Frostbeulen, bestes Magenpflaster. Eine Probe gemacht, überzeugt, daß Besserung so gleich eintritt. Echtes KamPert'S Pflaster in Originaldosen mit der Gebrauchsanweisung und nebigem Stempel ü SÄ und 50 Pf. vorräthig in fämmtlicken Apotheken zu Wilsdruff, Tha randt, Siebenlehn und Noffen. Geld auf Hypothek. 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