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Gesetz, die Bestimmungen zur Ausführung des GerichtSverfastungsgefeHes vom S7. Jauuar 1877 u. f. w. enthaltend, vom I. März 1878. 8 24. Zu dem Amte eines Schöffen und eines Geschworenen follen nicht berufen werden: 1 ., die Abtheilungsvorstände und vortragenden Räthe in den Ministerien; 2 ., der Präsident des Landeskonsistoriums; 3 ., der Generaldirektor der Staatseisenbahnen; 4 ., die Kreis- und Amtshauptleute; 5 ., die Vorstände der Sicherheitspolizeibehörden der Städte, welche von der Zuständigkeit der Amtshauptmannschaften ausge nommen sind. EageSgefchichte. Wien, 28. September. Gestern früh um 8 Uhr 53 Minuten ist Se. Majestät König Albert von Sachsen mit dem Courierzuge der Nordwestbahn aus Dresden hier eingetroffen. Zum Empfange hatten sich auf dem Bahnhofe eingefunden der deutsche Botschafter Prinz zu Reuß, der sächsische Gesandte v. Helldorf, der Statthalter Baron Possinger, FML Freiherr v. Cornaro, der Generalstabschef der 25. Jnfanterietruppendivision Oberstlieutenant Graf Wurmbrand, die Flü geladjutanten Graf Ehcistallnigg und Graf Nostiz. Bald darauf fuhr der Kronprinz Rudolf, von seinem Flügeladjutanten Korvettenkapitän v. Wohlgemuth begleitet, vor dem Bahnhofgebäude vor. Um halb 9 Uhr erschien in Begleitung des Generaladjutanlen Baron Popp der Kaiser. Als der Courierzug, in welchem ein Salonwagen für den König von Sachsen eingefügt war, unter den Klängen der deutschen Volkshymne in die Halle einfuhr, eilte der Kaiser seinem königlichen Freunde entgegen, drückte ihm kräftig die Hand und küßte ihn zweimal. Hierauf begrüßte auch Kronprinz Rudolf den König in überaus herz licher Weife. Mittags 12 Uhr wurde im kleinen Galeriesaale zu Schön brunn das Dejeuner eingenommen, an welchem der Kaiser, der König von Sachsen, Kronprinz Rudolf, Prinz Wilhelm von Preußen, Erz herzog Ferdinand, Großherzog von Toskana und Prinz Leopold von Bayern, welche vorgestern aus Gödöllö hier eingetroffen sind, theilnah men. Um 2 Uhr Nachmittags erfolgte die Abfahrt der hohen Jagd gäste mit einem Seperathofzuge der Südbahn von der Station Hetzen dorf aus zu den Hochwildjagden nach Neuberg. Wie man hört, nimmt der Kaiser vorderhand an den Jagden in Steiermark nicht theil. Der Monarch bleibt in Wien, beziehungsweise in Schönbrunn zurück. Also kein Schiedsgericht, der heilige Vater in Rom soll in der Karolinenfrage vermitteln! Das ist die allerneuste merkwürdige Phase, in welche der Konflikt zwischen Spanien und Deutschland ein getreten ist und neugierig darf man nun sein, ob es auch die letzte fein wird. Es ist richtig, fchou vor 8 Tagen etwa war die Nachricht aufgetaucht, daß dem Papst in dieser durch die thörichte Empfindlich keit der spanischen Nation über die Maßen aufgebauschten Angelegen heit die Vermittlerrolle zwischen den beiden streitenden Theilen zuge dacht sei, nicht minder richtig aber ist, daß das Gerücht keinerlei Glau ben fand und alsbald von Rom aus auch energisch in Abrede gestellt wurde. Nun scheint es doch zur Thatsache geworden zu sein, denn die offiziöse Agence Havas in Paris ist die Ueberbringerin desselben und die übrigen offiziösen Blätter und Büreaux haben es in alle Welt hinaus verbreitet. Man fragt sich erstaunt, was mag den Reichs kanzler veranlaßt haben, einen derartig außergewöhnlichen Schritt zu thun? Dem Papst, dem Oberhaupt der katholischen Kirche und als solchem den größten Gegner des protestantischen Kaiserreichs, demsel ben Papst, dem bisher jede politische Bedeutung verweigert worden ist, auf rein politischem Gebiet plötzlich die Rolle eines Mittelmannes, die eines „ehrlichen Maklers" zuzuerkennen, das ist besonders, das ist in der That außerordentlich. Eben deshalb aber schmeckt es nach Bis marck! Wer zu gebrauchen ist und sich gebrauchen läßt, der wird ge braucht; wer helfen kann, wo kein anderer Retter mehr zu finden ist, der wird zum Helfer gemacht und sei es der Papst. Daß derartige Manöver gewagt sind, das weiß der Reichskanzler so gut wie wir und jeder andere, auch wird man in Rom gewiß nicht nur um der Erhal tung des lieben Friedens willen sich haben bereit finden lassen, wenn dort nicht schon der Umstand als genügende Belohnung empfunden wird, daß des Papstes überhaupt gedacht worden ist. Doch, gerade das Außergewöhnliche verleiht den Dingen bekanntlich besonderen Reiz und so wird am Ende die streng katholische Nation der Spanier am leichtesten sich einem Ausspruch des Papstes fügen, der auf den Karo linen kein weltliches, sondern höchstens das Interesse einer oder der anderen Missionsgesellschaft zu wahren hat. Jede politische Macht, heiße sie England, Frankreich, Rußland oder Italien, hätte parteiisch erscheinen und entweder in Spanien oder in Deutschland auf Mißtrauen stoßen können, der Papst als Vermittler wird kaum auf Widerspruch stoßen, denn mit dem spanischen Volk beugt sich vor ihm der spanische Klerus, die spanische Armee, der König und mit diesem die „Germania" in Berlin; das protestantische Deutschland aber, das sich um jener In sel Aap willen überhaupt noch nicht in Aufregung hat bringen lassen, wird dem Fortgang der Sache ruhig zuseheu und schließlich ein ganz klein wenig Heiterkeit kaum zu unterdrücken vermögen. Allah erhalte dem Sultan die Gemüthsruhe, deren er sich er freut. Er ist der ruhigste Mann bei den brennenden Händeln am Balkan. Er wartet ruhig ab, bis alle Botschafter sich in Konstanti nopel versammelt haben und hofft, daß sie um so schneller arbeiten werden, je näher ihnen das Feuer ist und ihre Stühle heiß macht. Brennt's mich, sagt er, so brennt's auch sie, sie müssen sich gefallen lassen, daß die Bulgaren, die Montenegriner, die Rumänen, die Ser ben u. s. w. ein Loch in den Berliner Vertrag brennen. Es geht ihm fast wie dem Schusterjungen mit den erfrorenen Händen, es geschieht meinem Vater schon recht, warum läßt er mir keine Handschuh ma chen. Viel unruhiger ist der Battenberger, er muß immer an Bismarck denken, der ihm vor ein Paar Jahren auf die Frage: Soll ich den bulgarischen Thron annehmen oder ablehnen? geantwortet hat: Nehmen Sie an, es wird immer eine angenehme Erinnerung sein. Rom, 26. September. Der „Osservatore Romano" spendet der von Deutschland und Spanien an die Billigkeit und Weisheit des Papstes ergangenen Berufung großes Lob, die Berufung seitens des protestantischen, seit Jahren in lebhaftem Kampfe mit dem Vatikan sich befindenden Deutfchland sei um so bedeutsamer, weil die Herrscher und Völker sich nicht mehr vor dem päpstlichen Throne neigten. Das große überraschende Ereigniß werfe seinen Glanz ans das Papstthum und besonders auf die Person des Papstes, der sich so sehr auf der Höhe feiner Mission befinde. — 27. September. In Palermo kamen gestern 164 Choleraer- krankungsfäüe und 81 Choleratodesfälle vor, in den Provinzen Ferrara 8 Erkrankungen, 2 Todesfälle, Massa 3 Erkrankungen, Parma 7 Er krankungen, 3 Todesfälle, Reggio, Emilia 2 Erkrankungen. Palermo, 28. September. Gestern sind 95 Personen an der Cholera gestorben. Vaterländisches. — Alte erfahrene Händler prophezeien für den Mittel- und Spät herbst einen größeren Rückgang der jetzigen hohen Butterpreise, was unseren Hausfrauen durchaus nicht unangenehm sein dürfte. Der Grund hierfür soll in den dies Jahr so massenhaften vorhandenen Gänsen zu suchen sein. Tausende und Abertausende sind im Laufe dieses Monats durch Händler von dem Auslande nach den verschiedenen Dör fern unseres Vaterlandes spedirt worden. Sind doch sicherem Verneh men nach auf Bahnhof Freiberg allein in diesem Monat an 13,000 Stück zur Entladung gekommen; dieselben sind alle an Oekonomen zur Abgabe gelangt, werden von diesen fettgefüttert und später geschlachtet. Liefert jedes Stück durchschnittlich nur ca. 1 Kilogr. Fett, so ergiebt dies gewiß ein hübsches Quantum; und solange das delikate Gänse schmalz genossen wird, braucht selbstverständlich die wackere Hausfrau nicht zu der theuren Butter zu greifen. Nun, die Zukunft wird leh ren, ob obige Deutung in Erfüllung gehen wird. Das dies Jahr fo reichlich vorhandene Obst hat den theils gefürchteten, theils erhofften Rückgang der Butterpreise bis jetzt noch nicht im Gefolge gehabt. — Ein politischer Prozeß spielt jetzt vor dem Schwurgerichte in Chemnitz. Neun hervorragende Sozialdemokraten: Vollmar, Bebel, Diez, Auer, Frohme, Ullrich, Müller, Heinzel und Viereck sind ange klagt, an dem Sozialistenkongreß in Kopenhagen im Jahre 1883 theil- genommen und überhaupt heimliche Verbindungen unterhalten zu ha ben, um Maßregeln der Verwaltung oder die Vollziehung von Ge setzen durch ungesetzliche Mittel zu verhindern. Als Zeugen sind u.A. vorgeladen Bennigsen, Windthorst, Sonnemann, Stöcker nnd andere Parlamentarier. Vollmar und Viereck sind wegen Krankheit nicht er schienen. Vertheidiger sind die Rechtsanwälte Freytag in Leipzig und Munkel in Berlin. — Aus den Berichten über die Kartoffelernte im Gebirge vernimmt man leider viel Klagen über das Schwarzwerden dieser Hack früchte, bei der bevorstehenden Winterzeit allerdings keine erfreuliche Perspektive für die ärmere Gedirgsbevölkerung. — Dresden, 28. September. Am Sonntag Mittag starb der Land tagsabgeordnete und Direktor des Landwirthschaftlichen Creditvereins Mehnert. — Zittau. In einem bei der Ziegelei in Oppelsdorf befind lichen Brunnen wurde der Leichnam der 57 Jahre alten Dienstperson Joh. Juliane Helbig aus Lichtenberg aufgefunden. Die Beschaffenheit dieses Brunnens ist eine derartige, daß die Helbig weder hätte hinein springen, noch hineinfallen können, und wird darum nicht Selbstmord, sondern ein Verbrechen vermuthet. Die Beerdigung des Leichnams wurde von der k. Staatsanwaltschaft sistirt. Die gerichtsärztliche Sek tion hat dem Vernehmen nach ergeben, daß der Tod durch Ersticken eingetreten ist. Die Untersuchung ist eingeleitet. .— Bei der Königlichen Altersrentenbank in Dresden, Altstadt, Lanhhausstraße 16, im Landhaus — sind im laufenden Jahre bis Endt August zusammen 890,775 M. in 3324 Einlagen eingezahlt worden. Eine Einlage betrug im Durchschnitt 268 M., die größte 26,281 M., die kleinste 1 M.; Einlagen von 1000 und mehr Mark kamen 195 vor. Gegen das Vorjahr, in welchem, trotzdem es seine Vorgänger wesentlich überflügelt halte, der gleiche Zeitraum nur 1236 Einlagen mit 742,038 M. brachte, ist eine Zunahme von 2088 ein zelnen Einlagen und 1»8,737 M. Einzahlungssnmme zu erkennen. — Vertrag des Vereins sächsischer Gemeindebeamten mit der Lebensversicherungs-Gesellschaft zu Leipzig. Die ebengenannle Gesellschaft hat mit einer großen Zahl von Behörden, Korporationen und Vereinen, n. A. mit dem Kaif. Gencralpostamt zu Berlin, mit der König!. General-Direktwn der Sächs. Staats-Eifen bahnen, der König!. Sächs. Zoll- und Steuerdirektion, den sämmtlichen Königl. Sächs. Schuliuspektoren, dem Verband Deutscher Handlungs gehilfen in Leipzig rc. besondere Verträge zur Versicherung der Beam ten bez. Verbandsmitglieder abgeschlossen. Zu diesen Verträgen ist in diesen Tagen ein neuer getreten und zwar mit dem Verein sächsischer Gemeindebeomten, dessen Mitgliedern und deren Angehörigen dadurch nicht unerhebliche Vortheile geboten und die Versicherungsnahme we sentlich erleichtert wird, so daß fernerhin auf eine noch stärkere Be theiligung der inländischen Gemeindebcamten bei unserem altbewährten einheimischen Versicherungsinstitute mit Sicherheit gerechnet werden darf. — Der Krystallpalast in Leipzig wurde für 160,000 M. ver kauft. Das Etablissement soll noch wesentlich vergrößert werden. — Vorigen Freitag hat die Ehefrau eines Maurers in Knau kleeberg ihr drei Monate altes Kind, wie es scheint in einem An fälle von Geistesgestörtheit, mittelst eines Maurerhammers erschlagen. — Der umfangreichste Prozeß im ganzen Königreich Sachsen schwebt gegenwärtig gegen die Gründer der Hainichen-Roßwciner Ei senbahn, bei welchem eS sich um ein Klag-Objekt von 400,000 Thlr. handeln soll. Die Kostenrechnung dürfte dabei gewiß eine respektable Höhe erreichen. — Von einer traurigen Affaire wird aus Groitzsch bei Leipzig berichtet, woselbst sich dieser Tage ein 16jähriger Schuhmacherlehrling den Tod durch Ertränken gab. Derselbe hatte ein Kbrtoffelfeuer ent zündet und ließ dabei sein Schwesterchen, das ihm zur Aufsicht über geben war, außer Acht. Dasselbe fiel in das Feuer und erhielt meh rere Brandwunden. Aus Schreck darüber und aus Furcht vor Strafe suchte der Unglückliche alsbald freiwillig den Tod. — Die Einweihung der in Philippsdorf erbauten Gnadenkirche ist nunmehr definitiv auf den 11. October a. c. anberaumt worden. Zu diesem Tage werden schon jetzt die umfassendsten Vorbereitungen getroffen, da ein ganz bedeutender Zuzug von Theilnehmern erwartet wird. — In Schweikershain bei Waldheim suchte und fand am23. Sept, der 70jährige Handarbeiter Teicher in einem dasigen Teiche durch Ertränken den Tod. Kirchcunachrichten aus Wilsdruff. Am 18. Trinitatis-Sonntage Vormittags predigt Herr k. l)r. Wahl. Nach dem 2. Einlauten Beichte und nach der Predigt heil. Abendmahl. Der Gottesdienst beginnt von nun a» früh Vz9 Uhr. Nachmittags Katechismusunterredung mit den konfirmirten Mädchen.