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Richtung entgegengetreten und, soweit möglich, durch Benachrichtigung der Polizeiorgane ein Ende gemacht werden. — Es steht nunmehr fest, daß die sächsischen Ständekammern wiederum im Herbst d. I. einberufen werden, um die Gesetzesvorlagen und den Haushaltsetat für die Finanzperiode 1885/86 zu berathen. Verfassungsmäßig scheidet mit dem laufenden Jahre ein Drittel der Abgeordneten der 2. Kammer aus und die deshalb nothwendig wer denden Ersatzwahlen werden voraussichtlich spätestens im August aus geschrieben werden. Mit Berücksichtigung der durch Tod abgegangenen Kammermitglieder macht sich die Neuwahl von 30 Abgeordneten er forderlich. In Erledigung kommen dabei 17 Sitze der konservativen, 6 der nationalliberalen, 5 der früheren fortschrittlichen und 2 der so zialdemokratischen Partei. — Seit einigen Tagen hielt sich im Gasthofe eines nahe bei Nossen gelegenen Dorfes ein Soldat auf, dessen längere Anwesenheit zuletzt den Verdacht des Wirthes wie der Einwohner erregte, besonders da derselbe keine Verwandten im Orte besaß, noch auf Befragen einen triftigen Grund vorzubringen wußte. Man hatte sich auch nicht ge täuscht, denn wie sich herausstellte, war derselbe ein Deserteur aus Chemnitz, der vorher noch einem Dienstmädchen 30 M. gestohlen hatte. Die Polizei bewirkte seine Arretur Abends in der Wohnung einer Bahnwärterswittwe. Auf dem Transporte nach dem Gerichtsgefäng- niß gelang es jedoch dem Fahnenflüchtlinge, wieder zu entkommen, weil der Gendarm in Folge des schlüpfrigen Weges ausglitl und zu Boden fiel. — Wenn es auch im Allgemeinen als ein erfreuliches Zeichen des fortschreitenden Wohlstandes unseres Volkes und der Kulturstaaten überhaupt angesehen werden kann, daß der Zinsfuß für gute Kapital anlagen in den letzten Jahren stetig gesunken ist, so ist dies doch für den Kapitalisten sowohl, wie für den kleinen Sparer eine recht unan genehme Thatsache. Die 2 bis 3 und mehr Prozent Aufgeld beim Ankauf 4"/„iger Staatspapiere werden höchst ungern bezahlt und noch weniger gern bringt man die 4'/z"/oiaen Stadtobligationen herbei, um sie in 4"/„ige konvertiren zu lassen. Ebenso ungern sehen es die Spar kasseneinleger, daß die kleinen Städte und Dörfer mehr und mehr ge zwungen find, den Zinsfuß ihrer Sparkassen auf den bei ihren großen Schwesteranstalten in den Hauptstädten üblichen von 3'/z"/„ zu redu- ziren. Da ist es nun andrer Seits recht erfreulich, die Sparenden immer von neuem wieder darauf Hinweisen zu können, daß wir in unserem Lande eine Anstalt besitzen, welche den Zinsfuß für die bei ihr gemachten Einlagen niemals herabsetzen kann, d. i. die König!. Altersrentenbank in Dresden (Altstadt, Landhausstraße 16, im Landhaus. Denn die bei dieser erworbenen Renten sind nach den landesgesetzlichen Bestimmungen keiner Verminderung ausgesetzt; sie müssen in der Höhe, wie sie im Einlagebuche des Versicherten ausge worfen sind, während der ganzen Versicherungsdauer unverkürzt aus gezahlt werden; dafür haftet der Staat. In Folge dieses, für den Versicherten außerordentlich günstigen Umstandes, dem sich der andere hinzugesellt, daß die Renten, welche die Altersrentenbank den hohen Altersklassen gewährt, höher sind als die fast aller Rentenanstalten, — in Folge dieses doppelten Vortheils, den die Königliche Alters rentenbank bietet, geschieht es nun auch, daß der Zuspruch, den sie findet, von Jahr zu Jahr wächst, wie folgende Zahlen beweisen: das Jahr 1859 war zu verzeichnen mit 26202 M. in 218 Einlagen, 1879 mit 207210 M. in 499 Einlagen, 1883 mit 772335 M. in 1233 Einlagen, 1884 mit über 1,300,000 M. in mehr als 2700 Ein lagen. Es geht aus diesen Zahlen unter Anderem hervor, daß im Jahre 1884 dem Betrage nach fast, der Stückzahl nach mehr als doppelt soviel Einlagen, wie im Jahre 1883, bei der Altersrentenbank bewirkt worden sind. — Der „Allgemeine Rathgeber für Dresden, Leipzig und Chemnitz", ein im Verlage der Annoncen-Expedition von Haasenstein L Vogler erscheinendes Büchelchen, welches außer einem Kalendarium nebst Notizkalender noch Folgendes bringt: Verzeichniß der bedeutend sten politischen und Fachblätter und deren Jnsertiospreise, Post- und Telegramm-Tarif für alle Länder, Münzvergleichung, Banknoten-Ta- belle, Wechselstempel-Tarif, Verzeichniß der Sehenswürdigkeiten, der Behörden und Theater in den genannten drei Städten, Fahrpläne der Straßenbahnen- und Omnibuslinien, Droschken-Taxen, Tarif für Dienst- männer rc. — ist auch für das Jahr 1885 erschienen und in genannter Expedition für 10 Pf. zu haben. Das Büchelchen ist 152 Seiten stark. — Aus Anlaß langjähriger, treuer Arbeit auf dem Rittergut Wunsch witz ist den Tagelöhnern und Dreschern Wilhelm Wustlich und Johann Gottlob Haupt die große silberne Medaille „Für Treue in der Arbeit" verliehen worden. Die Aushändigung der Medaillen nebst Verleihungsdekreten an die Genannten erfolgte durch Amtshaupt mann von Bosse auf dem Rittergute Wunschwitz in Gegenwart des Rittergutspachters Gappisch. — Hainichen. In der Kuntze'schen Lederfabrik hier verunglückte am 12. Januar ein beinahe 77 Jahre alter Arbeiter dadurch, daß er aus einer Treppe ausrutschte und herunterfiel, wobei er einen Schädelbruch erlitt. In seine Wohnung gebracht, gab der Unglück liche bald darauf seinen Geist auf. — Treuen. Seit Sonntag Morgen wird der im nahen Mahn brück wohnhafte Zimmermann Roscher, Vater von 4 Kindern, ver mißt. Tags vorher verrichtete er seine Berufsarbeit in dem von Mahnbrück eine halbe Stunde entfernten Nachbarorte Schreiersgrün. Nach vollbrachter Tagesarbeit begab er sich auf den Nachhauseweg. Seitdem fehlt jeve Spur von ihm. Vermuthlich ist er in der finsteren, stürmischen Nacht vom Sonnabend zum Sonntag vom rechten Wege abgekommen, in eine Schneewehe gerathen, erfroren und verweht wor den. Bis jetzt blieben alle nach ihm angestellten Auffindungsversuche erfolglos. — Am Montag wurden auf Hauptbahnhof Chemnitz von einem durch die Maschine geschobenen Rangirzug die bei hiesiger Bahnmeisterei beschäftigten beiden Streckenarbeiter Naumann und Bemmann über fahren und Ersterer sofort getödtet. Letzterer aber an einem Arm und Bein schwer verletzt. Die Verunglückung selbst hat Niemand mit an gesehen. Man kann daher nur vermuthen, daß beide Arbeiter das Herannahen des Rangirzuges beim Ueberschreiten der Geleise, zwischen denen sie dienstlich beschäftigt waren, obwohl der Wagen an der Spitze dieses Zuges eine brennende Laterne mit rothem Licht trug, nicht be merkten, weil sie möglicherweise einem auf dem nächsten Geleise vor überfahrenden Güterzug ihre Aufmerksamkeit zuwendeten, und dadurch vom vordersten Wagen erfaßt wurden. — Ein Raubanfall ist in der Nacht vom Sonnabend zum Sonntag auf einen Gröbaer Geschäftsmann in der Nähe von Grö ba ausgeführt und demselben dabei ein Portemonnaie mit ca. 15. M. Inhalt entrissen worden, während ein anderweit verwahrter größerer Geldbetrag dem Räuber glücklicher Weise entgangen ist. — Aller Orten regt man sich im deutschen Vaterlande, um dem Fürsten Reichskanzler zu seinem siebenzigsten Geburtstage am 1. April d. I. ein seiner Person wie der deutschen Nation würdiges Ehrengeschenk darzubringen. Auch in Dresden hat sich am Sonnabend Abend ein Komitee gebildet, um in Dresden und seiner Umgebung Patriotische Gaben zu sammeln, deren Ertrag dem Fürsten Reichskanzler zur freien Verfügung zu patriotischen Zwecken überreicht werden soll. — Der auf der Wanderschaft befindliche Schlossergeselle Berger aus Chemnitz wurde am 10. Januar am Ausgange des Dorfes Bors dorf erfroren aufgefunden. — Der Oekonomieverwalter Breitfeld, auf dem Rittergut Haubitz in Stellung, wurde am 10. Januar vor dem Stallgebäude todt auf gefunden. Der Unglückliche hat bei dem in der Nacht herrschenden Sturm eine osten gefundene Thür, die er nur mittelst einer Leiter erreichen konnte, schließen wollen, ist jedoch durch Brechen einer Sprosse herunter- und mit dem Kopfe auf das Steinpflaster gestürzt, so daß der Tod augenblicklich eingetreten ist. — Leipzig, 12. Januar. Vor einigen Tagen fiel es auf, daß drei Schulknaben, die nicht aussahen, als ob sie Söhne wohlhabender Eltern seien, im neuen Theater auf Plätzen saßen, deren jeder 2 M. kostet. Auf Befragen theilten zwei dieser Knaben mit, der Dritte habe ihnen die Billets geschenkt, woher er sie, bezw. das Geld dazu hätte, wüßten sie nicht. Der Dritte gab erst ausweichende Antworten, schließ lich aber gestand er zu, an der Göthestraße ein Portemonnaie mit ca. 25 M. Inhalt gefunden zu haben. Er hatte sich sofort daran gemacht, dieses Geld herrlich und in Freuden zu verbrauchen, hatte für sich und seine beiden Spielkameraden Theaterbillets gekauft und sic auch zuvor gehörig mit leiblichen Genüssen traktirt. Man fand von dem Gelde noch ca. 13 M. bei ihm vor. — Wurzen. Am 8. Januar Abends wurde in einer hiesigen Gießerei ein Former von der glühenden Masse derart verbrannt, daß er unter gräßlichen Schmerzen bald darauf verschied. Der Verunglückte hinterläßt Frau und Kinder. — Leisnig, 12. Januar. Bei noch schwacher Eisdecke sind gestern Nachmittag drei Knaben über den Wehrteich der Mulde hier gegangen und am jenseitigen Ufer eingebrochen, wobei der eine davon, ein Konfirmand namens Wetzig, ertrunken ist. Die Grasen von Dürrenstein. Original - Roman von Emilie Heinrichs. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Zweites Kapitel. Bruder Eustachius. Hoch oben im Gebirge auf einer jäh sich abwärts senkenden Fels wand stand eine kleine, halbverfallene Kapelle. Vom Sturm schonungs los umbraust, zeigten ihre Mauern bereits hie und da bedenkliche Risse, und es bedurfte sicherlich nicht erst dieses gräßlichen Unwetters, um ihren Untergang zu beschleunigen. Das Glöcklein der Kapelle, welches manchem Verirrten schon den Weg zum sicheren Asyl gezeigt, klagte, vom Sturm in Bewegung gesetzt, in wimmernden Tönen, welche von dem Heulen und Pfeifen, dem Brausen und Prasseln der empörten Elemente höhnend begleitet wurde. In der Nähe dieser Kapelle lag, von allen Seiten geschützt, eine armselige Hütte. Die Felsen drängten sich hier gleichsam zusammen, um das Moosdach derselben zu schützen vor dem gierigen Unwetter, während eine alte Fichte sich liebend an die Lehmmauer schmiegte. Die kleine Lampe in der Kapelle war längst vom Sturm verlöscht; drinnen in der Hütte aber war Licht. Es beleuchtete ein hartes, niedriges Lager, auf welchem eine ehrwürdige Greisengestalt lang aus gestreckt ruhte. Das blasse eingefallene Antlitz und die geschlossenen Augen schienen einem Todten anzugehören, doch kündeten die leisen Athemzüge das schwach pulsirende Leben noch an. Neben dem Lager kniete ein junger Mann; das Antlitz desselben war von tiefer Trauer erfüllt und leise bewegten sich die Lippen im Gebet. Plötzlich schlug draußen ein Hund mit kurzem Gebell an. Der Greis öffnete die Augen, während der Knieende sich geräusch los erhob. „Es ist Fidelio," sagte letzterer bedauernd; „ich sandte den Hund hinaus nach etwaigen Verirrten. Wie schmerzt es mich, mein Vater, daß er Deinen Schlummer gestört hat." „Ich werde bald des Schlafes genug haben, mein Sohn!" ver setzte der Greis leise, „wie weit mag's an der Zeit schon sein?" Der junge Mann blickte nach einer kleinen, hölzernen Wanduhr. „Kaum acht Uhr, mein Vater!" „Ich werde noch nicht sterben," sprach der Greis mit zuversicht licher Miene, „bevor ich ihn wiedergesehen habe. Wir schreiben den fünften Oktober. Heute vor zehn Jahren ging er von mir, mit dem Versprechen, an diesem Tage wiederzukehren; er wird ganz bestimmt erscheinen, wenn er noch unter den Lebenden weilt — sonst sehe ich ihn jenseits! — Fidelio wird unruhig," setzte er nach einer kleinen Weile hinzu, „laß den treuen Freund herein, um Abschied von mir zu nehmen." Der junge Mann schritt zur Thür, und ließ den Hund, einen mächtigen Bernhardiner, in das Stübchen. Dieser war mit einem Satze bei dem Sterbenden und legte seinen großen Kopf an die kalte Wange des Greises. Bruder Eustachius, wie letzterer in der ganzen Gegend genannt wurde, liebkoste den Hund und schob ihn dann sanft von sich. „Hast du deine Pflicht gethan, Fidelio?" fragte er mit schwacher Stimme. Der Hund stieß einen heulenden Ton aus und zerrte seinen Herrn vorsichtig am Aermel, worauf er nach der Thür sprang und dann mit einem klugen Blick zurückschaute. „Er hat einen Verunglückten gefunden," fuhr der Greis mit An strengung fort. „Geh', mein Sohn, thue Deine Pflicht." Der junge Mann schien schwer zu kämpfen. Er warf einen fleh enden Blick auf den Sterbenden. „Ich kann Dich jetzt nicht verlassen, mein Vater! ES würde mir das Herz brechen, Dich einsam, im letzten Kampfe ringend, zu wissen —" „Während Du die heiligste Pflicht erfüllst, mein Sohn!" unter brach ihn ernst der Greis, „geh', Gottes mächtige Hand mag Dich geleiten durch Sturm und Dunkel!" Der junge Mann kniete bei dem Sterbenden nieder und neigte das Haupt, um den letzten Segen des väterlichen Freundes, welcher ihm Führer und leuchtendes Vorbild bislang gewesen, zu empfangen. Dieser küßte ihm die Stirn und sank erschöpft ans sein hartes Lager zurück. Als der Jüngling sich tiefbewegt erhob, sah er den Greis mit