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Eigenhändig Erzählung von Ludwig Habicht. (Fortsetzung.) . Der zweite Richter hatte deshalb ebenfalls nicht anders gekonnt, die Verklagte zur Zahlung der verschriebenen Summe zu verur- mleii. Seblst die dritte Instanz brachte kein besseres Resultat; sie 'S nun vollends bedenkliche Lücken in die ererbte Snmme. Paul Marnholz triumphirte. Sein schlimmer Charakter kam jetzt gütlich zum Vorschein. Er erklärte Jeden, daß ihn der gewonnene *rozeß weniger glücklich mache, als das Bewußtsein, seiner hochmü- Pgen Kousine die Erbschaftssumme entrissen und es ihr damit un möglich gemacht zu Haden, die Schwiegertochter des alten Wahlsdorff in werden. Ak liebenswürdige Kousine freute sich über das Mißgeschick in » nicht wenig. „Nun kann sie eine alte Jungfer bleiben," l 8» sie hohnlachend, während sie selbst zu aller Ueberraschung in den getränkt. In den Prärien fehlt es auch in der trockensten Zeit nicht leicht an Futter, denn das Gras wächst in der feuchten, fruchtbaren Zeil sehr schnell hoch, und dann tritt die Hitze und Wind ein, die das Gras so schnell trocken machen, daß es auf dem Halm zu Heu, zu sehr nahrhaften Heu wird, von dem die Thiere auch in der heißen trockenen Zeit ein sehr produktives Futter haben. Jie Lage der Linwanderer in den Vereinig ten Staaten von Nordamerika. Zweiter Bortrag, gehalten im Club der Landwirthe in Berlin von Herrn Rittergutsbes. Neuhauß-Selchow. Eine Seereife mit den Riefendanipfern der Neuzeit ist in der Regel nicht so schrecklich, wie wir Landratten uns solche vorzustellen Pflegen. Bei gutem Wetter in erster Kajüte läßt es sich bequem rei sen; man wird die Unbehaglichkeiten der Regel nach schnell genug ver gessen. — Mit der „Werra" gingen mit mir von Bremen aus ca. 1200 Zwischendeck-Passagiere nach New-Jork, die ich aufsuchte, als ich mit der Seekrankheit abgerechnet hatte. Freilich sieht es da unten in diesen Räumen nicht übermäßig behaglich aus, und wenn die rauhe See diese Leute noch verhindert, auf das Deck zu gehen, dann ist es dort unten freilich „schauerlich". — Dann sagt sich der größte Theil dieser Leute zum ersten Male: Warum bist Du doch nicht lieber da heim geblieben! Es war mir interessant, von diesen Leuten zu erfahren, was sie über das Meer trieb, und da möchte ich besonders zwei Klassen unterscheiden: I. Diejenigen, welche bestellt waren zu Freunden, zu Verwandten, zu Geschäftsinhabern; 2. diejenigen, welche ohne ein be stimmtes Ziel nach trüben gingen — weil sie ihren militärischen Ver bindlichkeiten aus dem Wege gehen wollten, oder weil sie mit deuhei- wathlichen Verhältnissen unzufrieden waren, — oder weil in Europa Mes so überfüllt fei, daß man in feinem Fache kein zufriedenstellen des Auskommen mehr finden könne, oder man nicht mehr wisse, mas die Kinder lernen und treiben sollten, oder weil man gehört, drüben bekomme man von der Regierung umsonst oder für weniges Geld fruchtbares Land oder schönen Wald. Dort könne man also zum Grundbesitz kommen, könne Bauer oder gar Gutsbesitzer werden. Wenigstens sei es außer Zweifel, daß man trüben mit dem, was man hier gelernt, konkurriren könne und dadurch zu Brot kommen würde. Das waren also im Durchschnitt die Ideen der Auswanderer: nicht Lohn genug, zu schlechtes Leben, Ueberfüllung überall; man wisse nicht wehr, was man werden solle. Ich entsinne mich sehr genau, daß ich bar 50 Jahren meine Eltern mit Anderen oft darüber verhandeln hörte, daß damals schon alle Fächer so entsetzlich überfüllt feien, daß wan in aller Welt nicht wisfe, was man seine Kinder noch werden lassen solle. Wie viele Erwerbsquellen fließen jetzt mehr als damals! Ebenso entsinne ich mich genau, daß mein Vater zu den Oberförster 2- in Zinna bei Luckenwalde äußerte, als damals dort die erste große Dampfmaschine zur Tuchfabrikation errichtet war uud als lange Reihen von Bauernwagen im Winter das Holz zur Feuerung dieser Dampf- waschme ansuhren: „Oberförster, wenn das so fortgeht, giebt es in 20 Jahren hier keinen Baum mehr." In Luckenwalde stehen heute wehr als 100 Dampfschornsteine und der Forst ist jetzt besser bestan den als damals! In New-Jork gelandet, finden die Einwanderer eine außerordent- uch segensreiche Einrichtung der amerikanischen Regierung in Castle Garden, wo ihnen unentgeltlich ihr Geld umgewechselt, auch Auskunft über die besten Reiserouten und Billets nach ihren Bestimmungsorten gegeben wird. Sogar Arbeit wird ihnen, so weit als möglich, nach gewiesen. Dienstmädchen sind gesucht, auch Leute für fchwere Arbeit; aber nach Beamten, Kaufleuten und Aufsehern habe ich keine Nachfra gen bemerkt. In Castle Garden können sich 2000 Einwohner einen Dag aufhalten. Nachdem sie sich legitimirt, daß ihnen auf dem Schiffe die Pocken geimpft sind, können sie weiterziehen. Wer als Bummler oder als Ausschuß der Heimath verdächtig erscheint, — keinen Nach- weis für seine Existenz führen kann, wird nicht Herausgelaffen, er muß von seinem Schiff wieder in die Heimath mit zurückgenommen werden. Man ist hierin der neueren Zeit, wo die Arbeitslongkeit in Amerika w groß ist, sehr strenge geworden. Wer ohne die Kenntnisse der englischen Sprache und ohne Aussicht auf Anstellung Castle Garden versaßt, empfindet der Regel nach zum zweiten Male bittere Reue, die Heimaih verlassen zu haben. Denke mau sich Polen, Ungarn oder Msen in Berlin ausgesetzt, die hier ohne Kenntniß der Sprache, Ar- vsü und Erwerb aussuchen wollten. Es giebt in Amerika viele Leute, die Deutsch sprechen, — aber wo sie finden? Man kann in den See- I" vm allerwenigsten ausrufen: Nehmt euch meiner an, — ich lpreche nur Deutsch. Diejenigen, die zum Mitleiden die Zeit haben, Wb gewöhnlich Gauner, die auf ihre Opfer lauern, um diesen den Wen Groschen abzunehmen. Ich habe in den Schlupfwinkeln New- Llorks unter Begleitung von Detektivs Männer und Frauen im Elend gesehen, wie solches bei uns kaum denkbar erscheint: Auf einem offenen, gepflasterten Wege sah ich mehr als 30 Menschen in Schmutz und ^egen ihr Nachtquartier halten, weil sie nicht 20 Pfennige Schlaf- gew ausdringen konnten. Der Beamte zeigte mir mehrere solche ent- letznche Höhlen in Fifeboint und sagte mir, daß diese hier Jahr ein, aus, auch im Winter kampirten, und daß dies Männer und Muen meist besserer Klassen seien, die über das Meer gekommen, den Mchluß versäumt, d. h. den Zeitpunkt versäumt hatten, in dem sie ls.H noch durch Energie und Arbeitslust eine Brotstätte hätten erobern vnnen. Wer die Seestädte nicht früher verläßt, ehe ihm das Geld ^ Weiterreise ausgeht, der geht darin unter! Ich will heute zuerst lHüdern, mit welchen Schwierigkeiten der Einwandernde in Amerika meistens ungeahnt — bei seinem Unterkommen zu kämpfen hat. (Fortsetzung folgt.) Stand der heiligen Ehe trat. Sie reichte dem Maschinenbauer Hein rich Gaßner ihre Hand. Ihr Auserwählter war wohl einige Jahre jünger, aber sie hatte es dennoch verstanden, ihn an sich zu fesseln, denn an Schlauheit und List übertraf sie beinah ihren Bruder, sie war dabei zäher und hartnäckiger und erreichte deshalb weit eher ein gestecktes Ziel. Selma Marnholz war sehr lang und sehr mager, aber sie hatte noch immer ein Paar prächtige kohlschwarze Augen, die sie trefflich zu gebrauchen wußte und in ihrem kostbaren Brautschmuck sah sie gar nicht übel aus und deshalb begriffen die Leute jetzt weit eher, warum sich der junge Gaßner so leidenschaftlich in Selma verliebt habe und heut' an der Seite seiner Braut gar so glücklich aussah. Der Bruder Selma's hatte die Kosten der Hochzeitsfeier bestritten, ja man sprach davon, daß er den Neuvermählten eine ganz hübsche Summe geschenkt habe, so daß der junge Maschinenbauer eigentlich nicht mehr nöthig habe, in der Fabrik zu arbeiten. Seine Frau hatte auch bereits die Idee gefaßt, irgend ein Geschäft zu errichten. Bald waren auch dafür die Vorbereitungen getroffen und Selma träumte bereils davon, auf diese Weise ein bedeutendes Vermögen zu erwerben. Ihr Geiz, ihre Habsucht kamen jetzt deutlich zum Vorschein; der Bru der hatte seinem Schwager gerathen, sofort seine jetzige Stellung auf zugeben, aber Selma mochte davon nichts wissen, sie bestand darauf, daß ihr Mann noch bis zuletzt in der Fabrik arbeiten solle, um diesen Verdienst nicht völlig zu verlieren. Es sollte zu ihrem Verderben sein; ihr Gatte kam mit einer völlig zerstümmelten Hand nach Hause; er war unvorsichtigerweise einem Treibriemen zu nahe gekommen und ihm die Rechte fast in dem Augenblick abgequetscht worden, als er für immer hier in der Fabrik seine Arbeit einstellen gewollt. Jetzt kam auch bei der Schwester Paul's die angeborne Herzens rohheit zum Vorschein. Anstatt ihren Mann zu bemitleiden und sorg fältig zu Pflegen, machte sie ihm wegen seiner Unvorsichtigkeit die bittersten Vorwürfe und sie überließ ihn gleichgültig feinen Schmerzen und seiner Hülflosigkeit. Ihre Gedanken waren nur auf den Betrieb des Geschäftes gerichtet und sie zürnte dem Unglücklichen, der sich zum elenden Krüppel gemacht habe und ihr nun nichts mehr nützen könne. Unter dieser Verwahrlosung nahm bald der Zustand des armen Mannes eine bedenkliche Wendung. Seine Frau bekümmerte sich wenig um ihn und überließ die Pflege des Verunglückten einer armen Ver wandten ihres Gatten, die zu seinem Beistand herbeigeeilt war, als sie davon gehört. Auf das Gemüth des jungen Maschinenbauers wirkte diese Lieb losigkeit seiner Frau völlig vernichtend. Er hatte sie wirklich geliebt — ihr so viel — alles zum Opfer gebracht und nun ließ sie ihn hülflos liegen und wenn sie ja einmal erschien, hatte sie nur Anklagen und Vorwürfe für ihn und seine leisen Andeutungen, wie sehr er ihr seine grenzenlose Liebe bewiesen habe, schnitt sie mit einem Hohnge lächter ab. Das brachte den Unglücklichen zur Verzweiflung und er murmelte dann nach ihrem Weggange dunkle Reden vor sich hin, die seine Pflegerin stutzig machten. Die alte, wackere Frau ahnte bald alles und sie drang so lange in ihren Verwandten, sein Gewissen zu erleichtern, bis dieser endlich einwilligte. Er glaubte sich ohnehin verloren, denn der endlich herbeigezogene Arzt hatte erklärt, daß seine Hülfe zu spät an gerufen. Als sich der Zustand des Kranken verschlimmerte und derselbe vielleicht nur noch wenige Stunden zu leben hatte, rief die alte Frau in aller Stille einen Gerichtsbeamten herbei und in dessen Gegenwart legte Heinrich Gaßner folgendes Geständniß ab: „Ich lernte Selma Marnholz zuerst in dem Hause ihrer Verwandten kennen. Sie war so freundlich und zuvorkommend zu mir, daß ich sie zuletzt auch recht gern hatte, und als sie mir versprach, daß sie mich heirathen wolle, war ich der glücklichste Mensch. Eines Abends bat sie mich ganz erschrocken, ich möchte mit zu ihrem Oheim kommen, der liege im Sterben. — Als wir Beide in die Stube traten, rief uns mein jetziger Schwager zu: „Nun ist er fchon todt. Was foll ich jetzt anfangen? Denken Sie sich, lieber Gaßner, mein Onkel sollte eben eine Bescheinigung und einen Wechsel für mich ausstellen, nun muß den Unseligen gerade jetzt der Schlag rühren. Das ist zum Verwünschen." „Ach, lass' ihn doch unterschreiben," sagte Selma sogleich, „Du darfst ihn ja nur die Hand führen." „Das ist ein gescheiter Einfall," rief Paul, „da können Sie ruhig bekunden, daß der Verstorbene seine Unterschrift eigenhändig geleistet hat. Wollen Sie das?" wandte er sich an mich. Ich stand ganz verwirrt und hatte anfangs gar keine Antwort, aber Paul redete in mich hinein, eine folche Aussage könnte ich einmal ruhig beschwören, es sei ja die volle Wahrheit, der alte Onkel solle eigenhändig die Unterschrift leisten und ich würde ja doch sein Schwager und er wolle dann glänzend für mich sorgen, wenn ich ihm diesen Gefallen thun und hier den Zeugen spielen wolle. Selma wußte mich Abends zu beschwatzen und mein Gewissen einzuschläfern. Paul nahm dann wirk lich lachend die Hand des Todten, drückte eine Feder hinein und machte nun damit die Unterschrift. Wohl war mir's wie ein schrecklicher Frevel und ein kalter Schauder lief mir über den Rücken, aber die Beiden scherzten und lachten und stellten mir die Sache wie einen hübschen Spaß hin und zuletzt glaubte ich selber, daß die Geschichte nichts weiter auf sich habe. Später kam die Vorladung zum Termin. Nun wurde mir freilich Angst, aber Paul sowohl wie meine Frau ruhten nicht eher, als bis sie all meine Bedenken beseitigt. Sie redeten mir beständig ein, ich dürfe nur aussagen, daß der Alte eigenhändig unterschrieben und das sei ja wahr. Daß der Mann schon todt ge wesen, danach werde man mich nicht fragen. Und ich war schlecht genug und ließ mich zu dieser Schändlichkeit verleiten und nun hat mich Gott dafür gestraft und mich mit meiner Hand büßen lassen, mit der ich gefrevelt. Jetzt weiß ich, daß noch eine Gerechtigkeit lebt und ich sterbe gern." So lautete die Aussage des Unglücklichen und wenige Stunden später gab er seinen Geist auf. (Schluß folgt.) Vermischtes. * Das Universitätskollegium von Wales in Aberystwith ist wie aus London gemeldet wird, durch Feuer zerstört worden. Der Bau hat s. Z. 800,000 Pfd. Sterl, gekostet. Tages - Kalender. Königliches Amtsgericht. Geschäftszeit von früh 8—12 Uhr und von 2—6 Uhr Nachm. Königliches Untersteueramt. Geschäftszeit von früh 8—12 Uhr und von 2—5 Uhr Nachm. Kaiser!. Post- und Telegraphenamt. Geöffnet Wochentags Vorm. 7—12 Uhr u. Nachm. 2—7 Uhr; Sonntags von Vorm. 8—9 Uhr und Nachm. 5—7 Uhr.