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Fritzsche nicht; wenn dieser aber derartiges geäußert, so sei dies er logen. Als der Redner den Abg. Fritzsche im Hause bemerkte, er klärte er, der Abg. Fritzsche könne jener Fritzsche natürlich nicht sei», denn in solcher Eigenschaft könne er nicht lügen. Auf das Gesetz selbst kam er am Schluß nur kurz zu sprechen, brauchte aber den Ausdruck, der Staat müsse sich gegen Banditen schützen. Diese letztere Aeußerung und die Erklärung gegen Fritzsche veranlaßte den Abg. Bebel zur Geschäftsordnung das Wort zu erbitten und den Ord nungsruf gegen den Reichskanzler zu beantragen. Dies geschah in sehr leidenschaftlichem Tone und führte eine rechtfertigende Belehrung Seitens des Präsidenten Forckenbeck herbei, daß in beiden Fällen nach dem Wortlaut der ihm eben mitgetheilten stenographischen Be richte eine solche Veranlassung nicht für ihn vorgelegen habe. Vor dem Fürsten Bismarck legte der Abg. vr. Hänel in einer längeren Rede den Standpunkt der Fortschrittspartei bar, weil er auch das dermalige Gesetz seinerseits für unverbesserlich und unan- nehmbar erklärte, jedoch hinzufügt, für ein nenes Gesetz auf dem Boden des gemeinen Rechts werde seine Partei in eine Unterhandlung eintrcten. Ihm entgegnet dann sehr energisch Kleist-Retzow. Von der Reichspartei sprach nur Kardorf, von den Rational-Liberalen kein weiterer Redner. In letzter Reihe erschienen die Elsässer und Polen, erstere durch den Abg. Dolfns, welcher die von ihm gestiftete Arbeiter-Einrichtung in Mühlhausen beschrieb und zur Nachahmung gegen socialdemokratische Gelüste empfahl, und die letzteren durch den Abg. Jerdzdzowski. Beide sprachen gegen Erlaß des Gesetzes. Da mit schloß die Debatte und kam nur noch eine Reihe persönlicher Bemerkungen. Der Antrag, den Gesetzentwurf an eine Special- Commission von 21 Mitgliedern zu verweisen, wurde sodann mit überwiegender Mehrheit angenommen. Das Schicksal des Ge setzes bleibt zweifelhaft, falls die Rechte sich nicht dazu entschließt, die Verbesserungsvorschläge der Liberalen anzunehmen. Stimmen diese bei, dann ist Aussicht ans ein verbessertes Gesetz, und scheint in dem Hauptpunkte — die Richtigstellung der Definition im tz 1, die Bildung der Beschwerdeninstanz gegen die Polizeiverbote, die be sonderen Bestimmungen für die Presse, die Streichung der die Kassen und die Wirthschaften betreffenden Paragraphen und endlich die Be schränkung auf eine bestimmte Zeit, — auch im Bundesrath Geneigt heit vorhanden, eine Verständigung herbeizuführen. Von hervorragender Wichtigkeit ist der vom Abg. Stumm im Reichstage eingebrachte Antrag: „Der Reichstag wolle beschließen, den Reichskanzler zu ersuchen, dem Reichstage in der nächsten Session einen Gesetzentwurf vorzulegen, welcher auf die Einführung obliga torischer, nach dem Muster der bergmännischen Knappschaftsvereine zn bildender Alterversorgungs-und Jnvalidenkassen für Fabrikarbeiter gerichtet ist. Das Hülfskassengesetz von 1876 befaßt sich bekanntlich ' nur mit den Krankenkassen, und zwar deshalb, weil ihre Verhältnisse bereits genauer als diejenigen der übrigen Unterstützungskassen er forscht waren und weil für keine andere Kassenalt das Bedükfniß einer gesetzlichen Regelung sich so dringend herausgestellt hatte, wie für die Krankenkassen. Was nun die Stellung der Reichsregierung zu dem Anträge des Abg. Stumm betrifft, so wird dieselbe voraus sichtlich keinesfalls eine ablehnende sein. Denn es sind seit Erlaß des gedachten, die Krankenkassen betreffenden Reichsgesetzes im Reichs kanzleramte eingehende Ermittelungen über die in Deutschland be stehenden Invaliden-, Alterversorgungs- und Wittwenkassen angestellt worden, und zwar über die Gesammtzahl dieser Kassen, ihrer Mit glieder, die Höhe der Beiträge und der ihnen gegenüberstchenden Unterstützungssätze, sowie die Höhe des Vermögens jeder einzelnen Kasse. Auffallend ist nur, daß der Bundesrath der Resolution des Reichstags, wonach das aus die bestehenden Hülfs-, Kranken-, In validen- rc. Kassen bezügliche, die Krankheits-, Jnvaliditäts- und Sterblichkeitsstatistik, sowie die Mitgliederbeiträge und Kassenleistungen betreffende Material von Neichswegen durch geeignete Sachverständige bearbeitet und die Ergebnisse veröffentlicht werden sollten, nicht Folge gegeben hat. Die Noth der Zeit macht sich jetzt auch aus einem Gebiete geltend, das bisher in Berlin unter jeweiligen Calamitäten nicht zu leiden hatte. Die Vorsteher großer Privatschulen haben ihren Lehrern noch nicht das Gehalt zahlen können, weil das Schulgeld nicht mehr eingcht. Es ist so weit gekommen, daß die Schulvorsteher vielen Kindern ein Conto anlegen müssen, und befinden sich unter den zahl reichen Restanten Leute und Geschäftsfirmen, bei denen man eine solche Noth nicht für möglich gehalten hätte. Ein Schulvorsteher allein hat gegen 2400 Mk. ausstehcn. Wien, Sept. In Regierungskreisen wird zugegeben, daß Graf B eust diesmal den Londoner Posten verlassen werde. Seit Jahren habe Beust über das Londoner Klima geklagt; auf sein neuerliches Ansuchen um Abberufung gab der Kaiser seine Einwilligung. Sein Nachfolger ist jedenfalls Karo l y i. Ueber die weitere Verwendung Beust's ist noch nichts bestimmt. Aus Serajewo wird der „Deutschen Ztg." geschrieben: „Die österreichische Okkupations-Armee ist mit der Absicht über die Grenze gegangen, die religiösen Gefühle der Mohammedaner nach Möglichkeit zu schonen und das Heiligthum der Moscheen zu respektiren. Auch wollte man den Harem, d. h. die türkischen Familien- und Frauen gemächer, als unverletzlich gelten lassen. Aber diese gewiß loyalen Absichten wurden in schnödester Weise gemißbraucht. Geheime An zeigen, die sich später als wahr erwiesen, meldeten, daß nicht nur die Moscheen, sondern auch die Harems zu dem Zwecke benützt werden, um darin Waffen und Munition zu verstecken und in den Harems sogar Insurgenten zu beherbergen. Ja, in einer Denunziation hieß es sogar, Hadschi Loja befinde sich in krankem Zustande in Serajewo in einem Harem versteckt. In Folge dessen mußte jede Rücksicht fallen. Vom 6. d. angefangen werden durch die Feldgendarmerie unter Militärassistenz die von den freiwilligen Detcctives näher be zeichneten Harems genau untersucht. Unter Andern wurde auch der Harem eines reichen Türken untersucht, welcher bei Maglaj gegen die Oesterreicher gekämpft und erwiesenermaßen von dort ein Husaren pferd, vollständig ausgerüstet, mitgebracht hatte. Es wurde nichts ge funden als die Pferdedecke; aber' bei dieser Haremuntersuchung ent deckte und verhaftete man einen bei der Einnahme von Serajewo schwer verwundeten Insurgenten. Die türkischen Weiber wollten den Feldgendarmerierittmeister Csetsch glauben machen, daß das ein krankes Weib sei. In der That hatte die Gestalt über das Gesicht einen weiblichen Schleier gelegt, als aber dasselbe bloßgelegt wurde, fand man es bebartet. Der Mann war nur an der Hand schwer ver wundet, mußte sofort airfstehen, mitgehen und befindet sich jetzt im Jn quisitenspital, Auch in den Brunnen, in vielen Moscheen, Turbo (mohammedanischen Grabstätten) und in den benachbarten Wäldern sollen viel Munition und eine Menge Waffen versteckt sein. Ein Petersburger Brief der „Wiener Abendpvst" bemerkt, daß die Truppen, fowie das Volk in Rußland des Krieges fatt seien. Die Heilung der durch den Krieg geschlagenen Wunden werde ein halbes Jahrhundert in Anspruch nehmen. Paris, 19. Sept. Die jüngste Rede Gam bett a's ist das Ereigniß des Tages und sie verdient allgemeine Beachtung, denn sie ist das Programm, und zwar das vollständige Programm des Führers der Mehrheit in der Deputirtenkammer, und dieses Programm findet allgemeinen Beifall in den republikanischen Kreisen, wie es das Ent setzen der Ultramontanen und Bonapartisten ist. Gambetta hat weder die Einen noch die Andern geschont, und die „Dofense" schilt ihn wieder den „Wüthenden", als den ihn Thiers einst bezeichnet habe. Amtliche liberale Blätter, darunter der „National" das Organ Mar- cöre's, stimmen Gambetta's Programm zu, sie wollen also: Be seitigung der antirepublikanischen Ideen und Elemente in der Ver waltung, in den Gerichtshöfen, im Heere und vor Allem in der Wirksamkeit der Geistlichkeit, die streng in die Schranken des ge meinen Rechts zurückgetrieben, keine Vorrechte haben und keine beson deren Rücksichten finden soll. Das Konkordat und die organischen Gesetze sollen endlich streng ausgeführt und den vaterlandslosen Be strebungen der Jesuiten ein Ende gemacht werden. Die Staats universität soll die Verleihung der Grade, die ihr durch Ueberrumpelung entrissen, wieder erhalten und die allgemeine Wehrpflicht auch für die Geistlichen gelten, damit sie in der Schule der Zucht und Vaterlands liebe lernen, was jeder Republikaner wissen und ausüben soll. Das ist die Zukunft, auf welche Gambetta die Nation hinweist, wenn sie wieder groß nnd geachtet dastehcn will. Dieses Programm hat etwas Utopisches; aber es ist und bleibt schon edel und schön, einem Volke, das sich in eine neue Verfassung einleben soll, ein so hohes Ziel zu stecken, und dieses Verdienst hat sich Gambetta durch seine Rede erworben. OertlicheS und SächfifcheS. Ueber die Haltung des Hauses Schönburg in Betreff des mit der sächsischen Regierung adzuschließcnden, vom letzten Land tag beratheuen Vertrages vernimmt das „Leipziger Tageblatt" von guter Seite, daß bis jetzt das Haus Schönburg noch keine Ge neigtheit zeigt, dem Vertrage in der Fassung zuzustimmen, wie sie der Landtag im Einverständniß mit der Regierung beschlossen hat. Es soll namentlich das Konsistorium in Glauchau sein, auf welches das eiuflußreichste Mitglied des Hauses Schönburg nicht Verzicht leisten will, dasselbe beruft sich hierbei auf die in der That vorzüg liche Verwaltung desselben und auf die Stellung des Hauses Stolberg in Preußen, welches ähnliche Befugnisse unangefochten ausübt. Der Termin, bis zu welchem die Schönburger ihre Erklärung bezüglich der Annahme oder Nichtannahme des Vertrages abzugcden haben, läuft bald ab. Freiberg. Eine ganze Diebs- und Hehlergesellschast ist vor einigen Tagen hier polizeilich aufgehoben worden. In Hartmanns dorf bei Frauenstein war einem Wirthschaftsbesitzer eine Uhr ge stohlen worden. Der Verdacht, den Diebstahl verübt zu haben, lenkte sich auf einige männliche Individuen von hier, im Alter von 18 und 20 Jahren, die daselbst gebettelt hatten. Der Verdacht be stätigte sich und fand man die Uhr sammt Kette auf eincr, unfern der Wohnung des einen Spitzbuben gelegenen Berghalde, ebenso auch eine Partie Messingdraht vor, der ebenfalls von den Burschen gestohlen und dort versteckt worden sein dürfte. — Eine später vor genommene Haussuchung in der Wohnung der Diebe war abermals von Erfolg, denn hier fand man Kartoffeln, Cigarren, Tabak und eine Menge anderer, einem Viktualiengeschäft angehörender Gegen stände, die geständigermaßen gestohlen bezw. mit Hülfe eines 15jähr. Burschen, sowie eines einige Jahre älteren Mädchens erlangt worden sind. Die letztgedachten Gegenstände waren von den Elten zweier Kompliecen in Verwahrung genommen worden. Am 24. Mai d. I. machten in Chemnitz einige Herren die Wette, daß eine am Abend des genannten Tages daselbst zur Post gegebene Korrespondenzkarte die weile Reise um die Welt in 120 Tagen zurück- legcn könne. Der Absender war ein Herr Ludwig Ploß. Die Karte gelangte vor einigen Tagen wieder in die Hände des Herrn Ploß in Chemnitz. Sie war an nur 5 Adressen mit der Bitte um Weiterbe förderung gerichtet gewesen, nämlich nach Alexandrien, Singapore, Aokohama, San Francisko, New Jork und von da zurück nach Chemnitz gerichtet. K ö tz s ch e n b r o d a, den 21. Scvtbr. Die Aussichten auf eine befriedigende Weinernte gestalten sich von Tag zu Tag bei dem an haltend sonnigen und warmen Wetter und bei den milden Herbstnächten in Bezug auf die Qualität der bevorstehenden Traubenernte immer hoffnungversprechender und befriedigender, ganz vorzüglich aber sind die Ergebnisse eines reichen Ertrages. Deshalb werden auch die Traubenpreise behufs Einkauf für die Presse eine nur mäßige Höhe erreichen, umsoweniger als ja die Champagnerfabrik wegen Ausgabe des Geschäfts von dem letzteren diesmal ganz absieht, es müßte denn an dieser Selle ein Consortium vielleicht provisorisch eintreten. Be reits hat man an mehreren Orten mit dem Keltern des Weines be gonnen, demzufolge gilt schon jetzt süßer Most für eine Seltenheit nicht mehr, und die beliebten Mostfeste auf den gernbesuchten Höhen- puuklen der romantischen Lößnitzberge wie schon aus den Gcschäfts- aukündigungen des heutigen Blattes hervorgcht, nehmen gleichzeitig ihren Anfang. Selbstverständlich wird es nun im Laufe der nächsten Wochen auch bet uns an einem belebteren Besuch nicht mangeln, und der Herbst zum Theil hoffentlich wieder ausgleichen, was sein Vorgänger vergebens erwarte» ließ.(Kötzsch. Ztg.) Drei Lebenstage von H. Reichsheim. (Fortsetzung.) „Sei ganz ruhig mein Kind! Dieser Teufel fürchtet mich, und wird so leicht nichts unternehmen. Um jedoch Ihre Ruhe zn retten, und vielleicht noch das Glück Ihres Lebens zu gründen, bin ich ent schlossen, meine Praxis niederzulegen und mit Dir, meine Tochter (Du erlaubst dem Vater wohl das Du) eine Reise zu unternehmen. Sie gewährt uns einen doppelten Vortheil, erstens Zerstreuung und zweitens eine angenehme Sicherheit."