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Behörden, die Borstände der verschiedenen Vereine und Corporationen, sowie eine große Zahl freudigen Antheil nehmender Bürger halten sich nachmittags Vr5 Uhr auf dem Bauplatze an der Frcibergerstraße ein gefunden, wo sich die bauausführenden Ingenieure von Potfchappel und Wilsdruff mit dem Bauunternehmer und Bauaufsichtsperfonal zu ihnen gesellten. — Der eigentliche Aktus wurde durch einen Vortrag des Stadtmusikchores unter der bewährten Leitung des Herrn Musik direktor Spüring eingeleitet. Hierauf ergriff zunächst Herr Ingenieur Rohrwerder aus Potfchappel, der in Vertretung des dienstlich abwe senden Herrn Sektionsingenieurs Baumann erschienen war, das Wort, um mit beredtem Mund auf die Bedeutung der Grundsteinlegung, auf den ethischen Werth der Eisenbahnverbindungen, die den Menschen zum Menschen führten, hinzuweisen und mit einem jubelnd aufgenommenen Hoch auf denjenigen zu schließen, unter dessen glorreicher Regierung der Bahnbau in das Stadium gerückt sei, das uns Anlaß zur heutigen Feier gebe: aus Se. Majestät unseren allgeliebten König. — Der nächste Redner, Herr Ingenieur Bake aus Wilsdruff, dem die spezielle Bauausführung übertragen ist, führte aus, wie mit dem heutigen Tage die langgehegten Hoffnungen und Wünsche wohl aller Wilsdruffer ihrer nahen Erfüllung entgegen gingen und wie vor Allem die Stadt Wilsdruff in erster Linie berufen fei, der Segnungen der neuen Bahn theilhaftig zu werden Mit einem donnerden Hoch auf die Stadt Wilsdruff und auf ihre Vertreter schloß Redner. — Herr Bürgermeister Ficker trat hierauf vor, um der hohen Staats regierung und der hohen Ständeverfammlung im Namen der Stadt seinen unterthänigsten Dank für Förderung und Genehmigung des nun begonnenen Bahnbaues auszusprechen. Redner gedachte auch dank bar der bauleitenden Behörde und der bauausführenden Ingenieure und brachte ein dreifaches Hoch auf die hohe Staatsregierung und den hohen Landtag aus. Unter Absingung des Liedes „den König segne Gott", wurde eine eiserne Kapsel mit dem Grundstein eingemauert, welche eine auf Per gament geschriebene Urkunde, die von allen Theilnehmern unterzeichnet war, enthielt und fernen Geschlechtern beweisen wird, wie einmüthig und dankbar Alle am 9. Juli 1885 bei der Grundsteinlegung ver sammelt gewesen sind. Ein großer Theil der Anwesenden that in althergebrachter Weise die drei Hammerschläge auf den Grundstein, sie mit einem Spruche begleitend, von denen wir nur den des Herrn Rechtsanwaltes und Stadtrathes Sommer: „Wachse fröhlich weiter, womöglich etwas breiter" wegen seiner Originalität besonders erwähnen möchten, wenn wir uns auch der Hoffnungslosigkeit dieses Wunsches voll bewußt sind. An diese Feier schloß sich ein Festmahl im Hotel Adler an, bei welchem sich fämmtliche Festtheilnehmer betheiligten. Auch hier wurde des freudigen Ereignisfes des Tages in mehrfachen Toasten gedacht, sowie auch aller der Männer dankbarst gedacht, welche zur Erreichung der langjährigen Wünsche der hiesigen Bevölkerung wesentlich beigetra gen haben; namentlich wurde Herrn Bürgermeister Ficker gedankt, der, so lange er in hiesiger Stadt amürt, bei der Hohen Staatsregierung und den Hohen Ständekammern unermüdlich um den Bau dieser Linie gebeten hat. Auch der bauausführenden Herren Ingenieure, des Bauaufsichtsperfonals und der Bauunternehmer wurde anerkennend ge dacht, sowie noch mancher Wunsch und manche Hoffnung auf die Zu kunft zum Ausdruck gebracht. — Am 5. Juli feierte der Zweigverein der Gustav-Adolf-Stiftung von Wilsdruff, zu welchem 11 Parochien der Umgebung gehören, in Röhrsdors sein Jahrcsfest. Die Predigt hatte Herr Superintendent Dr. Blochmann aus Pirna übernommen und erbaute die Gemeinde auf's Herrlichste; die Collekte an den Kirchthüren betrug 54 Mk. 50 Pf.; nach dem Gottesdienste fand die Jahresversammlung im Gasthofe statt, in welcher Herr Pastor Crusius aus Taubenheim den Jahresbericht hielt und über die verwendbaren Gelder bestimmt wurde. — In der Nacht vom Sonnabend zum Sonntag wurde bei dem Barbier Hörig allhier gewaltsam eingebrochen und sind demselben eine Menge Kleidungsgegenstände, sowie auch gegen 40 Mark an baarem Gelde gestohlen worden. — Wir machen die geehrten Leser unseres Blattes schon heute auf etwas Außergewöhnliches aufmerksam, was nächsten Sonntag in hiesiger Stadt geboten werden soll; wir meinen Merkel's großen Circus und verweisen dabei wegen des Näheren auf das in heutiger Nummer befindliche Jnferat. Wohl selten ist der hiesigen Gegend Ge legenheit geboten, ohne großen Kostenaufwand einen so großen und berühmten Circus in der Nähe zu haben und besuchen zu können, wie nächsten Sonntag und es steht daher auch ein zahlreicher Besuch der ländlichen Bevölkerung zu erwarten. — Dresden rüstet sich zum sechsten deutschen Turnfest, um nahe an zwanzigtausend Turner aus deutschen und nichtdeutfchen Gauen würdig zu empfangen. Auf dem weiten, schön gelegenen Fest platze, der dicht an den Großen Garten stößt, erheben sich schon im posant und geschmackvoll die weiten Festgebäude nnd die Einrichtungen zum Turnen, Fechten, Springen und Spielen. Auch dem Schwimmen in den Elbbädern sind zwei Morgenstunden von 7—9 Uhr am Sonn tag gewidmet. Das Fest, welches Sonnabend, den 18. Juli, mit dem Empfang der ankommenden Turner und ihrer Begrüßung beginnt, findet am Donnerstag, den 23. Juli, feinen Abschluß mit der Aus führung von Turnfahrten in die sächsische Schweiz, in die näheren Theile des Erzgebirges und nach Meißen, woran sich 20 Gruppen mit ca. 4000 Turnern betheiligen werden. Die Bevölkerung Dresdens nimmt regen Antheil an allen Vorbereitungen zum Feste. Auch die Presse und Literatur bleibt nicht zurück. Zwei reichhaltige, frischge schriebene Nummern der offiziellen Festzeitung sind bereits erschienen, um die von nah fern erwarteten Turner und die Einwohner Dresdens von allen Festarrangements zu unterrichten und Stimmung für das Fest zu machen. — Ihre Maj. der König und die Königin haben dem Central- ausfchusfe des 6. deutschen Turnfestes zu Dresden zu erkennen gegeben, daß dieselben den Festplatz am Sonntag, den 19 Juli, nach vorheri ger Inaugenscheinnahme des Festzuges vom Balkon des k. Schlosses mit ihrer Gegenwart beehren werden. Zum Besuche des Festes ist ferner eingeladen worden Se. k. Hoh. Prinz Friedrich August. — In Betreff eines thatfächlich vorhandenen Uebelstandes schreibt das „Dresd. Tagebl.": Ein Uebelstand, der sich mehr und mehr in Schule, Expedition, Comptoir rc. fühlbar macht und schließlich doch einmal Abhilfe finden muß, ist folgender: In allen sächsischen, bezw. deutschen Schulen, höheren und niederen, ist bekanntlich seit Ostern 1881 eine neue Rechtschreibung eingeführt, die alle Schüler erlernen müssen. Tritt nun aber ein Schüler nach seiner Confirmation oder sonstigem Abgang von der Schule irgendwo ein, so sei es bei der Post oder Eisenbahn, im Kriegs- oder Finanzministerium, beim Rechtsan walt oder Kaufmann rc., überall muß er wieder nach der alten Ortho graphie schreiben, und somit hat er in der Schule etwas Unnützes, ja sogar etwas Falsches gelernt. Auch kommt es manchmal noch anders. Jeder Schüler einer einfachen Volksschule ist nach Entlassung aus der selben verpflichtet, noch 3 Jahre lang die Fortbildungsschule zu besu chen. Wie oft kommt es nun aber vor, daß z. B. ein Schreiber bei einem Rechtsanwalt in dessen Expedition den Tag über nach der alten, am Abend aber in der Fortbildungsschule nach der neuen Orthographie schreiben muß! Auf diese Weise bürgert sich die neue Orthographie niemals ein. Wer sie auch in der Schule gelernt hat, muß sie wieder verlernen; ja wir kennen sogar Lehrer, die im Privatverkehr die alte Orthographie anwenden, weil sie mit der neuen in Verdacht gekommen sind, nicht orthographisch richtig schreiben zu können!? Was ist aber nun zu thun? Wer giebt guten Rath? — Die durch Pensionirung des Oberforstmeisters v. Berlepsch zur Erledigung kommende Oberforstmeisterstelle im Forstbezirke Grillen burg ist von Sr. Majestät dem König vom 1. November c. an den Oberförster Karl Oswald Tittmanu auf Colbitzer Forstrevier über tragen worden. — Nach einer Mittheilung aus Roßwein ist der Vorsitzende des Dresdener Konservativen Vereines, Herr l)r. jur. Mehnert, von einer größeren Anzahl Wähler des bisher vom verstorbenen Prof. I)r. Richter-Tharandt in ausgezeichneter Weise vertretenen 27. ländlichen Wahlkreises (Amtsgerichtsbezirk Roßwein, Waldheim, Hainichen, Oederan) ersucht worden, bei der bevorstehenden Landtagswahl in der selben zu kandidiren. Herr vr. Mehnert hat sich bereit erklärt, dem ehrenvollen Antrag zu entsprechen und ein Programm veröffentlicht und im Wahlkreise verbreitet, in welchem er sich zu konservativen An schauungen bekennt und die wesentlichsten Forderungen dieser Partei beleuchtet und zu den seinigen macht. — Als die Mutter des Milchmannes Schulze in Cunnersdorf bei Schönfeld, der vor Kurzem gefänglich eingezogen wurde, weil el feine Ehefrau mit dem Rasirmesser umgebracht haben soll, am 10. Juli den Besuch einer Gerichtskommifsion aus Dresden erhielt, weigerte sie sich anfänglich ganz hartnäckig, derselben zu folgen, und als man sie später mit Hülfe des Gemeindevorstandes aus dem von ihr verschlossenen Hause holen wollte, fand man sie erhängt auf dem Oberboden. — Am 4. Juli ertrank im sogenannten Tiefenteiche der ungefähr 11 Jahre alte Sohn Ernst des Tagelöhners Meißner in Wermsdorf. Der Knabe hatte sich mit anderen Knaben gebadet, war bei dem Be mühen, eine Wasserrose zu Pflücken, an eine tiefe Stelle dieses Teiches gekommen und ist darin ertrunken. Die LandwirtHIchaftüchen Verhältnisse der Ver einigten Staaten von Nordamerika. Vortrag, gehalten im Club der Landwirthe in Berlin von Herrn Rittergutsbefitze Neuhauß - Selchow. (Fortsetzung.) Damit will ich die Mittheilungen über den Land-, Gemüse- und Gartenbau schließen nnd Ihnen noch erzählen, wie die großen Distrikte der Steppen mit gutem Boden genutzt werden, in denen der Hitze und mangelnden Niederschläge wegen der Ackerbau außer in den beschränk teren Strecken, die durch Berieselung tragbar gemacht wurden, nicht möglich ist, welche den größten Theil des Jahres ein trostloses Bild gewähren. Diese Prärien jenseits des Misisippi sind nicht mit denen zu vergleichen, die Cooper in seinen Romanen so poetisch und mit 5—7 Fuß langem Grase geschildert. Damals war bis hierher noch kein blasser Mann vorgedrungen. Sie sind ein hügeliges Flachland, als ob man die Oberfläche eines nicht zu stark bewegten Meeres auf dem Lande wiedergegeben sieht. Der Boden ist vorherrschend von feiner guter Qualität, auf dem aber nur 1 bis 1^ Fuß hohes Gras, das sogenannte Buffalo, auch das Bunsch- oder Bündel Gras in der nassen Jahreszeit schnell empor wächst. In großen Distrikten des Westens, in Utah und Nevada vorherrschend, ist der Boden so kalireich, daß die Oberfläche ganz weiß aussieht, und nur wenige Salzpflanzen auskom men läßt. Nur an den verhältnißmäßig seltenen und schmalen Bächen stehen einige verkümmerte Bäume und Sträucher, gewöhnlich Pappel arten, sonst begegnet das Auge auf dem 4 bis 600 Meilen weiten Prärien keinem Baum. Die heftigen Stürme sollen Schuld an der Baumlosigkeit der Steppen sein, man hat mir dafür keine anderen, ganz triftigen Gründe angeben können. In diesen unwirthlichen Wüsten sieht man nur in der Nähe der Bäche einzelne sehr reduzirte Holz« oder Erdhütten, in denen die Viehauffeher, hier Cowbois, Kuhjungen genannt, Hausen. Das Land gehört mit Ausnahmen in Arizona, Texas, Neu-Mexico und Californien in den ausgedehnten Flächen dem Staate, der es nicht in großen Flächen verkaufen will, es nur in kleinen Flächen von 160 resp. 320 Acre verschenkt oder verkauft. Der Staat verpachtet dies Land nicht, gestattet aber, daß Jeder beliebig viel Pferde oder Rinder auf die Weide schickt. Der Viehbesitzer muß sich aber das Recht zum Trinken seines Viehes selbst verschaffen und ein bestimmtes Zeichen, mit dem sein Vieh gebrannt ist, bei der Distrikts- behördc anmelden. DieWasser- und Tränke-Plätze sind fast alle in fester Hand, sie gehören jetzt gewöhnlich großen Aktiengesellschaften, die streng darauf achten, daß dorthin kein Vieh kommt, welches ihnen nicht gehört, oder das nicht im Besitz von Leuten ist, die hinreichende eigene Tränken inne haben. Es ist leicht zu verstehen, daß hier die Biehaltung bei so billigem Futter in einem Klima, in welchem Ställe und Winterfutter nicht nöthig sind, bei den jetzt so hohen Viehpreisen hohe Erträge abwirft, denn die Preise eines 2—3jährigen Rindes, wie solche dort gewöhnlich zum Markt gebracht werden, bewegen sich pro 100 Pfund Lebend-Gewicht zwischen 18 bis 28 Mk., für welches man bei uns 27 bis 36 Mark zu bezahlen Pflegt. In den großen Schlacht häusern in Cincinnati, St Louis, Kansas City, Chicago habe ich gesehen, daß man aus dem geringen Hals- und Schulterfleisch das Corned-beef für Europa herstellt, denn das gute Fleisch hat in Amerika selbst einen viel zu hohen Preis, um es mit dem Thansportzuschlag zu billigem Preise ans deutsche Märkte bringen zu können. In jedem Herbst und Frühjahr werden die Pferde und Rinder auf dazu bestimm ten Plätzen zusammen getrieben und werden die jungen Thiere, welche bei den Müttern zn bleiben Pflegen, von den Distriktskommissarien mit dem Zeichen der Mütter gebrannt. Wer Vieh kauft', muß dies, ehe es zum öffentlichen Verkauf kommt, mit seinem, des neuen Zigenthümers Zeichen brennen, was deshalb verlangt wird, um dem Diebstahl von den unbeaufsichtigten Weiden vorzubeugen. Die groben, unproduktiven Texas- und mexikanischen Viehrassen sind in den nördlichen Staaten rein kaum noch zu finden. Die Ame rikaner haben ihre Heerden auch in den Prärien mit Shorthorn-, Dur ham-, Herford-, Angus-Vieh in der energischsten Weife gekreuzt, resp. gezüchtet. Das Vieh kommt in langen Extrazügen an den fernen Markt, wird aber unterwegs auf bestimmten Stationen gefüttert und