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162 solchem Umfange aufblühe, wie St. LouiS. Bromme gicbt ihr in der 6. Auflage seines Handbuchs, welche 1849 erschienen ist, 8 Hauptstraßen, welche mit dem Mississippi parallel laufen und von 22 anderen rechtwinkelig durchschnitten werden, gegen 2000 Häuser und 42,480 Einwohner. Ich habe noch keine Gelegenheit gehabt, die Stadt ihrer ganzen Länge nach zu durchwandern, allein ich weiß, daß sie sich weit ober- und unterhalb der Kalk steinbänke ausgedehnt hat und daß letztere jetzt ungefähr den Mittelpunkt derselben bilden. Aus den 8 Hauptstraßen sind bereits 17 geworden und aus der 42,480 Einwohner gegen, oder nach einer anderen Angabe, über 80,000. Man rechnet, daß im Laufe dieses Jahres mit Einschluß der im Mai vor. I. abgebrannten Gebäude, die man auf 500 angicbt, gegen 2000 Häuser gebaut werde» sollen und daß in den nächsten 10 Jahren die Seclcnzaht auf 300,000 gestiegen sein werde. Das klingt beinahe fabelhaft, wird aber erklärlich, wenn man nur einigt Wochen lang dem hiesigen Leben und Treiben zugcschaut hat. Die Häuser schießen wie Pilze aus der Erde und dennoch fällt die Miethe (hier Rente genannt) nicht, sondern sie steigt immer noch. Wir bewohnen ein einziges Zimmer in einem ganz neugcbanten Hause auf der Market Street (Marktstraßc) zwischen der 8. und 9. Straße und zahlen monatlich 5 Dollars Rente. Der Hausbe sitzer vermicthet dabei nur die 4 leeren Wände und überläßt es dem Abmiether, für die AuSmeublirung zu sorgen. Ja nicht einmal ein Ofen steht in einem solchen Quartier. Unser Haus hat 36 Fuß Front breite und 85 Fuß Tiefe, es besteht aus Kellern, Parterre und zwei Gestochen. Es ist massiv von Backsteinen bis unter das platte Dach, welches von Eisen ist nnd unmittelbar auf dem zweite» Gestoch liegt. Im Parterre hat es 2 VerkausSladen (Store) und in jeder der beiden Etagen 4 Zimmer. Nach dem Hofe zu befinden sich zu beiden Seiten 4 Kü chen. Der laufende Fuß Boden hat vor 2 Jahren 75 Dollars gekostet und das ganze Haus mit Einschluß eines mit starkem eisernen Geländer ver sehenen Altan vor der 1. Etage ein Capital von 8000 Dollars erfordert. Dafür gicbt es jetzt fol- gende Rente: 500 Doll, die beiden Stören mit Küchen, 300 - 4 Zimmer mit 1 Küche in der 1. und 2. Etage. 60-1 Zimmer in der 2. Etage (das unsere). 860 Dollars. Dem Eigenthümer bleiben noch 3 Zimmer und 1 Küche, die er zu 300 Dollars Miethertrag an zuschlagen hat, so daß sich sein Capital zu 1160 Dollars jährlich verzinst. In spätestens 5 Jah ren, wenn dieses Haus im gewerblichen Mittelpunkte der Stadt liegen wird, kann er auf den doppelten Ertrag rechnen. Es gicbt Gebäude hier, welche in 8 Tagen aufgebaut wurden, 2500 bis 3000 Dollars kosteten und 1500 bis 1800 Dollars Rente geben. Natürlich fallen sie in 10 Jahren ein, allein sie haben ihren Zweck erfüllt. Der Eigcnthümer hat ein Capital erworben, welches nöthig ist, um an die Stelle des alten Hauses ein anderes zu setzen, wie eS die späteren Verhältnisse erfordern und er ist klug gewesen, nicht mit einem massiven Prachtbau zu beginnen, der ihn in Schulden ge- stürzt und vielleicht nicht einmal dem Zwecke ent sprochen hätte. Einen andern Grund für die lcichte Bauart hat man in den EigcnthumSvcrhältnissen zu suchen. Der größte Theil des Bodens auf dem St. Louis ausgelegt ist, gehört noch immer einzel nen Speculanten eigenthümlich, die vor 16 bis 20 Jahren ihn den Indianern abkauften und von die sen nicht selten für eine Flasche Whisky (MaiS- branntwcin), einen ganzen Acre Land erhandelten. Diese Spekulanten verrenken oder verpachten ihr Land in Baustellen auf 10 bis 20 Jahre und der Pachter baut ein Haus auf, das er nach Ablauf der Packtzcit dem Verpachter überlassen muß. Na türlich baut er nur ein solches Haus, da- gerade auf die Pachtzeit zusammeuhält. Allein, obwohl er die Baukosten zu tragen und eine hohe Rente zu zahlen hat, so macht er doch ein gute- Geschäft und ist bei Ablauf seiner Pachtzeit ein wohlhaben der, wenn nicht reicher Mau». Ein solcher Ab- micther, den ich persönlich kenne, brannte vor 3 Wochen ab und jetzt ist das neue Haus bereit- fertig und bezogen. Er muß 1000 Dollar- Jah- rcsrcnte geben, daö Haus kostet ihm gcgcn 1200 Dollars und dennoch wird er in der kurzen Zeit von 4 Jahren, wo seine Pachtzeit abläuft, sein Ca pital mit 15 bis 20 Procent Zinsen wieder ge wonnen haben. Vor solchen Unternehmungen schrickt der Deutsche in seinem Vatcrlande zurück. Hier thut er eS nicht. Er wird schnell ein Amerikaner, der das Wort „unmöglich" nicht kennt und befindet sich wohl dabei. Leidcr ist aber auch dem hiesigen Deutschen der Geldsack Alles und die politische einflußreiche Stellung Nichts, sonst müßten die circa 40,000 Deutschen, also die Hälfte aller Ein wohner, einen überwiegenden Einfluß haben, wäh rend sie bis jetzt nur Ziffern sind, mit denen die schlauen Jankee ihre politischen RechnungSexempel machen. Ich werde bei weiterer Kenntnißnahme von den hiesigen Verhältnissen später Gelegenheit nehmen, über diesen Gegenstand ausführlicher zu berichten und gehe jetzt auf das commerzrelle Leben der Stadt zurück. Einen Begriff davon erhält der Ankommende, wenn er die Masse von Steamern sieht, welche dicht gedrängt an der Levee liegen und ihre ungeheueren Bäuche mit Waaren füllen oder sich solcher entledigen. Alle Himmelsgegenden der Ver einigten Staaten sehen hier ihre Producte aufge stapelt. Der Osten liefert aus dem Ohio, der Sü den auf dem Cumberland, Tcnesscc und Mississippi, der Westen auf dem Arcansas und Missouri, der Norden auf dem Mississippi und Illinois Handel-, artikel aller Art und mit Kalifornien und Neu mexico ^wird uns bald eine Eisenbahn verbinden, welche schon in diesem Frühjahre bis Jndependence an der Westgrcnze des Staates Missouri und von wo die große Straße nach Santa Fee beginnt, in Angriff genommen werden wird. In zwei Stun-