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schönen gefährlich werden konnte und bei seinem munteren, fröhlichen Wesen war er überall gern gesehen. Boshafte Zungen wollten es deshalb begreiflich finden, daß sich Frau Walterberg in den schmucken Burschen verliebt, der ihr gewiß weit besser gefallen habe, als ihr alter Mann, und diese verläumderi- schen Gerüchte erhielten freilich durch den Umstand Bestätigung, daß der alte Walterberg vor kurzem seinem Knecht den Dienst gekündigt hatte. Gewiß war dies aus Eifersucht geschehen. Nun hatte der Bursche kurzen Prozeß gemacht und den alten Mann bei Seite geräumt, eh' er ihn aus dem Hause bringen gekonnt. — So hieß es allgemein. — Jedenfalls hatte Paul Hildebrandt dabei noch einen Raub ausgesührt, denn Frau Walterberg behauptete, daß ihr Mann in seiner alten Komode die Summe von 3000 Mark in Gold aufbewahrt gehabt und dies Geld fei mit verschwunden. Durch die Aussagen der einen Magd erhielten die dunklen Ver muthungen schon eine greifbare Gestalt. Sie bekundete, daß die Frau sich ganz auffällig gegen Paul benommen und ihm gezeigt habe, daß sie ihm gut sei. Mehrmals habe sie ihn bei Seite genommen und heimlich mit ihm geflüstert und wenige Tage vorher, da sei der alte Herr gerade hinzu gekommen, wie seine Frau mit dem Knecht ganz freundlich gethan habe und nun sei es zwischen den drei Leuten zu ei nem heftigen Streit gekommen. Sie habe sich rasch davon gemacht, um nichts weiter zu hören; aber am Abend habe dann Paul zu ihr gesagt: „Der Alte ist verrückt und er soll sich nur in Acht nehmen." Paul Hildebrandt bestritt hartnäckig, diese Aeußerung gethan zu Haden und behauptete keck: „Die Magd sage nur so Feindseliges ge gen ihn aus, weil er nicht eine Liebschaft mit ihr angefangen, wie sie gewollt habe." Bald aber sollten sich noch andere Berdachtsgründe gegen ihn herausstellen, die er nicht mit seinem lachenden, freundlichen Gesicht verscheuchen konnte. In einem Winkel des Hofes wurde ein blutiges Messer gefunden, und Paul mußte zugestehen, daß es sein eigenes war; er behauptete freilich, es sei vor einiger Zeit auf unerklärliche Weise abhanden ge kommen und auch jetzt blieb er noch völlig unbefangen. Nun wurde zur Durchsuchung seiner Kammer geschritten und damit häuften sich die Beweise für seine Schuld. In dem verschlossenen Kasten des Knechtes wurde eine Geldbörse gefunden, die vier 20-Markstücke enthielt. Paul gab an, dies Geld habe er sich seit seiner Dienstzeit zusammen gespart und aus Vorliebe für Gold habe er sich die 20-Markstücke eingewechselt. Offenherzig setzte er hinzu: „Und die seidene Geldbörse hat mir einmal der Herr geschenkt, als er noch gur mit mir war. Machte der junge Bursche aus Schlauheit dies Bekenntniß, weil er doch voraussetzen konnte, daß dieser Umstand bald zur Sprache kommen würde? oder hatte er noch keine rechte Ahnung von der Ge fahr, die ihm drohte. Paul zeigte bei der Entdeckung dieser Börse uicht die mindeste Verlegenheit und sein frisches, blühendes Gesicht sah so sorglos aus, als sei er im Bewußtsein seiner Unschuld völlig sicher. Da entdeckte einer der Beamten tief im Strohsack des ärmlichen Lagers versteckt, eine Taschenuhr und als er sie triumphirend hervor zog, erblaßte der Knecht und vermochte seine grenzenlose Verwirrung nicht zu verbergen. Er war nicht im Stande, ein Wort hervorzubrin gen. Als er gefragt wurde, ob dies seine Uhr sei? und warum er sie im Strohsack versteckt habe? griff er sich an den Kopf und stammelte bestürzt: „Das begreife ich nicht. Die Uhr ist nicht mein — ich hab' sie nicht dorthin gelegt, ich wahrhaftig nicht", und er starrte dabei noch immer auf die Uhr, als sei ihm der Fund derselben ebenso unheimlich, wie räthselhaft. „Wem gehört dann die Uhr?" wurde er jetzt gefragt und ohne Zögern, obwohl weit leiser als bisher antwortete der Knecht: „Meinem Herrn; ich hab sie noch vor einigen Tagen bei ihm ge sehen. —" Paul ließ den Kopf an die Brust sinken; er war plötzlich wie ge brochen, als ahne er nach dieser unheilvollen Entdeckung sein trauriges Schicksal. „Ich weiß nicht, wie die Uhr in mein Bett gekommen ist; aber ich bin unschuldig, so war ein Gott im Himmel lebt!" rief er noch einmal aufflammend, als jetzt zu seiner Verhaftung geschritten wurde, dann ließ er sich ganz willenlos und gebrochen in das Gefängniß abführen. Seltsam genug trat gerade Frau Walterberg jetzt gegen Paul Hildebrandt am feindseligsten auf. Wollte sie der Welt dadurch be weisen, daß sie niemals für den hübschen Knecht eine kleine Zuneigung gehabt? Oder war ihr der Mensch plötzlich durch die gräßliche Blut that verabscheuungswürdig geworden? — Sie sprach mit großer Ent rüstung von Paul und behauptete sehr entschieden, daß er allein der Mörder sei. Während die Leute stets behauptet hatten, daß die Frau den jungen Burschen mit ihrer Zärtlichkeit verfolgt habe, erklärte sie jetzt: Paul sei ein frecher, zudringlicher Mensch; er habe es gewagt, selbst zu ihr die Augen zu erheben und als sie darüber empört gewesen, habe er in den leidenschaftlichsten Ausdrücken ihr gesagt: „Sie müsse doch seine Frau werden." Als man den Angeklagten mit dieser Aussage bekannt machte und ihn fragte, was er darauf zu erwiedern habe? stieß er nur ein wildes, höhnisches Lachen aus; aber er schwieg und war zu einer Antwort nicht zu bewegen. Mit dem jungen Burschen war seit seiner Gefangennahme über haupt eine ungeheure Veränderung vorgegangen. Der frühere so hei tere, lebenslustige Mensch war nicht mehr wiederzuerkennen; er konnte stundenlang in seiner Zelle vor sich Hinstarren, ohne sich nur zu rüh ren. Wohl behauptete er noch immer, daß er unschuldig sei, aber er wußte zu seiner Vertheidigung nichts weiter anzuführen und zeigte stets bei seiner Vernehmung eine Unbeholfenheit, die mit seinem früheren aufgeweckten Wesen in eigenthümlichem Widerspruch stand. Vielleicht mochte er sick und seine Sache selbst verloren geben, denn er kam so oft darauf zurück: „Ich sehe schon, daß ich einmal der Mörder gewe sen sein soll." Dennoch war Paul Hildebrandt, trotz der erdrückenden Beweise, die für seine Schuld Vorlagen, nicht zu einem offenen Bekenntnisse zu bewegen. Der Untersuchungsrichter mochte ihn mit Fragen noch so sehr in die Enge treiben, oder sein Gewissen erschüttern wollen, der Angeklagte beharrte trotzdem bei seinem beständigen: „Ich bin unschuldig." Seine schlichten Betheuerungen konnten freilich wenig Glauben finden, sprach doch zu vieles für seine Schuld, und als die Sache vor dem Schwurgericht zur Verhandlung kam, bedurfte der Staatsanwalt keines Aufwandes von großem Scharfsinn, um seine Anklage gegen Paul Hildebrandt zu begründen. Der Beamte hatte dennoch mit gro- ßem Geschick alle inneren und äußeren Gründe zusammengestellt, die Allen die Ueberzeugung beibringen mußte, daß der Angeklagte auch Wirklich der Schuldige sei. Mit großer Gewandtheit führte der Staatsanwalt aus, was"! Burschen zu der That getrieben habe. — Es sei die sträfliche Ml schäft für die Frau seines Herrn gewesen, die den Knecht zuerst q den Gedanken gebracht, Walterberg bei Seite zu räumen, der ihni'i Wege gestanden habe. Nachdem ihm die That gelungen, sei PleM in ihm die Habsucht erwacht und er habe zu dem Morde auch H Raub hinzugesügt. Das in einem Winkel gefundene Messer, du ihm entdeckte Börse und Uhr seines Herrn seien die überzeugnE Beweise für die Schuld des Angeklagten. Wer anders könne H Mord begangen haben? — Kein Fremder sei in jener Nacht nu-H terberg'schen Gehöfte bemerkt worden und nur der Angeklagte, der seinem Herrn unter einem Dache gewohnt, habe die bequemste U genheit gehabt, die That geräuschlos zu begehen. Hatten doch Mägde ausdrücklich bekundet, daß sie nichts gehört und der Hund^ in jener Nacht ganz still verhalten habe, der sich sonst sehr wasA" und bösartig gezeigt. Vor dem Schwurgericht benahm sich Paul Hildebrandt noch ueb^ feuer, als bei seinen früheren Vernehmungen; er stammelte jetzig wieder sein: „Ich bin unschuldig", aber er wußte zu seiner BerE gung kein Wort hervorzubringen und starrte immer stumpfsinnig^ sich hin, je weiter die Verhandlung ihren Fortgang nahm. Als bg ein Zeuge nach dem andern vernommen wurde und jetzt die auE fene Wittwe des Ermordeten mit großer Sicherheit, wenn auch etwas niedergeschlagenen Augen, ihre in der Voruntersuchung Aussage wörtlich wiederholte, wurde Paul doch aufmerksamer M schüttelte mehrmals mir dem Kopfe, während fein jetzt blasses, M i res Gesicht den Ausdruck entrüsteter Verwunderung zeigte. Kaum hatte Frau Walterberg ihre Aussage beendigt, da nm, aus dem Znschauerraum der halblaute Ruf gehört: „Das W und unwillkürlich richteten sich Aller Augen nach der der dieser Ausruf, entschlüpft war. Eine hübsche Bauerdirne sch hochgeröthetem Antlitz da und hielt ruhig die verwunderten um wurfsvollen Blicke aus, die ihr zugeschleudert worden. Sie schien dem Unpassenden, ja Unerlaubten chres Austretens keine Ahnung haben. Jetzt hatte auch der Angeklagte nach der Stelle geschaut, w^i der unerwartete Ruf erschollen war und seine traurigen Züge beb sich. In den matten Augen leuchtete eine seltene Freude auf und > halte die Dirne gewahrt, daß sie von Paul bemerkt und erkannt s den, da nickte sie ihm traulich zu und ohne auf ihre Umgebung . zu achten, rief sie jetzt ganz laut: „So sag' ihr doch, daß sie lich gelogen hat." (Fortsetzung folgt^) Vermischtes. * Ein schauderhafter Fall von Lynchjustiz wird aus rika gemeldet. Zwei Brüder Namens Polk waren im Gefaugnlv > s Murfrensborongh m Arkansas eingefperrt unter der Anklage, Hausirer Namens Williams ermordet zu haben. Der Ortspovc schloß, die Gefangenen zu lynchen und machte mehrere BersM, derselben zu bemächtigen. Da die Wüthenden nicht in die Am dringen konnten, bedienten sie sich Dynamits und verursachen "g Explosionen, die, obwohl sie dem Gebäude ungeheuren SäM" v.! fügten, die Zelle unversehrt ließen. In der Nacht vom SonnW- September, schritt der Pöbel zum Aeußersten. Holzmassen w", um die Zelle herum ausgeschichtet, mit Petroleum getränkt und zündet, und die Gefangenen so in der Zelle lebendig verbräunt. Gefängnißaufseher hatte sich geweigert, die Schlüssel herzuge^'- wohl er mit Schußwaffen bedroht wurde, er war aber äußert die Wuth des Pöbels zu besänftigen. t * Beraubung in der Synagoge. Aus Odessa wird bbM geschrieben: In einer Synagoge entstand gestern während des^., dienstes, als dieselbe dicht gefüllt war, in der auf der zweiten ^ , befindlichen Frauenabtheilnng, woselbst einige hundert Frauen S mengepfercht faßen, ein Feuerlärm, weil durch die offenen F"'' Sonagoge ein mit Staub verbundener Rauch eingedrungen wm- folge dessen entstand auch in der Männerabtheilung AufrelsiM!^ Alles eilte hinauf zu den Frauen, um die Ursache des erfahren. Nun war aber die Treppe nach oben von Faauemm^ welche über einander lagen, derart versperrt, daß es den fi< schwer war, hinaufzukommen. Man hörte Aechzen, Stöhnen, Hülferuse, und tue Verwirrung war eine unbeschreibliche. Biele 6 sprangen über die liegenden Körper hinunter, woselbst sie E, kannten Individuen, die, wie es allgemein heißt, absichtlich a' regung hervvrgerufen hatten, aufgefangen und ihrer goldnen hänge, Uhren, Ketten, fowie anderer Schmuckgegenstände beca» den. Die verzweifelten Frauen waren derart von Schrecken e g D daß sie diese Beraubung gar nicht merkten. Eine Frau ng Gedränge jo gedrückt, daß sie bald darauf im Hospitale große Anzahl anderer Frauen war theils verletzt, theils ihrer fachen beraubt worden. Man behauptet, daß die Strolche " vor der Synagoge viel Staub aufgewirbelt und ein Bunde angezündet hatten, um den Rauch durch die offenen Fenstes nagoge dringen zu lassen und so die Aufregung zu verursacht ' F * Eine diplomatische Chansonetten-Sängerin- Damen der leichtgeschürzten Sangeskunst, erzählt das „W- hatte auch Fräulein H. ihren Herzensroman, der in dkr neuen Weise damit endigte, daß der Geliebte — ein — sie in einem deutschen Städtchen treulos verließ, aus de» gement dnrchbrannte und ihr als einzige schmerzliche ErinM g' Bezahlung seiner Schulden überantwortete. Der ZauberküM berte mehrerer Monate in aller Herren Länder herum. eben in einer norddeutschen Hafenstadt, als er in einer dorNg tung ein Inserat las, in welchem Fräulein H., LiedersaNgelU kannten Aufenthaltes, aufgefortet wird, sich wegen einer ihr verstorbenen Onkel zufallenden Erbfchaft im Betrage von ME g bei dem Notar eines pommerschen Landstädtchens zu meloe^^g Schwarzkünstler fast sogleich einen kühnen Plan. Mit des>. sB Zuge reiste er nach Budapest, woselbst, wie er wußte, FräulewL^ch derzeit aufhielt. Dort angelangt, warf er sich der Sängerin za bat sie um Verzeihung und schwur ihr, daß er ohne sie E könne und sie heirathen wolle. Entzückt schloß ihn die DE Arme und folgte ihm zum Traualter. Nach der Hochzeit er? der Schlaukopf fein Weibchen so on passant: „Weißt Du sE„' Kind, daß Du eine Erbschaft von 30,000 Mark gemacht has/j„l/' lächelte hold und lispelte: „Von einer Erbschaft ist mir wchE wohl aber von einer Zeitungsannonce, die ich selbst einrE^s Ich wußte, daß Dich die Liebe zum Gelde mir iu die Arme F werde. Aber tröste Dich, ich besitze gar keinen Onkel." rer war nun vor Schreck selbst wie verzaubert. Er soll deng 1 Vorsatz hegen, niemals mehr einer Annonce Glauben zu schea