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Die königl. Polizeidirektion zu Dresden macht mit Rücksicht auf die daselbst neuerdings häufig ausgetauchten falschen 5-, 2- und 1-Markstücke, 50-Pfennig-, sowie 1-Thalerstücke preußischen Gepräges (1867) darauf aufmerksam, daß diese durch Guß aus Zinn und Blei hergestcllten Falschstücke namentlich an dem nicht sehr scharfen Gepräge, matten Aussehen und der mangelhaften Randbildung bei nur einiger Vorsicht und Aufmerksamkeit sofort erkennbar sind. Den Reigen der Volkskalender und Literatur für das Jahr 1879 eröffnet dies Mal mit besonderm Glück und Geschmack der Dresdner Geschichts-Kalender von Alexander Köhler in Dresden. Er enthält alles Wissenswertste, was von einem Kalender verlangt wird, zeichnet sich aber ganz besonders durch das Portrait Ihrer Majestät der Königin Carola, sowie durch eine höchst gelungene, hübsche Original- Erzählung von Gottfried Zschaler aus. „Georg Neumark, oder die Entstehung des Liedes: Wer nur den lieben Gott läßt walten." Alle Recensionen bezeichnen diese Erzählung als eine wahre Volks- Erzählung, die diesen Kalender zu dem besten Volkskalender des Jahres 1879 macht. >V. Radeberg. Ein mehrjähriges Actienunternehmen, mit dem es freilich nie so recht hat vorwärts gehen wollen, ist in der Haupt sache durch die am Sonnabend erfolgte nothwendige Subhastation des zum Concurse der „Medinger Actien - Bierbrauerei" gehörigen Brauereigrundstückes nun auch, wie manches seines gleichen, von der Blldfläche der öffentlichen Speculation verschwunden. Sammt Zu- behörungen in Medingen war letzteres auf 278,000 Mark gerichtlich taxirt worden und ist, was kaum glaublich erscheint, für nur 9000 Mark weggegangkn; außer einer thcilweisen Vertretung der Prioritäten durch drei anwesende Herren, war ein Bieter, sogar der concurrirende Rechtsbeistand weiter nicht erschienen. Drei Lebenstage von H. Reichsheim. (Fortsetzung.) „Ruhig, mein geliebtes Kind!" versetzte der Doctor gerührt, und wohlgefällig ruhte sein Blick auf der herrlichen bezaubernden Gestalt; „ich bin kein Egoist, um für ein Werk, das nur Menschenpflicht be stehlt, einen Lohn zu verlangen. Wollte ich es, beim Himmel, ich könnte mir mit vollem Rechte diese kleine zarte Hand ausbitten, um als thörichter Graukopf, den lachenden Buben zum Hohn, noch ein mal am Rande des Grabes vor den Altar zu treten. „He! mein kleiner schöner Schützling! was würde dieses Herz zu einem solchen Lohn sagen?" Leontine blickte ihn erröthend an, und eine traurige Ueberraschung malte sich einen Augenblick in ihrem Gesicht. Dann reichte sie ihm die Hand und sagte leise: „Sie haben das Recht, Herr Doctor, ganz über mich zu verfügen, ich bin Ihr wohlerworbenes Eigenthum." „Ha, ha, ha!" lachte er gutmüthig, „glauben Sie, liebe Kleine, ich möchte die Gassenbuben hinter mir haben, und zu Gutcrletzt noch das Bischen Ehle verlieren? Würde man nicht mit Fingern auf Mich zeigen und mir laut in's Gesicht schreien: „Darum spielte der Graukops den Menschenfreund, um diese frische Rose an seine Welke Gestalt zu fesseln! Pfui, ich hätte es verdient, und das mit vollem Rechte!" Erleichtert erhob sich Leontine und küßte ihm dankend die Hand, während der Doctor auf ihr Herz deutete und lächelnd fragte: „Hal denn dieses Herz gar keine Wünsche und Hoffnungen mehr?" „Meine Hoffnungen liegen alle begraben, wo sollten da noch Wünsche keimen? „Setzen Sie sich zu mir, liebe Leontine!" sagte der Doctor nach kurzem Nachdenken und einem prüfenden Blick auf ihr Gesicht, „ich hätte viel, sehr viel mit Ihnen zu reden, Ihnen viel zu enthüllen, wenn Ihre Kraft stark genug wäre, Alles anzuhören, wenn ich es wagen dürfte, an die verschlossene Kammer der Vergangenheit zu rütteln." Ueberrascht von dem beinahe feierlichen Tone des Doctors setzte Leontine sich an seine Seite und erwiderte fest: „Was es auch sei, mein theurer Freund! sagen Sie Alles, ich fühle mich stark genug, selbst das Schrecklichste zu hören." „Nun, liebes Kind!" begann der Arzt, „ich habe Ihnen niemals gesagt, da Ihr physischer und geistiger Zustand es bis jetzt nicht er laubte, durch welches entsetzliche Ereigniß Ihr damaliger Zustand her- beigesührl wurde. Sagen Sie mir, ist Ihnen keine Erinnerung ge blieben?" Leontine blickte ihn starr und fest an und erwiderte endlich: „Seitdem die Gedankenwelt meines Innern sich wieder logisch ge staltet, tauchen immer häufiger und deutlicher mächtige Erinnerungen in mir auf; der letzte Abend, der fürchterliche Theaterabend, wo er" — sie stockte bebend bei dieser Erinnerung, und legte einen Augenblick schmerzlich die Hand über die Augen, — dann fuhr sie zitternd fort: „o! mein Vater! das waren zwei Tage, schrecklich und sinnverwirrend; noch nie haben Sie nach meiner Vergangenheit geforscht, haben mit starker, lindernder Hand nur versucht, die blutende Wunde meiner Seele zu schließen, haben Alles vermieden, was mich erinnern konnte an mein Unglück. Jetzt ist es eine heilige Pflicht, meinen großmülhigen Retter Alles zu entwirren, was vielleicht einen düsteren Schatten auf mich Wersen könnte. Darf ich Ihnen meine Vergangenheit enthüllen, Bater?" „Ihr Vertrauen ehrt und erfreut mich, liebeS Kind, und kann überhaupt nur in jeder Hinsicht nützen!" versetzte der Doctor erfreut, und Leontine begann die Geschichte ihrer Jugend langsam, als fürchte sie den Faden ihrer Erinnerung zu vertieren, und oft stockend und weinend, von der Wucht ihres Unglücks überwältigt, zu erzählen. Mit gespannter Aufmerksamkeit lauschte der Doctor ihren Worten und Heller ward's vor seinem Geiste, seine lauge Erfahrung, seine umfassende Menschenkenntniß ließ ihn hier in einen Abgrund blicken, der nicht mit dem Auge zu durchmessen war. Als Leontine an die Theater-Vorstellung kam, war ihre Kraft zu Ende und nur leise konnte sie noch hinzusetze»: „Dem Spott und Hohn des Grafen angesichts meiner zu Grabe getragenen Hoffnungen und seines marternden Spieles mußte ich endlich erliegen. Ich sank besinnungslos, da die Gräfin mir zu bleiben befahl, zurück und weiß von da nichts mehr. Als ich zum ersten Male zum vernünftigen Dasein wieder erwachte, fand ich mich unter Ihrer Pflege, von Freundlichkeit und Menschenliebe um geben." Lange saß der Arzt nach ihrer Erzählung in tiefem Nachdenken und kämpfte mit einer Eröffnung, die so nothwendig und doch so höchst gefährlich werden konnte; endlich ergriff er ihre Hand und sagte mild: „Ich habe Ihnen eine schreckliche Eröffnung zu machen, Leontine, fühlen Sie sich stark genug, sie auzuhören? vielleicht werden Sie darnach wieder ein wenig der Hoffnung Raum geben und mit mir vereint eine Jntrigue zu entwirren suchen, die Ihnen beinahe das Leben kostete." „Reden Sie, Herr Doctor!" drängte Leontine mit ängstlicher Neugierde; „nachdem, was ich erlebte, kann mich das Schrecklichste nicht mehr erschüttern." „Wissen Sie, daß Ihr Bernard an dem letzten schrecklichen Abend Kabale und Liebe direkt mit Ihnen aufführle und die fürchterlichste Wahrheit auf die Bretter brachte?" „Wie soll ich das verstehen?" fragte Leontine erbleichend, indem sic des Doctors Hand ergriff, „um Goiteswillcn, reden Sie deutlich!" „Der Künstler hatte das Auge, indem die schrecklichste Eifersucht loderte, während seines Spieles nicht von der Loge gewandt. In der Scene mit dem Hofmarschall, seinem vermeintlichen Nebenbuhler, ruhte die verhängnißvolle Waffes, die sonderbarer Weise an diesem Abend scharfgeladen war, in seiner Hand; er selbst mußte das Pistol sogleich vorsätzlich zur Ausführung einer entsetzlichen Rache geladen haben. In dem darauf folgenden Monologe waren Sie schon ohn mächtig." Der Doctor stockte und fühlte rasch Leontinens Puls. Ihr Ge sicht war todtenbleich, ihre Augen hingen mit einer gräßlichen Auf regung und Angst a» seinem Munde, um das Entsetzlichste zu hören!" „Ein andermal, meine Liebe!" sagte der Doctor rasch, indem er sich erhob, „Ihre fieberhafte Aufregung taucht uicht für meine Er zählung; Sie werden mir wieder krank!" „Nein, nein!" rief sie bittend, „geben Sie mir das Gift nicht tropfenweise, die Ungewißheit dieser grausigen Katastrophe würde mich tödlen. Sprechen Sie, mein Vater! galt die Rache Ferdinands seiner Louise? seiner verrathenen betrogenen Louise? galt sie —" setzte sie leiser hinzu, „mir?" Der Doctor nickte schmerzlich, und mit einem leisen Schrei ver hüllte Leontine ihr Gesicht. Langsam, seine Gefühle bekämpfend, trat er an eine Hecke duftender prachtvoller Moosroscn, um die Unglückliche einen Augen blick ihrem Schmerz zu überlassen; denn Thränen der Verzweiflung, aus dem innerste» Herzen geweint, fordern, sollen Sie lindern, trösten, Einsamkeit und Ruhe. Endlich erhob sich Leontine und nahte sich mit strömenden Thränen ihrem Beschützer. Schweigend lehnte sie sich an seine Brust, Trost und Linderung an diesem treuen edlen Herzen suchend, und gerührt küßte der ehrwürdige Alle ihre blendend weiße Stirn. „Und Bernard?" flüsterte Sie nach einer langen Pause, „was ist aus dem armen Verblendeten geworden?" „Er ist frei!" versetzte der Doctor ernst und düster. „Golt sei Dank!" rief Leontine, unter Thränen lächelnd und andächtig die Hände faltend, „dann bin ich ruhig!" „Ehe ich zu ihm in den Kerker dringen konnle," fuhr der Doctor fort, „hatte die Gnade unfers Fürsten bereits seine Fesseln gelöst und noch in derselben Nacht hat er die Stadt verlassen. Doch, liebes Kind! was ich schon ansangs bemerken wollle, Sie sind hier nicht sicher, die alle Schlange erhebt wieder ihr giftiges Haupt, ich habe, ehe ich heute kam, den gräflichen Wüstling abblitzen lassen." „Der Graf von W.?" fragte Leontine ängstlich zitternd; mein Gott! wohin soll ich mich vor diesem Ungeheuer flüchten?" (Fortsetzung folgt.) Vermischtes. Tetschen. Am 13. Sept, hat sich ein erschütterndes Unglück am hiesigen Nordwestbahnhofe zugetragen. Die Schwester des Eisen bahnbeamten R., welche dessen Hausbestand besorgt, ging in Be gleitung von R.'s etwa dreijährigen Töchterchen über die Geleise und schlüpfte unter den Puffern eines Lastzugwaggons hindurch. In demselben Momente gerieth der Zug in Bewegung, das Kind, von Schrecken erfaßt, ließ die führende Hand los und wurde vor den Augen des bedauernswerthen Vaters an Händen und Füßen über fahren. Berlin, 18. Sept. Heute früh 3 Uhr ist in dem Postwagen eines von Magdeburg nach Berlin abgelassenen Güterzuges durch Selbstentzündung eines Colli Feuer entstanden. Der Zug wurde zum Stehen gebracht. Der Wagen ist bis aus die Eisenbestandtheile mit sämmtlichen Briesen und 800 Parteien verbrannt und sind nur 15 Pallete gerettet worden. Der Postschaffner rettete sich durch's Fenster. Nachdem die Polizeibehörde in Koblenz und in Saarlouis vor Kurzem den Jungen unter 16 Jahren das Tabakrauchen untersagt hatte, ist nunmehr auch von dem Bürgermeister der Vororte Trier's eine Polizeiverordnung wieder in Erinnerung ge bracht worden, durch welche allen Personen, die das 16. Lebensjahr noch uicht vollendet haben, das Tabakrauchen auf den Straßen, an öffentlichen Orten und Vergnügnngslokalen bei einer Geldstrafe von 3—9 M. oder bei verhältnißmäßiger Haststrafe verboten wird. Dem Polizeipersonal ist die strenge Durchsührung der Verordnung auf gegeben worden. (Auch anderorts empfehlenswerth!) Der Revolver im Portemonnaie ist kein Scherz, sondern eine ganz ernsthafte Erfindung. Die Nürnberger Firma Frankenau und Sacki hat ein Patent daraus genommen und sagt von ihrem Werke folgendes: „Ein Portemonnaie, äußerlich — auch im Umfang — ähnlich jedem anderen, selbst sür Damen handlich, ver birgt in einem Rahmentheil einen öläufigen Revolver, welcher mit der allgemein eingeftthrtcn 5 Millimeter Patrone geladen wird. Zum alltäglichen Gebrauch entspricht das Portemonnaie einfach seiner ge wöhnlichen Bestimmung. Soll es iudeß zum Schießen verwendet werden, so bewirkt ein Fingerdruck auf einen gewissen Punkt am Nahmen das Oeffnen einer Klappe (zum Auslaß für das Geschoß); der hierdurch gleichzeitig schießbereit werdende Drücker gestaltet, sich desselben augenblicklich, als einer auf ca. 18 Meter Entfernung sicher tragenden Waffe — zu erfolgreicher Sclbstvertheidigung — zu be dienen." Mancher Spitzbube wird nicht wenig überascht sein, auS einem harmlos vorgehaltenen Portemounaie statt der erhofften Gold füchse ein halbes Dutzend blaue Bohnen hervorknallen zu sehen! Kirchennnchrichten aus Wilsdruff. Am 14. Sonntag nach Trinitatis: Vormittags predigt Herr L. I)r. Wahl. Der Nachmittagsgottesdienst fällt aus.