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Lagesgeschichte. s Berlin, 7. September. Ueber die spanisch-deutsche Frage sagt c die „Kreuzzeitung": Selbstverständlich wird Deutschland zu der ofse- i nen Beleidigung Deutschlands nicht stillschweigen, durch die zu ergrei- l senden Maßnahmen aber wohl die Schwierigkeiten nicht vergrößern, die dem befreundeten Herrscher Spaniens aus dem bisherigen Gange der Angelegenheit erwuchsen. Das genannte Blatt spricht das volle ' Vertrauen in die bewährte Einsicht und feste Hand des Fürsten Bis marck bei der Lösung der Frage aus. — Die „Nationalzeitung" con- statirt die große Ruhe, womit man in Berlin die Madrider Nachrich ten ausgenommen und ist überzeugt, daß Deutschland volle Genug- thuung zu erlangen wissen werde. Die „Post" nnd die „Nordd. Allg. Ztg." äußern sich gar nicht. Die „Börsenzeitung" sagt: Die vorlie genden Nachrichten aus Madrid geben ein drastisches Zeugniß von der bodenlosen Verlegenheit, in welche die spanische Regierung durch den Madrider Pöbel und durch ihre eigene Schwäche versetzt worden ist. Dem charakterlosen Schwanken des spanischen Cabinets zwischen der Furcht vor dem Janhagel der Hauptstadt und der Besorgniß vor einem ernsten Konflikt mit Deutschland hat der Sturm auf das Hotel der deutschen Gesandtschaft in Madrid zwar ein Ende gemacht, gleich zeitig aber sieht sich das spanische Ministerium zu der über alle Ma ßen Peinlichen Nothwendigkeit verdammt, sich vor Allem und, bevor irgend ein anderer Entschluß gefaßt wird, bei der kaiserlich deutschen Regierung zu entschuldigen. Denn auch, wenn nicht mehr freund schaftliche Beziehungen zwischen den Kabineten von Berlin uud Ma drid beständen, war es Pflicht der Regierung des Königs Alfonso für die Sicherheit des deutschen Gesandten in vollstem Maß und aus reichend zu sorgen. Die Verhaftung von einigen Hundert mehr oder weniger zerlumpten Krakehlern, welche der Telegraph aus Madrid meldet, ist keine Genugthuung für die Insolenz der Madrideuen. Die spanische Regierung wird sich vielmehr dazu entschließen müssen, in der allerformellsten Weise in Berlin um Entschuldigung zu bitten, und das ist eine Strafe, die sie wohl verdient hat, die ihr auch kaum er lassen werden wird, obgleich der Reichskanzler die Vorgänge in Ma drid mit derjenigen Gelassenheit anzusehen scheint, welche der Starke den Ungezogenheiten eines jungen gegenüber bewahren darf. Ueberdie deutsche Gesandtschaft in Madrid, den Schauplatz der letzten Exzesse, schreibt man der „Nat.-Ztg.": Die deutsche Ge sandtschaft in Madrid bewohnt in der Straße Isabelle la Catolica den mittleren Stock. Die genannte Straße gehört keineswegs zu den größeren der spanischen Residenz, ist vielmehr ziemlich eng und wink- lich; umgeben ist die Straße von Quartieren, die durch die niederen Klassen der Madrider Bevölkerung bewohnt werden. Um zu dem Wappen über der nur mäßig hohen Hausthür zu gelangen, bedarf es keiner besonderen Vorbereitung. Die Entwickelung von Militärmacht in der engen Straße mit selbst für Madrid mangelhaften Zugängen ist allerdings nicht ohne Schwierigkeit; es läßt sich leicht denken, daß ein aus der Nachbarschaft zusammengeströmter Mob für eine Zeit lang in dieser Straße dominiren kann. Die Erdgeschoßfenster sind nach Madrider Sitte vergittert. Da zu den Volksvergnügungen der spanischen Residenzler neben den Stiergefechten von Zeit zu Zeit ein Straßenauflauf oder eine Revolution gehört, die seit einer für spanisthe Begriffe außerordentlich langen Zeit sistirt waren, so ist der Eifer, welchen der Madrider Pöbel bei dieser Gelegenheit entwickelte, um so verständlicher. Dagegen darf man als sicher annehmen, daß innerhalb der demonstrirenden Masse über die Lage und Bedeutung der Karo linen gar keine oder höchst verwirrte Begriffe existiren! Die Karolinen gehören zu dem nordöstlich von Australien lie genden Juselbereich, den man mit dem Gesammtnamen Mikronesien bezeichnet. Zu Mikronesien gehören außer den Karolinen noch die Marianen-, die Palau-, die Marschalls- und die Gilbert-Inseln. Die Karolinen, auch Neu-Philippinen genannt, sind etwa 500 Inseln an Zahl, vertheilt unter 48 einzelne Gruppen; sie zählen zusammen nur 1450 Q.-K.-M. mit 25,000 Einwohnern, die der malayisch-polynesi- scheu Raffe angehören. Die größten der Inseln, Jap und Kussai, sind „Königreiche". Die Insel A a p, unterm 140. Längegrad und 10. Breitegrad gelegen, zählt ungefähr 10,000 Einwohner. Konsul Herns- heim hebt in seinem Reisebericht den geräumigen Hafen von Rul her vor und erzählt von einem Häuptling Foneway daselbst. „Eine gut gepflasterte Straße führt am Strande entlang. Breite Steinpieren laufen weit in's Wasser hinein ; auf ihnen sind die großen Versamm lungshäuser errichtet, nach denen sich die Insulaner des Nachts bege ben, wenn in den im Dickicht gelegenen Wohnungen die Moskitos allzu lästig werden. Auch wichtige Berathungen hält man auf den vor den Häusern liegenden Terassen ab. In Kriegszeiten zieht sich das Volk, besonders bei Nachtzeit, in diese von drei Seiten durch Wasser ge schützten Häuser zurück, denn hier ist eine Ueberrumpelung kaum zu befürchten. Die Insel Map besteht aus 67 unabhängigen Dörfern. Fast immer stehen sich einige Dorfschaften feindlich gegenüber; kommt es zur Austragung einer Fehde mit Waffengewalt, so werden beider seitig großartige Vorbereitungen getroffen, manchmal wird auch die Hülfe eines neutralen Dorfes erkauft. Weit verheerender aber als die Schlachten sind die epidemischen Krankheiten. Neben einer Hals entzündung ist es vor allem ein bösartig ansteckender Husten, der meist schon nach wenigen Tagen mit dem Tode endet. Wird ein Dorf von dieser Seuche heimgesucht, so rotten sich die Bewohner der nächstlie genden Ortschaften zu einem Ueberfall zusammen. Die schon von der Krankheit Ergriffenen werden getödtet, alle Hütten niedergebrannt und die verschont gebliebenen nach den Bergen gejagt." Da ist's doch ein Wunder, daß überhaupt noch ein Dorf vorhanden ist. Gegenwärtig geschehen auf den verschiedenen Münzstätten des Reichs Ausprägungen 'von Einmark- und Pfennigstücken, er stere in Höhe von 10,370,000 M. und letztere in Höhe von 400,OM M. Die Prägung von Kupfergeld ruhte seit dem Jahre 1876, wird also jetzt nach fast einem Jahrzent wieder ausgenommen. Der größte Theil der Ausprägungen fällt der Berliner Münzezu, welche, wie die anderen Münzstätten, im Auftrag der Reichsbehörde handelt. Bis zur vollständigen Erledigung dieser Aufträge dürfte ein Jahr vergehen. Die „Landeshuter Zeitung" meldet, daß im Provinzialkapitel des Franziskanerordens in Bayern auf Antrag des Generaldefinitors der Beschluß gefaßt worden ist, sämmtliche Brauhänser in den Franziska nerklöstern Bayerns aufzuheben. Bekanntlich wurde in den Brauhäu sern ein kräftiges Bier noch nach altem Brauerrecepte gebraut. Von der bayerischen Grenze, 4. September. Die Hopfen ernte wird diesmal in allen Hopfenbau treibenden Gegenden Bayerns weit besser ausfallen, als in den letzten Jahren, so daß die Brauer nicht allein billigeren, sondern auch besseren Hopfen erhalten werden, als früher. Der amerikanische Hopfen, den einzelne bayerische Braue reien in den letzten Jahren verwenden mußten, weil das einheimische Produkt sehr selten geworden war, ist doch nicht so gut wie der un ¬ serige, weil bei der Pflücke desselben vielfach die nöthige Sorgfalt außer Acht gelassen wird. Der erste Rock Hopfen ist pro Centner mit 80 M. bezahlt worden, und man glaubt allgemein, daß unter diesem Preise kaum irgendwo gute Waare zu Haven sein wird. In Bezug auf die Meldung von einem blutigen Zusammenstoß zwischen deutschen und czechischen Soldaten bei den jüngsten Pilsener Manöver» kann das Wiener „Fremdenblatt" auf Grund vollständig verläßlicher Informationen versichern, daß nicht nur die ganze Erzäh- ung vollkommen unbegründet ist, sondern daß gerade bei den jüngsten Manövecn nächst Pilsen der echt kameradschaftliche Verkehr zwischen den einzelnen Truppenkörpern verschiedener Nationalität von Neuem den erfreulichen Beweis erbracht hat, daß der Nationalitätenhader, welcher in dem öffentlichen Leben Oesterreichs zum größten diachtheile des Staates und der Streitenden eine so bedauerliche Rolle spielt, in der Armee keinen Boden gefunden hat. Der Anzeiger des deutschen Vereins junger Männer in Lon don schreibt: Wir nehmen Veranlassung, unsere jungen Freunde im lieben Deutschland drüben recht dringend zu warnen, es sich zweimal zu überlegen, ehe sie nach England oder Amerika auswandern. Das alte Märchen, daß hier das Gold auf den Straßen liegt, scheint noch immer von Mensche» für Wahrheit gehalten zu werden! Arme Be trogene! Sie finden nicht Gold, nicht einmal Arbeit, aber Elend. Unser Verein kommt fortwährend mit Solchen zusammen, die hier schon lange und in guten Stellungen gelebt baden, die aber wegen der augen blicklich herrschenden Geschäftsnoth Plötzlich enilasien sind. Es ist un gemein schwer, selbst für solche Stellungen zu finden. Was nun mit Denen thun, die ohne Referenzen, ohne Kenntniß der englischen Sprache, ohne Mittel Herkommen? Es ist ein herzzerreißendes Elend! Niemand ahnt es drüben, welche Schaar von feinen gebildeten Leuten hier um hergehen, die gern die härteste Handarbeit verrichten würden, wenn sie solche nur bekommen könnten, die nun nicht mehr vorwärts noch rückwärts können und vom Hunger getrieben, Bettler werden oder gar noch tiefer sinken. Die Cholera läßt in Toulon und Marseille nach, auch in Spa nien ist die Epidemie im Abnehmen begriffen, doch sterben dort täg lich immer noch nahe an 1000 Personen. In den letzten Tagen wurde auch aus Italien das Vorkommen einzelner Cholerafälle berichtet. Eine Revolution kann's in Spanien viel eher geben als einen Krieg. Die Republikaner sind drauf und dran, den König zu stürzen und eine Republik zu errichten, wie sie's früher schon gethan haben. Ihre Augen sind auf den ehrgeizigen Marschall Serrano gerichtet, der in Revolutionen Uebung hat und gern Präsident der Republik würde, er scheint sich aber noch nicht entschieden zu haben. Auch der bekannte Parlamentarier Castelar reist im Lande umher und predigt die Repub lik. Der Minister Conovas spielt auch eine sonderbare Rolle; nach dem er anfangs ins Feuer geblasen und dann wieder zu löschen ver sucht hatte, läßt er jetzt öffentlich erklären, er habe vor zwei Jahren dem König von der Reise nach Deutschland abgerathen. Das ist nicht wahr, sieht aber aus, als ob er den König preisgebe Madrid, 6. September. Gestern Abend sind an 2M Personen verhaftet worden, die an den Ruhestörungen betheiligt waren. London, 7. September. Die Morgenblätter beklagen sämmtlich die Wendung, welche die Karolinenfrage genommen und sprechen ein stimmig die Ansicht aus, daß Spanien Deutschland die vollste Ge nugthuung schuldig sei. Die „Times" betonen, Spanien müsse na mentlich die Behauptung fallen lassen, daß seine unzweifelhaften Rechte frevelhaft angetastet worden seien, uud dazu bedürfe das spanische Mi nisterium nur etwas moralische» Muth. Sei das Ministerium zu schwach, um dem von Unwissenden oder Eigennützigen erhobenen Ge schrei gegenüber für die wirklichen Interessen des Landes einzutreten, so könnten ernste Folgen nicht ausbleiben. „Daily News" meinen, es könne keine Demüthigung für Deutschland sein, die Empfindlichkeit Spaniens zu schonen. Die „Morningpost" vergleicht die Vorgänge in Madrid mit denen in Paris vom Jahre 1870 und glaubt, daß die revolutionäre Partei in Spanien, wenn Sie die Oberhand erhalte, Spanien ein Sedan bereiten werde. Der „Standard" plädirt für die Ueberweisuug der Streitfrage betreffs der Karolinen an ein Schieds gericht. Der „Daily Telegraph" äußert sich in dem nämlichen Sinne und empfiehlt Lord Salisbury, Deutschland und Spanien die Ver mittelung Englands anzubielen. Auch in Amerika herrscht der Rassenkampf. In den Kohlen gruben von Rocksprings und Wyoming, wo die meiste» Arbeiter seit längerer Zeit schon striken, hatte man Chinesen eingestellt. Zwischen diesen und den Weißen ist es nun zu ernsten Kämpfen gekommen, wo bei 15 Chinesen getödtet, viele andere verwundet und 80 Häuser nie dergebrannt worden sind. Die Chinesen mußten sich in die Berge flüchten und leiden jetzt dort, etwa 5M an Zahl, Mangel an Nah rungsmitteln, weil sie von den weißen Arbeitern belagert werden. Schöne Zustände in dem gelobten Land Amerika! Die Gruben gehö- hören übrigens der Union-Pacific-Eisenbahn. Vaterländisches — Tanneberg, den 7. September. Heute Abend 8 Uhr fand ' sich zufolge Einladung seitens des Herrn Rittergutsbesitzers von Schön« berg-Pötting auf Tanneberg eine größere Anzahl wahlberechtigter Glieder der Gemeinden Tanneberg und Neukirchen im hiesigen ' Gasthofe ein, um die Darlegung des Programms des Herrn Laudtags- Candidaten, Herrn vr. Calberla-Hirschfeld entgegenzunehmen. ' Da es zur Zeit noch unbekannt ist, mit welchen Vorlagen sich der i nächste Landtag zu beschäftigen haben wird, jo hält es Herr l)r. Calberla für angezeigt, zu allen den wichtigen Fragen politischer und sozialer Natur, die unsre Zeit bewegen und deren Lösung uiisrem säch- ' fischen Lanvtage zustehe» würde, seine Stellungnahme zu kennzeichne». Zunächst verbreitete er sich über die Segnungen unsrer deutsche» Reichs- ' regieruug und die Vorzüge der sächsischen Regierung, die Notwendig« leit der Erhaltung sächsischer Selbständigkeit, soweit solches möglich. ' Hierauf beleuchtete er insbesondere unsre gegenwärtigen Stenerverhält« ' nisse in einer anßerordentlich gründlichen und — was besonders her- vorgehoben zu werden verdient — anschaulichen Weise. — Sehr lehr reich waren auch die in dieser Beziehung angestellten Vergleiche zwi schen städtischen und ländlichen Verhältnissen. Des weiteren kam Herr l)r. Calberla »och auf unsere Eisenbahnen, das Institut der Selbst verwaltung und manches andere zu sprechen. In der sich an den Vortrag anschließenden Debatte, in der der Herr Candidat aufgefor dert wurde, ferne Ansichten über Sanitätsbestrebungen, die Judenfrage, ° Vagabundenwesen u. a. darzuthun, hatten wir Gelegenheit, seine große ' Redegewandtheit, wie seine überraschende Schlagfertigkeit zu bewundern. Nachdem endlich noch festgestellt worden, daß sämtliche Anwesende ' sich für die Candidatur des Herrn Or. Calberla erklärten, wurde die in höchst befriedigender Weise verlaufene Versammlung mit einem von Herrn Rittergutsbesitzer von Schönberg-Pötting auf Se. Majestät unsern König Albert ausgebrachten Hoch geschlossen.