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MMM-. Mchmff WrM, Nchkii, Ziedkiilchli »ü die UmgkWkii. AmLsbLccLt für die Kgl. Kmtshaupünannschafl zu Weiten, das Kgl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. 45. ^akrKanK. Erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags. — Abonnementpreis vierteljährlich 1 Marl. Einzelne Nummern 10 Psg. — Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Nr. 76. Dienstag, den 22. September 1885. Bekanntmachung. Die ChausseehauSgrundstücke zu und sollen den 5. Oetober dieses Jahres, von Vormittag tO Uhr an, bei dem Untersteueramte zu Wilsdruff öffentlich versteigert werden und werden deshalb Erstehungslustige hierdurch geladen, sich zur obigen Zeit bei dem gedachten Untersteueramte einzufinden. Ebendaselbst, sowie bei dem unterzeichneten Hauptsteueramte und gedachten Chausseegelder-Einnahmen, sind von jetzt an die Ver- steiqerunqsbedinqungen zur beliebigen Einsichtnahme ausqelegt. Dresden, am 18. September 1885. Königliches Haupt-Steueramt. Herften. Die Landtagswahlen im Königreich Sachsen. Bei den am 15. September im Königreiche Sachsen stattgehabten Ergänzungswahlen zum Landtage wurde in den meisten Wahlkreisen von den verschiedenen Parteien heiß gerungen, aber an der bisherigen Zusammensetzung der zweiten Kammer wurde trotzdem sehr wenig ge ändert. Die unbestrittene Mehrheit im sächsischen Landtage bleibt nach wie vor den Konservativen, die 50 Abgeordnete in die zweite Kammer senden, dann kommen die Freisinnigen mit 16 Vertretern, die Nationalliberalen mit 9 und Sozialdemokraten mit 5 Abgeordneten. Die Konservativen und Nationalliberalen haben sonach ihren Besitz behauptet, die Freisinnigen einen Abgeordneten verloren und die So zialdemokraten einen gewonnen. Am bemerkenswerthesten scheint uns der Umstand, daß die Haupt stadt Dresden zum ersten Mal einen Sozialdemokraten in den Land tag geschickt hat, den Cigarrenmacher Kaden, einen, wie man allge mein hört, sehr unbedeutenden Menschen. Mag dieses beklagenswerthe Resultat endlich in Dresden die Ordnungsparteien ermannen und der in der Regel in Dresden sehr fatalen Wahlzersplitterung ein Ende machen. Beinahe wäre in Dresden-Antonstadt, Dank der Aufstellung von vier Kandidaten, auch noch der Sozialdemokrat Liebknecht gewählt worden. Daß Sozialdemokraten auch geschlagen werden können und zwar glänzend, wenn die Ordnungsparteien zusammenhalten, beweist die eine Wahl in Chemnitz, wo der nationallibcrale Kandidat Stadt- rpth Claus 3665 Stimmen, der Sozialdemokrat Liebknecht dagegen nür 1160 Stimmen erhielt. Entrissen wurde den Sozialdemokraten auch der Wahlkreis Leipzig-Land, den sie als eine ihrer Domänen an zusehen gewohnt sind und in welchem eine ganze Reihe von Vorstadt- dörsern in der Regel fast nur sozialdemokratisch wählen. Wie schon erwähnt, verloren die Freisinnigen nur einen Sitz im sächsischen Landtage, aber der Verlust ist insofern empfindlich, weil es derjenige des Wahlkreises der Hauptstadt Dresden-Altstadt war. Der vieljährige freisinnige Vertreter dieses Wahlkreises, der Kaufmann August Walther, wurde durch den Kandidaten der Konservativen, den Glasermeister Wetzlich, verdrängt. Nahezu als ein Kuriosum muß die Wahl in Leipzig bezeichnet werden, da gar kein eigentlicher Wahl kampf stattfand. Die Nationalliberalen und Konservativen hatten sich vereinigt, um dem Stadtrath a. D. Paul Bassenge ihre Stimme zu geben, während die Gegenparteien, zumal die in Leipzig sehr stark vertretenen Sozialdemokraten gar keinen Kandidaten aufgestellt hatten, also dem Stadtrathe Bassenge ohne Weiteres die Wahl zufiel. Es ist dies ein Vorfall, der noch einiger Aufklärung bedarf, denn die So zialdemokraten verfehlen sonst keine Gelegenheit, gerade in Leipzig ihre Kräfte zu messen. Von den übrigen großen Städten Sachsens wählte Zwickau wieder einen Sozialdemokraten und Glauchau und Plauen ihre bisherigen liberalen Abgeordneten. Das Lchrlingswesen beleuchtet uachstehender Artikel des „Lpz. Tgbl." in recht zutreffender Weise: Daß viele unserer gewerblichen Arbeiter in Hinsicht ihrer Ar beitsgeschicklichkeit viel zu wünschen übrig lassen, ist eine Thatsache, die von keiner Seite bestritten wird. Woran liegt das? Liegt es etwa an der Ausbildung des Arbeiters, an unserem gewerblichen Lehr lingswesen, daß diese etwa den Zeitanforderungen nicht mehr entspricht? Von so vielen Seiten wird angenommen, daß alles das Schlimme, was unser heutiges Gewerbelebeu bedrückt und stört, mit dem Eintritt der Gewerbeordnung seinen Anfang genommen habe. Aber die beregten Uebel bestanden schon vorher; denn die Zahl der Lehrlinge, die in der kurzen Zeit seit dem Inkrafttreten des erwähnten Gesetzes ausgebildet wurden, ist doch im Verhältniß zu der großen Masse von Arbeitern eine verschwindende. Da aber der Mangel an zureichender Arbeitsge schicklichkeit ein so weitverbreitetes und anerkanntes Uebel ist, so müssen seine Ursachen unbedingt zurückreichen in die Zeit der alten Gewerbe- versassung. In der früheren Zeit war der Lehrling allerdings der gesammten Gewerbe-Organisation fest eingegliedert, er war Schutzbefohlener der Gilde und Glied der Meistersfamilie, über welches selbst die Eltern keine Macht mehr hatten, sondern statt ihrer der Meister. Er wohnte in des Lehrmeisters Hause und aß mit ihm aus einer Schüssel und wurde zum Fleiße, Gehorsam, zur Ehrbarkeit und allen guten Dingen angehalten, was jetzt, da der Lehrling meist als „Schlafbursche" aus wärts wohnt, leider nicht mehr so durchgeführt werden kann, wie ehe dem. Wir dürfen uns aber nicht verhehlen, daß das Lehrlingswesen in der guten alten Zunftzeit auch sehr viel gegen sich hatte. Der Lehrling wurde zu einem großen Theile zu häuslichen Arbeiten ver wandt, besonders wurde er auch benutzt von der Frau Meisterin so wohl in der Küche, als in der Kinderstube, er war Gegenstand der rohen Späße und der Mißhandlung der Gesellen, denen er die man nigfachsten Dienste leisten mußte, was ja allerdings dem Burschen di rekt nicht schadete, wenn er nur dadurch nicht zu sehr der Werkstatt entzogen worden wäre. So aber war er mehr Dienstbote als Lehrling, zumal wenn er in der ungünstigen Lage war, kein Lehrgeld bezahlen oder kein Bett zurückiassen zu können. Er lernte nur die einfachsten Handgriffe und wurde eigentlich nicht wegen seiner Kenntnisse, sondern wegen einer Reihe überstandener Lehrjahre sreigesprochen; und die Entstehung des Wanderzwanges leiten die Geschichtsschreiber des 17. und 18. Jahr hundert geradezu von der ungenügenden Ausbildung der Lehrlinge durch die Meister her. So lernte z. B. kein Schneiderlehrling zuschnei den, die Gesellen mußten es in der Regel heimlich absehen. Ueber- haupt wurde selbst bei keinem Gewerbe die Zusammensetzung des Ganzen, die Auswahl und der Ankauf der Materialien, die ganze Oekonomie des Gewerbes ausdrücklich gelehrt. Manches wurde einem Günstlinge, einem Verwandten, erst spät, als ein tiefes Geheimniß mitgetheilt. Bei der Anwendung mancher Vortheile scheute der Meister den Lehr ling wie den Gesellen als einen Spion; Wahlspruch für den Lehrling war: „Stiehl Dir 'was, so hast Du 'was, doch laß Jedem das Seine!" So ist das Verhältniß bis auf die neueste Zeit geblieben, und An klänge giebt es noch genug. Wie lange dauert es z. B. bei dem Bäcker, ehe er eine „Strumpfsohle" backen lernt; er macht das erste Jahr nur den Handlanger, trägt Holz und Kohlen, putzt die Kuchenbleche re.; es sind dies zwar alles Arbeiten, die der Lehrling verrichten lernen muß, aber dazu gehört doch kein ganzes Jahr. Und was dem einen Gewerbe gilt, das gilt allen; der Lehrherr fühlt sich dem Lehrling gegenüber nur zu oft nicht als Lehrer, der die Pflicht hat, den Knaben sorgsam auszubilden, sondern als Arbeitgeber, der das Recht besitzt, die jugendliche Kraft an der Stelle zu verwerthen, wo sie ihm am meisten Nutzen bringt. Es giebt so manche Geschäfte, die viel mehr Lehrlinge aufnehmen, als sie auszubilden im Stande sind, denn da durch spart man ja den Lohn für die Gesellen. Das kann in dieser Weise nicht fortgehen, zumal in der Gegenwart zwei Umstände dazu kommen, welche die Ausbildung des Lehrlings noch schwieriger gestalten als ehedem. So besteht fast nirgends eine feste Abgrenzung der ein zelnen Gewerbs- und Arbeitsgebiete. Der Schlosser und Schmied, der Gelbgießer und Sporer von ehedem wußten genau zu sagen, wo ihre Arbeitsgebiete sich schieden; das gestattete ihnen, auf einem bestimmt abgeschlossenen Felde sich sicher zu bewegen. Die Gewerbefreiheit hat diese Grenzen aufgehoben, und man fertigt Alles an, was Geld ein bringt, wenn es nur mit der Hauptrichtung des Geschäfts einigermaßen Verwandtschaft besitzt. Dazu sind eine Menge Erfindungen gemacht worden, deren Anwendung eine höhere technische Ausbildung und Be kanntschaft mit mancherlei Gesetzen der Physik, Mechanik, Chemie rc. voraussetzt. Der andere Umstand, welcher der Ausbildung des Lehr lings in der Gegenwart noch erschwerend in den Weg tritt, das ist die stark vorgeschrittene Spezialisirung der Gewerbe. Die Arbeitsthei- lung greift bis tief in das Handwerk hinunter, das in vielen Zweigen unstreitig auf den fabrikmäßigen Betrieb lossteuert. In vielen Fabriken und Maschinengewerben existirt einfach das Institut der Lehrlinge nicht;