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Tharandt, Nossen, Sitbenlehn nnd die «MMN. Amtsblatt für die Königl. Amtshauptmannschaft zu Meißen, das König!. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. 45. Erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags. — Abonnementpreis vierteljährlich 1 Mark. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Nr. 6. Dienstag, den 20. Januar 1885« Bekanntmachung, Ernteertrag und Armenstatistik betr. Von unterzeichneter Königl. Amtshauptmannschaft werden den sämmtlichen Ortsbehörden hiesigen Bezirks in den nächsten Tagen Formulare für die Ermittelung des Ernteertrags aufs Jahr 1884 und für die Erhebung einer Armenstatistik im Jahre 1885 zu gehen. Wegen Ausfüllung dieser Formuiare wird auf die denselben vorgedruckte resp. beigegebene Anleitung hiermit verwiesen. Uebrigens wird noch darauf aufmerksam gemacht, daß die Ernteertragsformulare spätestens bis §5. Februar 1885, die über die Armen statistik auszufüllenden Zählkarten rc. aber spätestens bis 15. Januar 1886 wieder anher einzureichen sind. Meißen, am 15. Januar 1885. Königliche Amtshauptmannschaft. V. Bosse. Die auf den 21. d. M. anberaumte Auction bei dem Gasthofsbesitzer Nollau in Kesselsdorf hat sich erledigt. Wilsdruff, am 19. Januar 1885. Matthes, Gerichtsvollzieher. «Kommenden Donnerstag, deä SS. dieses Monats, Nachmittags 6 Uhr, öffentliche StadtgemeinderathSstHung. Wilsdruff, am 19. Januar 1885. Der Stadtgemeinderath. Ficker, Brgmstr. EageSgeschichte. Die sozialdemokratische Fraktion des Reichstags hat sich nach der „Volks-Ztg." in ihrer Sitzung am Mittwoch einstimmig gegen die vom Reichskanzler inaugurirte Kolonialpolitik erklärt. Sie wird infolgedessen gegen alle Etalspositionen stimmen, die mit dieser Kolonialpolitik in Verbindung stehen. Dagegen wird die Fraktion für die Bewilligung der geforderten 150,000 M. zur wissenschaftlichen Erforschung Afrikas sich erklären. Es wurde ferner beschlossen, die Dampfer-Subventionsfrage völlig losgelöst von der Kolonialfrage zu behandeln. Die Majorität der Fraktion ist im Prinzip für die Dampfer- Subvention. Der Abg. Heine hat, unterstützt von der sozialdemokratischen Fraktion, den Antrag beim Reichstage eingebracht, die verbündeten Regierungen aufzufordern, womöglich noch in dieser Session dem Reichs tage einen Gesetzentwurf vorzulegen, wonach sämmtliche auf freier Uebereinkuuft beruhende Kassenvereinigungen, unbekümmert darum, wel chen Zweck sie verfolgen, unter gesetzliche Normativbestimmungen ge stellt werden. Der christlich-konservative Verein zu Stuttgart richtete eine Peti tion an den Reichstag, derselbe wolle eine Abänderung des Unter stützungswohnsitzgesetzes in der Richtung bewirken, daß kein Deutscher mehr seinen Unterstützungswohnsitz verliert, ehe er einen neuen nach weislich erworben hat. Der preußische Landtag ist durch den Staatsminister v. Putt- kamer am 15. ds. eröffnet worden. Die Finanzen werden durch eine Anleihe von 22 Mill, unterstützt werden müssen. Von der Kirchenpolitik geschah in der Thronrede mit keiner Silbe Erwähnung. Die Finanzen, die Matrikularbeiträge und der auf der Landwirthschaft lastende Druck spielen eine große Rolle. Das Polizeipräsidium in Frankfurt a. M. macht durch Straßen anschlag bekannt, daß die auf die Entdeckung des Mörders des Po lizeiraths Rumpff ausgesetzte Belohnung von 3000 M. im Auf trage der Regierung auf 10,000 M. erhöht worden ist. Folgende auffällige Mittheilung „von durchaus gut unterrichteter Seite" giebt der „Reichsbote" unter Reserve wieder: „Die Wahrschein lichkeit, daß der Herzog von Cumberland doch noch die Braun schweiger Erbschaft antritt, tritt immer mehr in den Vordergrund. Gerade in den hiesigen (Berliner) Hofjphären gewinnt diese Ueberzeug- ung tagtäglich mehr Boden, und es steht außer Zweifel, daß die ganze Frage einen gütlichen Abschluß erhalten dürfte." Daß gewichtige Ein flüsse zu Gunsten der welfischen Nachfolge thälig sind, kann keinem Zweifel unterliegen, indeß hat Fürst Bismarck so nachdrücklich zu wiederholten Malen die Unmöglichkeit dieser Nachfolge betonen lassen, daß ein Sieg jener Einflüsse ausgeschlossen erscheint. Zur Hilfeleistung kür die Hinterbliebenen der Verunglückten und der Obdachlosgewordenen in Spanien werden in Berlin umfasfende Vorkehrungen getroffen. Der Kronprinz wird wahrscheinlich das Pro tektorat übernehmen. Man beabsichtigt, die zu veranstaltenden Samm lungen auch auf die Armen anszudehnen. Die Zahl der Obdachlosen beläuft sich auf etwa 40,000 Seelen. Zwei berühmte Amerikaner, Stanley, der weltbekannte Pio- nir, und Elliot Sheppard aus New-Jork, gratulirten Deutschland bei einem Festmahl in Wiesbaden zu Bismarck. Ihr Deutschen, sagte Stanley habt den rechten Mann, daß Ihr bei der Theilung Afrikas nicht zu kurz kommt. Ich habe Deutschland studirt, die blühende In dustrie Deutschlands ist ganz geeignet, die Tausende von Millionen Meter Stoff herzustellen, um die bedeckungsbedürftigen Bewohner des Kongobeckens in deutsche Farben zu kleiden. (Gr. Heiterkeit.) — Auch Sheppard wies auf daS reiche Absatzfeld für deutsche Waaren in Afrika hin und fuhr fort: Euer großer Staatsmann trifft zweifach das Ziel, einmal traf er es kn einem großen, siegreichen Kriege, der Deutschlands Besitz vergrößerte und sein Staatswesen roformirte — und jetzt arbeitet er für den Weltfrieden durch Einigung der größten Völker; Raum für Alle hat die Erde und er fand den Platz, wo sich die Völker als Brüder fühlen können. Aus Paris kommen Klagen, daß der Nothstand daselbst seit Neujahr im Zunehmen begriffen ist, trotzdem einzelne Werkstätten mit Bestellungen versehen sind und Arbeiter einstellen. Namentlich sind auch Aufträge an Modewaaren aus Deutschland vorhanden, obwohl man diesem immer die Schuld giebt, durch seinen Miterwerb den Noth stand zu veranlassen. Aber bei der großen Zahl der Beschäftigung suchenden Arbeiter genügen einzelne Werkstätten nicht, auch bleibt die große Hauptsache immer die Abwesenheit der reichen Fremden und Provinzialen. Während des letzten Vierteljahres sind 100,000 Fremde weniger angekommen als im Vorjahr, wogegen die Zahl der Abreisen den um 60,000 stieg. (Gewöhnlich kommen in Paris wöchentlich 25- bis 35,000 Fremde an oder 1,500,000 bis 1,800,000 jährlich.) Des halb machen die Gasthöfe, Hausbesitzer, feinen Kaffee- und Speifehäuser, sowie alle Verkäufer von Mode- und Luxuswaaren schlechtere Geschäfte; sie geben ihrerseits weniger aus, lassen weniger arbeiten, und dies drückt auf alle wirthschaftlichen Verhältnisse. Die Theater und öffent lichen Vergnügungsanstalten haben voriges Jahr rund 10 Millionen, etwa 30"/», weniger eingenommen. Besser kann der Nothstand, die Abwesenheit der Fremden nicht bewiesen werden, denn diese tragen am meisten zu den Einnahmen der Theater und Vergnügungsanstalten bei. Daß man eine Reihe von Bauten in Angriff zu nehmen gedenkt, ist zwar sehr löblich, doch kann dadurch das Uebel nur zum allerbeschei densten Theil gemindert werden. Die Krisis im Handel und Gewerbsleben macht sich auch in ganz England immer mehr und mehr fühlbar. Der Kolonialspektal hat die Aufmerksamkeit davon wohl für einen Augenblick abgelenkt, aber jetzt macht sich der Nothstand um so mehr geltend. Es läßt sich in manchen Betrieben wirklich von einem Nothstand reden, und die Zahl der feiernden Arbeiter wächst immer mehr. Allgemein erschallt der Ruf, daß etwas geschehen müsse. Die große Frage ist nur: Was soll geschehen? Das weiß Niemand so recht. Diese Zustände erklären auch den Grimm, mit welchem anfänglich die deutschen Kolonialerwerbungen in England verfolgt wurden. Das Land gönnt man den Deutschen wohl, man will aber keine Absatzmärkte für englische Waaren verlieren und verhüten, daß deutsche Konkurrenz immer mehr erstarkt. Mate rielle Beweggründe waren somit die Triebfedern des Kolonialtrubels, nicht aber politische Gründe. Immer reicher quillt den Amerikanern der Segen aus der Erde. Eine Anzahl Pelroleumbruunen, die kürzlich im Butler-Bezirk in Penn- sylvanien gebohrt worden sind, stellen alle früheren Oel-Entdeckungen in den Schatten. Sie liegen auf einem Grundstück, das nicht größer ist, als etwa ein halbes Dutzend Häuservierecke in einer Stadt. Die darauf angelegten Brunnen, 12 an der Zahl, geben 500 Faß (ä. 158 Liter) Oel die Stunde oder 12,000 Faß oder 1,896,000 Liter den Tag. Das ist ein Fünftel alles Oels, das jetzt in den Ver. Staaten gewonnen wird. So viel Oel ist noch niemals, seit auf Petroleum gebohrt wir, von so wenigen dicht zusammenliegenden Brunnen gewon nen worden. Rechnet man den Liter nur zu 5 Pf., so ergiebt dieser Fund einen täglichen Ertrag von über 90,000 Mark. Vaterländisches. — In einer zahlreich besuchten Ausschußsitzung des landwirth- schaftlichen Kreisvereins Dresden wurde auf Vortrag des Herrn Rechtsanwalt Dr. Mehnert eine Petition an den Reichstag, betreffend die Einführung einer prozentualen Börsensteuer, einstimmig angenom- ! men. Der landwirthschaftliche Kreisverein umfaßt 102 Einzelvereine mit weit über 5000 Mitgliedern. — Dieselbe Petition fand im Dresd-